Salzburger Festspiele: Die Bilanz

Als Schauspieler wurde Bechtolf gefeiert
Zwei Jahre lang war Sven-Eric Bechtolf künstlerisch verantwortlich – es blieb ein Interregnum.

Noch zehn Tage, dann sind die Salzburger Festspiele 2016 vorbei – und damit auch die Zeit der künstlerischen Direktion von Sven-Eric Bechtolf. Der Schauspieler und Regisseur hat in diesem zweijährigen Interregnum etwas Wesentliches geleistet: Er hat die Vorfreude auf die kommende Intendanz, auf eine Neuausrichtung unter dem künftigen Intendanten Markus Hinterhäuser, ins Unermessliche gesteigert.

Der Fairness halber muss man zugeben: Bechtolf hatte nach dem vorzeitigen Rückzug von Alexander Pereira, der die Festspiele von 2012 bis 2014 leitete, zu wenig Vorbereitungszeit und dadurch kaum eine realistische Chance, möglicherweise vorhandene visionäre Ideen noch zu verwirklichen. Dennoch scheint sich eine Art Handschrift erkennen zu lassen, die künstlerische Grafologen als nicht gerade revolutionär empfinden.

Antiquitätenladen

Die zwei Saisonen unter Bechtolf waren ein Spiegelbild unserer Gesellschaft und unserer Zeit. In ihrem Bemühen, das Bestehende zu erhalten, alte Werte wieder zu betonen, kein großes Risiko einzugehen und das Neue vorerst einmal skeptisch zu betrachten. Salzburg steht im Moment, nach den gigantomanischen Jahren unter Alexander Pereira, für den neuen Konservativismus. Lasst uns glücklich sein mit dem, was wir haben, setzen wir nicht alles leichtfertig aufs Spiel. Richten wir uns schön ein, etwa beim Antiquitätenhändler, bewahren wir unsere Traditionen, schürfen wir nicht zu tief, damit sich keine Abgründe auftun. Kunst kann einfach schön sein – schön einfach. Unpolitisch. Und wer dagegen verstößt, bekommt einen öffentlichen Verweis.

Stil und Eleganz – selbstverständlich wichtig. Dennoch sollte es die Kernaufgabe eines solchen Festivals sein, auf höchstem Niveau Neues zu ermöglichen, einzigartige Konstellationen zu schaffen und sich massiv vom gängigen Repertoirebetrieb abzuheben. Das war nicht der Fall.

Ausreißer

Zugute halten muss man der künstlerischen Leitung, dass immerhin mit aktuellen Werken große Erfolge erzielt wurden: Mit den Opern "Die Eroberung von Mexiko" von Wolfgang Rihm 2015 und mit der Uraufführung von "The Exterminating Angel" von Thomas Adès 2016. Das blieben jedoch (nicht sonderlich innovative) Ausreißer.

Das größte Problem war der Mozart/Da Ponte-Zyklus, der schon unter einem schlechten Stern stand, als sich Dirigent Franz Welser-Möst zurückzog. Das darauf folgende Ergebnis war eine zwar professionelle Regie von Bechtolf (die für ein Repertoirehaus durchaus tauglich wäre), musikalisch gab es jedoch große Problemzonen. Die Dirigenten (mit Ausnahme von Alain Altinoglu) waren zu uninteressant, im Sängerbereich bildete sich nicht einmal im Ansatz ein neues Mozart-Ensemble. Großteils die Schuld von Pereira, der das meiste noch geplant hatte.

Tiefpunkte

Einen Schwachpunkt bildete die Neufassung der "Dreigroschenoper" 2015, bei der zentrale Themen unserer Zeit völlig ausgeklammert wurden: Brecht/Weill niedergekuschelt zur Softversion, auch hier keine politische Auseinandersetzung. Die szenische Präsentation der "Liebe der Danae" von Richard Strauss durch Alvis Hermanis war ebenso Verharmlosung und Behübschung. Da wäre eine konzertante Aufführung mit Fokus ausschließlich auf die Musik noch sinnvoller gewesen als diese Verweigerung. Stattdessen gab es eine Verismo-Oper wie "Manon Lescaut" kontraproduktiverweise nur konzertant.

In Letzterer sang Anna Netrebko, Plácido Domingo konnte man in "Thaïs" hören, Stars waren also zu Gast. Neuentdeckungen sind nicht in Erinnerung.

Im Schauspielbereich kam es zur Rückkehr vieler Altmeister. Bechtolf selbst feierte in Bernhards "Der Ignorant und der Wahnsinnige" seinen größten Erfolg.

Bei den Konzerten gab es enorme Vielfalt, hohe Qualität – aber auch da zu wenig Originäres. Symptomatisch ist das Cleveland Orchestra mit Welser-Möst: Unmittelbar nach den zwei Konzerten in Salzburg gibt es Auftritte in Grafenegg (heute den letzten), mit großteils identischem Programm. Die Unverwechselbarkeit von Salzburg ist nicht mehr gegeben.

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