Startenor Vogt: "Unsere Stärke ist die Freiheit"

Klaus Florian Vogt als "Lohengrin" in der Wiener Staatsoper
Startenor Vogt über übertriebene Sicherheitsvorkehrungen, Opernaufreger und seinen Wohnwagen.

"Im Grabe leb ich/Durch des Heilands Huld", singt Titurel in Wagners Oper "Parsifal".

"Im Wohnwagen leb ich", könnte hingegen Tenor Klaus Florian Vogt singen: Nach seinen Auftritten – zuletzt als Parsifal in Bayreuth – zieht sich der gefragte Tenor in sein Wohnmobil zurück, mit dem er im Sommer von Festspiel zu Festspiel reist. Wenn sich das nicht ausgeht, steigt er um – auf die Harley oder in sein Flugzeug. Also:

KURIER: Womit sind Sie denn nach Wien gekommen?

Klaus Florian Vogt: (lacht) Mit dem Wohnmobil.

Noch nicht eingewintert?

Nein! Bei dem Wetter doch nicht.

Dass Sie lieber im Wohnmobil als im Fünfsternehotel leben, widerspricht allen Klischees, die man von Opernsängern hat. Ist das Image oder sind Sie so?

Daran ist nichts aufgesetzt. Das sind die Umstände, so wie ich mir das für diesen Beruf und das Leben, das er mit sich bringt, zurechtgebaut habe.

Weichen Sie damit auch den unangenehmeren Begleitumständen des Sänger-Seins aus?

Ach, eigentlich nicht. Für mich ist es wichtig, dass ich mich da, wo ich für einen längeren Zeitraum arbeite, wohlfühlen will. Ich bin total unabhängig, kann mir selber etwas kochen und muss nicht dauernd ins Restaurant laufen, was schrecklich ist.

Wo parkt man denn in Bayreuth einen Wohnwagen – direkt auf dem Grünen Hügel?

Nein (lacht). Ich versuche, ein bisschen Distanz zu wahren. Ich bin kein Stadtmensch, deshalb zieht es mich oft an den Stadtrand.

Vor Bayreuth gab’s ja viel Aufregung, wegen des Regie- und Dirigentenwechsels, aber vor allem auch wegen der verschärften Sicherheitsvorkehrungen. War das dann so stark spürbar wie im Vorfeld angekündigt?

Ja, schon. Die Sicherheitsgeschichte war nervig und unnötig, teilweise übertrieben. Ehrlich gesagt weigere ich mich, mich daran zu gewöhnen. Das ist ein Zustand, den wir nicht akzeptieren können. Unsere Stärke in Europa ist, dass wir ganz freiheitlich leben können. Und das müssen wir uns unbedingt bewahren.

Haben die Umstände Einfluss auf die Kunst und das Empfinden? Etwa die Diskussion um Religionskritik im "Parsifal"?

Diese Diskussion war Schwachsinn, einfach blödsinnig. Man muss aufpassen, dass man sich nicht für alles und jeden schon vorauseilend rechtfertigen muss. Es ist sicherlich auch eine Gratwanderung, aber es wird unglaublich viel durcheinandergeschmissen. Natürlich hat es dieses Attentat in München gegeben. Aber dass das gar nichts mit dem IS zu tun gehabt hat, versickert dann.

Oper ist als Kunstform verschrien, die ein bisschen weiter weg steht vom Alltag. Ist diese große öffentliche Diskussion über Religion und Terror und Flüchtlinge jetzt eine neue Herausforderung für die Oper?

Ja, das glaube ich bestimmt. Es wird Einfluss haben auf Inszenierungen, auf Ideen, wie etwas zu sehen ist. Oper ist auch Theater, und Theater ist dazu da, die Zeitgeschehnisse aufzugreifen und zu bearbeiten. Ich glaube nicht, dass wir in der Oper immer noch so stark in der Vergangenheit schwimmen.

Empfanden Sie die Bayreuther Inszenierung dann so kontroversiell, wie sie im Vorfeld diskutiert worden war?

Ich habe nicht verstanden, warum sich viele vorher darüber so echauffiert haben. Und danach habe ich es erst recht nicht verstanden. Es wird ziemlich gut und genau die Geschichte erzählt, mit Mitteln, die man gut finden kann oder auch nicht. Es ist eine Zeiterscheinung: Die Kritik möchte etwas anderes sehen als das Publikum. Ich fand es ganz gut, dass es in Bayreuth eine Premiere gab, die kein Megaskandal war. Auch für das Publikum ist es erholsam, wenn es nicht gequält wird.

Gute Überleitung zu Wien. Sie singen wieder "Lohengrin" (UPDATE: Vogt hat für die Vorstellung am 5. September absagen müssen). In dieser Rolle haben Sie 2002 debütiert. Wie verändert sich so eine Rolle im Laufe der Jahre?

Interessant ist: Einige Elemente sind von Anfang bis jetzt erhalten geblieben. Und andere haben sich immer wieder verändert. Diese Wagnerstücke bieten immer wieder Möglichkeiten, neue Seiten und Nuancen zu entdecken. Das ist alles in dieser Musik drin.

Wird es leichter, eine Partie zu singen, die man so gut kennt?

Ja, mit der Zeit schon. Aber das hängt nicht so sehr mit der Dauer zusammen als mit der stimmlichen Entwicklung. Ich bin technisch einfach weiter als vor 14 Jahren.

Verlockt das zu neuen Rollen?

Ja. Jetzt gehe ich den Tannhäuser an, für München. Der wurde mir vor Jahren schon angeboten. Bis jetzt habe ich immer Nein gesagt, und jetzt habe ich selber gemerkt, dass ich das stimmlich angehen kann.

Nein sagen ist ein Luxus, den sich nicht alle leisten können oder wollen. Ist das Business schwieriger geworden?

Ich kann nur von mir ausgehen: Diese Verlockungen und Angebote waren da, auch für Siegfried und Tristan. Ich habe vielleicht ein bisschen Glück gehabt, dass ich da Leute an meiner Seite gehabt habe, die meinten: Sei vorsichtig, warte. Selber gerät man unter Druck: Wenn ich jetzt Nein sage, fragt vielleicht nie wieder jemand. Solche Gedanken kommen, ganz klar. Beim Tannhäuser war es schon mal nicht so (lacht).

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