Schalko: "Wer will schon DJ Ötzi sein?"

Schalko: "Wer will schon DJ Ötzi sein?"
David Schalko, neuer Wunderwuzzi der Filmbranche, hat mit der Komödie "Wie man leben soll" ein Buch von Thomas Glavinic verfilmt.

Schon jetzt liest sich die Biografie dieses Mannes wie die Compilation von vier Männern: 1.) Lyrikverfasser und Buchautor. 2. ) TV-Entwickler (von Formaten wie "Sendung ohne Namen" oder "Willkommen Österreich"). 3.) Filmproduzent. 4.) TV-Regisseur (zuletzt von "Der Aufschneider").

Jetzt debütiert der 38-Jährige auch noch als Kinofilmregisseur mit "Wie man leben soll" nach dem gleichnamigen Buch von Thomas Glavinic (ab Freitag im Kino). Und man kann nicht gerade behaupten, dass dieser erste Kinofilm unaufwendig gewesen wäre. Vier Jahre hat er daran gearbeitet. 90 Rollen für 90 Schauspieler mit Thomas Maurer geschrieben. 120 Sets bauen lassen. Stars wie Robert Stadlober, Detlev Buck, Marion Mitterhammer, Robert Palfrader, Josef Hader engagiert. Kein Wunder, dass am Ende das Gartenbaukino für die Premiere zu klein war: "Alleine die Teammitglieder hätten das Kino gefüllt."

Im Interview erzählt Schalko, dass er die Kinokomödie neu erfinden wollte. Das Ergebnis überrascht, vor allem im Vergleich zu seinen anderen satirischen Arbeiten: Der recht oberflächlich geratene Film baut diesmal auf Stammtisch-Humor.

Schalko: "Wer will schon DJ Ötzi sein?"

KURIER: Können Sie über Ihren Film noch lachen?
David Schalko: Lachen? ... Ich lache, wenn er endlich fertig ist. Wenn man einen Film mehr als 50-mal sieht, wird man schon betriebsblind. Aber ja, wenn Thomas Müller (der Kriminalpsychologe, Anm.) auftritt und sagt: 'Es war ein regnerischer Tag im April...', da muss ich immer noch lachen, weil ich immer noch nicht glauben kann, dass er in meinem Film mitspielt. Ursprünglich hätte es Eduard Zimmermann sein sollen, aber der ist leider inzwischen gestorben. So lange haben wir am Drehbuch geschrieben (lacht) .

Sind Sie gekränkt, wenn man sagt, dass sich der Film, so anfühlt, als würde man sich durchzappen?
Nein. Ich würde es allerdings eher einen Trip nennen. Ein Trip durch 20 Jahre Leben im Schnell-Lauf.

Und wie würden Sie den Humor darin beschreiben? Für Fans von Stermann/Grissemann, Thomas Maurer oder eher tiefergelegt?
Ich empfinde den Film nicht als Kabarettfilm, es spielen ja kaum Kabarettisten mit. Er ist keine Wuchtelparade, sondern eine Literaturverfilmung. Und ich glaube, dass der Film die Humorfarbe des Buches hat. Aber wenn man einen Film macht oder schreibt, denkt man nicht darüber nach, für wen.

Sie betonen immer, dass Sie ein unverfilmbares Buch verfilmt haben?
Ja, in Glavinic' Buch gibt es keine einzige konkrete Szene, es ist assoziativ geschrieben mit Ratgeber-Sätzen und einem passiven Helden, der praktisch nichts macht. Wir wollten daraus nicht nur eine Komödie machen, sondern auch ein Märchen über die 90er-Jahre, über ein Langzeit-Studentenleben, das es in dieser Form nicht mehr gibt.

Sehr positiv sind die Studenten nicht gezeichnet. Man könnte auch sagen: Der Film zementiert Klischees über Studenten als dümmliche Nichtstuer.
Also, ich finde, der Film geht liebevoll damit um. Das, was die Studenten im Film erleben, ist ja beneidenswert.

Die Hauptfigur ist dick, dumm und ein Loser. Das finden Sie liebevoll?

Zugegeben. Es ist schwierig, sich mit jemanden zu identifizieren, der dick und passiv ist. Aber ich finde: Er ist kein Ungustl, sondern ein normaler Mensch. Ich glaube, dass es vielen Leuten so geht wie ihm. Auch ich habe nicht genau gewusst, wo es mit mir hingehen soll.

Sie sind ein erfolgreicher Filmregisseur geworden. Er hingegen bleibt dumm und ...
... wird zu einer Rock'n'Roll-Horror-Vision, ja, einer Art DJ Ötzi. Und wer will schon DJ Ötzi sein? (lacht) Aber in erster Linie geht es darum, wie er dahinschludert und was das mit Menschen macht. Außerdem hat mich sein Nettsein als Gesellschaftsphänomen interessiert. Viele Leute, glaube ich, leiden darunter, dass sie allzu nett sind. Und ich fand es spannend, so jemanden in den Mittelpunkt zu rücken - gegen die Gesetzmäßigkeiten des Films. Es war also schon ein bisserl ein Experiment.

Mit dem Sie unterhalten wollen oder auch Erkenntnisse vermitteln?
Es ist ein Unterhaltungsfilm, der unterhalten soll und dessen viele Ratschläge man nicht befolgen soll. Ich würde es einen Anti-Ratschlags-Film nennen. Aber ja, ich glaube schon, dass der Film Erkenntnis vermitteln könnte: Es sind ja viele Anleitungen drin.

Meinen Sie das ernst?

Was ich meine, ist: Der Film versucht Lebenszusammenhänge herzustellen und geht das Experiment ein, eine Lebensgeschichte so darzustellen, wie Lebensgeschichten meiner Meinung nach funktionieren. Und das tun sie nicht wie ein Roman mit Anfang, Mitte und Ende, wo alles eingelöst ist. Es ist viel assoziativer, es beginnt irgendwo, Handlungsfäden reißen ab, kehren wieder, tun was mit einem oder tun nichts mit einem. Das Leben folgt keinem klassischen Bogen und Höhepunkt.

Sie machen sich auch über Bildungsbürgertum lustig. Mit Texteinschüben, die etwa vor Kant warnen.
Das sind Dinge, die man selber erlebt hat. Ich kann mich daran erinnern, als ich 18 Jahre alt war und zum ersten Mal versucht habe, Kant zu lesen. So am Nachmittag, so auf die Schnelle. Und dann habe ich eine halbe Seite gelesen und kein Wort verstanden. Mein Kopf ist explodiert. Ich weiß außerdem nicht, ob der Protagonist in einem Film intelligent sein muss. Ich finde, der Film muss intelligent sein.

Und welchen intelligenten Film planen Sie als Nächstes? Glavinic' "Das Leben der Wünsche"?
Ja, das möchte ich gerne machen. Aber vorher arbeite ich noch mit Daniel Kehlmann an einem Drehbuch zur Verfilmung seines Mathematiker-Theaterstücks "Geister in Princeton".

Und welche Explosionen finden da im Kopf statt?
Die Welt von Gödel ist eine einzige Explosion! Und wenn der wichtigste Logiker an Geister glaubt, dann öffnet das Türen, in die es sich hineinzugehen lohnt.

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