Rufus Wainwright: "Shakespeare hat mich aufgeklärt"

Am 22. Juli wird Rufus Wainwright 43 Jahre alt
Vor dem Wien-Konzert spricht der Singer/Songwriter über reizvolle Sonette, Sisi und Opern.

Am 26. Juli kommt der kanadische Singer/Songwriter Rufus Wainwright, der anspruchsvollen Pop, Opern und alles dazwischen schreibt, mit einer Solo-Show ins Wiener WUK. Im Interview mit dem KURIER erzählt der 42-Jährige, wie ihm Shakespeare in der Pubertät geholfen hat, und warum er Wien so liebt.

KURIER: Sie kommen solo nach Wien. Werden Sie dabei Lieder aus allen Bereichen Ihres Schaffens im Programm haben?

Rufus Wainwright: Ja, ich fege da wie ein Tornado über diverse Genres hinweg – hahaha. Aber ernsthaft: Ich war immer schon der Meinung, dass die große Kunst beim Songschreiben ist, dass Lieder auch in einer reduzierten Interpretation nur mir Stimme und Piano großartig klingen. Aus diesem Grund inspiriert mich euer Franz Schubert so sehr. Er hat das in seinen Liedern sehr deutlich gemacht. Also werde ich in Wien sowohl Pop-Songs als auch Stücke von meinem jüngsten Album "Take All My Loves" spielen, für das ich Shakespeare-Sonette sowohl klassisch als auch poppig vertont habe.

Es heißt, dass Sie sich schon als Kind für Shakespeare-Sonette interessiert haben ...

Na ja, so ganz stimmt das nicht. Ich habe jedenfalls als Kind nicht viele gelesen. Aber als ich in die Pubertät kam – da war ich ungefähr 13 Jahre alt – hat meine Mutter erstmals eigenartige Flecken auf meiner Bettwäsche entdeckt. Sie war zwar keine praktizierende Katholikin, ist aber katholisch erzogen worden und sprach deshalb nicht gerne über Sex. Also sagte sie: "Schau, für das, was du da machst, hat Shakespeare ein Sonett geschrieben". Und sie gab mir "Th’ Expense of Spirit in a Waste of Shame" zu lesen. Man kann also sagen, Shakespeare hat mich aufgeklärt.

Wann und warum sind Sie als Künstler auf seine Sonette zurückgekommen?

Zuerst, als ich Mitte 20 war. Da habe ich die Musik zu Sonett 29 geschrieben. Dann wieder Anfang 30, als ich mit Robert Wilson in Berlin die Musik zu einer Bühnen-Produktion von Shakespeares Sonette schrieb. Und es ist hochinteressant, wie sie ihre Bedeutung im Laufe der Jahre verändern. "A Woman’s Face" zum Beispiel: Obwohl das mit sexuellen Gefühlen aufgeladen ist, hatte ich zuerst nicht das Gefühl, dass der Protagonist nach dem jungen Mann giert. Später empfand ich es aber fast als brutal – so, als würde er den Buben vergewaltigen. Außerdem werde ich bald 43 und ich kenne beide Seiten: Ich war das Objekt der Begierde und bin jetzt fasziniert von der Jugend, von der Lebensenergie, die junge Leute ausstrahlen, von der Schönheit, die das mit sich bringt.

Vermissen Sie die Jugend?

Wer tut das nicht? Andererseits muss ich sagen, dass die 40er-Jahre für mich die besten sind. Denn ich habe meine Karriere endlich unter Kontrolle, kann künstlerisch machen, was ich will, und liebe, was ich tue. Und ich habe einen fantastischen Mann und eine großartige Tochter. Nein, ich würde nicht mehr 20 sein wollen.

War die Klassik Ihre erste musikalische Liebe?

Meine Mutter war eine fantastische Pianistin und spielte jeden Morgen die "Goldberg-Variationen" von Bach. Damit hat sie mich aufgeweckt, was witzig ist, weil die geschrieben wurden, um Goldberg in den Schlaf zu wiegen. Mum hatte einen starken Bezug zu Klassik und so war das in meiner Kindheit immer präsent. Natürlich nicht so sehr wie Folk und Pop. Aber als ich 14 war, wurde ich zu einem Verdi-Fanatiker und Opern-Fan. Und wenn man Opern liebt, liebt man auch Wien.

Wann waren Sie das erste Mal hier in der Oper?

Da muss ich rund 23 gewesen sein. Ich war mit meinem ersten Album unterwegs und unheimlich aufgeregt. Und ich war total besoffen, als ich auf die Bühne ging.

Weil Sie so aufgeregt waren?

Nein, nein, das war die Zeit, wo ich häufig besoffen war – in meiner berüchtigten, benebelten Vergangenheit, in der ich alles getan habe , um Aufmerksamkeit zu bekommen. Na ja, jedenfalls bin ich ein Wien-Fan geworden und habe auch tolle Erinnerungen an Schönbrunn. Ich bin dort später einmal im Vorprogramm von Sting aufgetreten und hatte dabei eine exklusive Privat-Tour durch das Schloss, konnte in Räume gehen, die sonst kein Tourist je zu sehen bekommt. Mozart hat in dem Palast sein erstes Konzert gespielt, Napoleons Sohn ist dort gestorben – es war faszinierend. Deshalb habe ich auf meinem letzten Pop-Album Sisi in den Song "Perfect Man" eingebaut.

INFO: Rufus Wainwright tritt am 26. Juli im Wiener WUK auf. Karten für das Solo-Konzert des Kanadiers gibt es unter 01/96 0 96 oder www.oeticket.com

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