Tanz schneller, Baby, die Marmelade kocht über

Was? Ein Buch auf einem Festival? Dahinter:Thees Uhlmann
Früher hätte es das nicht gegeben: Yoga, Marmeladeeinkochen und Bücher beim "Summerville".

Es ist ja, das haben wir aus "König der Löwen" gelernt, das Leben ein ewiger Kreis; und als Teilmenge dieses Minimal-Gedankens drehen sich auch die Jugendkulturen – zum Missfallen der jeweils vorhergehenden – munter weiter. Der Spießerschreck von einst ist nun selbst der Spießer. Und fühlt sich persönlich getroffen von dieser Jugend von Heute, die wirklich, also echt jetzt, bei weitem weniger Geschmack und Sinn für die Musik hat als wir damals, insgesamt also eine deutliche Verschlechterung darstellt. Früher hingegen war alles besser, das weiß nicht nur Servus TV, sondern auch der alternde Rocker.

Längst schütteln also die langhaarigen Schwarze-Leiberl-Träger, sich am Literbecher Bier festhaltend, verächtlich die Zotteln: Früher, bittesehr, gabe es keine veganen Currys und kein Marmeladeeinkochen auf den Festivals. Da wälzte man die sonnenbrandrote Rockerhaut im Schlamm und aß dazu rohes Fleisch, wie es sich gehört!

Früher, spöttelte auch Thees Uhlmann am Freitag, "sind wir mit dem Flammenwerfer zum Heavy-Metal-Konzert gegangen".

Und jetzt?

Jetzt läuft man, am erstmals im burgenländischen Wiesen veranstalteten "Summerville"-Festival, noch geschwind veganes Curry und einen frisch gepressten Fruchtsaft vom Food Truck holen, bevor Uhlmann aus einem Buch vorliest. Früher, bitte, hat es keine Bücher auf Festivals gegeben. Und auch kein Shiatsu, kein Familienyoga. Und wann man etwas gekocht hat, war das keine Bio-Marmelade!

Tanz schneller, Baby, die Marmelade kocht über
ZAZ - Summerville 2016 Wiesen - florian wieser -
Es versprach, das auf seine Art spannendste Festival der Saison zu werden; jetzt nicht musikalisch, da hat der gesamte Sommer ein Headliner-Problem. Auch das "Summerville", das mit der sympathischen französischen Chanson-Sängerin Zaz und Damien Rice als Headliner ein zu klein dimensioniertes Programm aufgestellt hat.

Spannend aber war das "Summerville" auf andere Weise: Endlich ein Festival abseits der elektronischen Szene, das ins Heute passt. Zumindest in das Heute einer zwar ausführlich und sorgfältig verspotteten, aber durchaus prägenden Teilkultur: Man versuchte, die neo-biedermeierlichen jungen Hipster-Menschen (und ihre Familien) kurz vom heimatlichen Herd oder dem Bio-Markt wegzu- und auf ein Festival zu locken. Mit Komfort-Camping, einer Lesung der "Tagespresse" und Facebook-Star Stefanie Sargnagel im Rahmenprogramm.

Schwieriger Sommer

Tanz schneller, Baby, die Marmelade kocht über
SOHN - Summerville 2016 Wiesen - florian wieser -
Das ist nur in Maßen gelungen: Die Besucher hatten viel zu viel Auslauf auf dem Wiesen-Gelände; zu viel, um etwa beim grandiosen Elektronik-Soul-Sänger Sohn übermäßige Stimmung aufkommen zu lassen. Es ist ein schwieriger Sommer für Festivals; das Überangebot hat zu Absagen geführt und belastet auch jene Festivals, die stattfinden. Andererseits hat die Konkurrenz belebt – das "Summerville" zeigt, dass gemeinsam erlebter Pop mehr sein könnte als ungesundes Essen, billiger Alk und teure Bands. Jetzt heißt es warten, was von den Festivals nächstes Jahr übrig bleibt.

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