Theater an der Wien: Neue Saison als Abschlussreise durch die Operngeschichte

PK - THEATER AN DER WIEN SAISONPROGRAMM 2019/20: GEYER
Roland Geyer verabschiedet sich unter dem Motto "summa summarum" als Intendant.

Auf den ersten Blick wird die letzte Spielzeit von Roland Geyer an der Spitze des Theaters an der Wien ab Herbst nur eine Rumpfgeschichte - aber nur in puncto Dauer, nicht im Umfang. Weil dem Haupthaus am Naschmarkt dann eine Renovierung bevorsteht, endet hier das Wirken des Intendanten bereits mit Ende Februar. "Aber in den sechs Monaten zwischen August und Februar steckt praktisch eine ganze Saison", so Geyer im APA-Gespräch. Und dann gibt es ja auch noch die Kammeroper.

Inklusive der fünf in dieser Dependance sind zwölf szenische Premieren im Theater an der Wien 2021/22 vorgesehen. Das Ganze steht unter dem Motto "summa summarum" - also einer Bilanz der Ära Geyer wie auch einer der Operngeschichte. Seine letzten vier Spielzeiten am Haus hatte der umtriebige Opernmanager ja thematisch unter den Bogen eines Tageslaufs gestellt, und so bildet nun das Motto "Schwarze Nachthelle" folgerichtig den Abschluss. Entsprechend stellt das dramatische Sujet auch das Rote Band für die Auswahl der Stücke dar, die sich vom frühesten Werk der Operngeschichte, Emilio de'Cavalieris "Rappresentatione di Anima et di Corpo" aus 1600 in der Regie von Robert Carsen, bis zu "Thérèse Raquin" von Tobias Picker aus 2006 erstreckt.

Es gibt Rückkehrer ans Haus wie die designierte Volksopern-Chefin Lotte de Beer als Regisseurin für Janaceks "Jenufa", Keith Warner, der Händels "Giulio Cesare" mit Bejun Mehta in der Titelpartie gestaltet ("Man weiß, dass es da echt zur Sache gehen wird") oder Christof Loy, dessen gefeierter "Peter Grimes" wiederaufgenommen wird. Auch Martin Kušej wird mit der "Tosca" nochmals eine Regiearbeit in der Ära Geyer vorlegen. Und zugleich sind einige prominente Neuzugänge zu verzeichnen, so Ingo Metzmacher als Dirigent der "Tosca" oder Nina Stemme mit ihrem persönlichen Rollendebüt als Küsterin in der "Jenůfa". Und zum 175-Jahr-Jubiläum von Albert Lortzings am Haus uraufgeführter Komischer Oper "Der Waffenschmied" gibt es eine konzertante Festveranstaltung mit Nikolaus Habjan als Erzähler und Starbass Günther Groissböck in der Titelpartie.

Insofern gibt es also viel zu feiern vor der Staffelübergabe an den designierten Intendanten Stefan Herheim, weshalb Roland Geyer die Nachthelle auch nicht als melancholisches Motto begreift: "Die Nacht ist nicht nur das Ende, das Dunkle. Sie impliziert auch, dass es am nächsten Tag wieder die Sonne gibt." Das gelte ebenso für ihn persönlich angesichts des heranrückenden Abschieds: "Ich habe keine Wehmut."

Natürlich sähe er immer noch thematische Lücken zwischen den rund 200 Werken, die in seiner Intendanz inszeniert worden sind und die er theoretisch füllen könnte. "Ich habe gelernt, dass das meine große Kunst ist. Wie man über Johann Strauß gesagt hat, dass er die Noten aus dem Ärmel geschüttelt hat, schüttel ich Programmideen aus dem Ärmel. Ich bin eben das, was man einen Programmmacher nennt: Einerseits mit umfassendem, großem Wissen und zugleich jemand, der immer gerne sucht und Neues findet." Insofern hätte er immer noch weitere Ideen gehabt, zugleich sähe er ein: "Im Großen und Ganzen ist es abgerundet."

Jetzt kommt also die letzte Runde im TaW, die szenisch mit einem "Enoch Arden" von Ottmar Gerster in der Kammeroper endet. Das Stück handelt von einem auf einer Insel Gestrandeten und wurde nach einer Konzeption von Geyer als Neufassung für Kammerorchester umgearbeitet und auf den ursprünglichen 3. Akt fokussiert, der die Hoffnung, den Albtraum und den Wahnsinn des Isolierten beschreibt. Selbst Regie habe er nach seinen drei Stücken am Haus während seiner Direktion aber nicht mehr übernehmen wollen, sondern dafür David Haneke gewonnen, der auch die filmische Umsetzung gestaltet, so Geyer.

"Außerdem bereitet es mir große Freude, wenn ich einer aufstrebenden Regisseurin wie Barbora Horáková die Möglichkeit geben kann, ein Werk wie Catalanis 'La Wally' zu inszenieren, in dem es um eine junge, unbeugsame Frau geht, die vor ihrem brutalen Vater und dem ihr zugedachten Ehemann in die schroffe Natur flieht, um sich damit dem Zu- und Übergriff der Männerwelt zu entziehen. Das junge Leading Team wird vom Chefdirigenten der Wiener Symphoniker, Andrés Orozco-Estrada, komplettiert, der erstmals eine Oper am Theater an der Wien musikalisch leiten wird."

Und wenn dann am 28. Februar die letzte "Jenufa"-Vorstellung verklungen ist, kommt die umfassende Sanierung und Schließung des Traditionshauses am Naschmarkt, die vielfach Bereiche hinter den Kulissen betreffen wird. "Die letzte große Sanierung fand 1960 statt, und ich freue mich schon jetzt auf die Wiederöffnung im hoffentlich strahlenden Glanz", so Geyer.

 

 

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