Restitution: Brisanter Kauf eines Bildes

Restitution: Brisanter Kauf eines Bildes
Ein Bild von Hans Makart, 1951 vom Belvedere gekauft, könnte zu einem spektakulären Rückgabe-Fall werden.

Im Sommer des Vorjahres feierte das Belvedere Hans Makart als den "Maler der Sinne": Der populärste Künstler der Ringstraßenzeit wurde einer neuen Generation in einer glamourösen Ausstellung schmackhaft gemacht. Mittendrin das Bild "Der Einzug Karls V. in Antwerpen", eine knapp zweieinhalb Meter breite, luftig gemalte Ölskizze aus dem Jahr 1875, die einem mehr als dreimal so großen Bild, das heute in der Hamburger Kunsthalle hängt, als Vorlage diente.

Zersplittert

Bei der Ausstellung erfuhr man nichts über die bewegte Geschichte des Werks: Sie führt direkt ins Herz des alten Wiener Großbürgertums, erzählt von der tragischen Zersplitterung einer Familie, von fehlendem Unrechtsbewusstsein und Opportunismus in der Nazi- und Nachkriegszeit. Die Erben der einstigen Besitzerin Valerie Karplus wollen nun das Bild zurück. Die Provenienzforscher des Bundes sind derzeit dabei, die Geschichte bis ins Detail auszuleuchten.

Valerie Karplus, 1874 als Valerie Lieben geboren, gehörte einer prominenten jüdischen Familie an – der Chemiker Adolf Lieben war ein Onkel, der Philosoph Franz Brentano war der Mann ihrer früh verstorbenen Tante Ida. Valeries Mutter Anna war eine Patientin Sigmund Freuds.

Karplus wohnte im Palais Lieben-Auspitz neben dem Burgtheater, jenem Haus, in dessen Erdgeschoß sich das Café Landtmann befindet. Dort hing auch das Makart-Gemälde, das Baron Eduard Todesco, Valeries Großvater mütterlicherseits, 1885 aus der Makart-Nachlassversteigerung erworben hatte.

Valerie Karplus – sie war 1919 aus dem Judentum ausgetreten – hatte das Bild von ihrem Vater geerbt. Im Dezember 1938 erlitt sie bei einem Sturz einen Schenkelhalsbruch, in der Folge kam es zu einer Lungenembolie. Am 11. Jänner 1938 verstarb Karplus. Sie hinterließ vier Söhne, einer von ihnen entschlug sich des Erbes. Alle Söhne konnten emigrieren – einer, Heinrich, war schon 1936 nach Palästina übersiedelt, die anderen Söhne gingen in die USA.

Der Nazi-Anwalt

Um die Hinterlassenschaft kümmerte sich zunächst der Anwalt Robert Karplus, ein Neffe Valeries. Doch als Jude war er ab September 1938 mit Berufsverbot belegt. An seiner Stelle wurde der Anwalt Johann Kaupa eingesetzt: Als er im Mai 1938 um Mitgliedschaft in der NSDAP ansuchte, ließ er festhalten, dass er "schon in illegaler Zeit" die HJ- und SS-Mitgliedschaft seines Sohnes unterstützt und ihm sein Gartenhaus "zur Abhaltung von Heimabenden und Appellen zur Verfügung gestellt" hatte.

Kaupa war es schließlich, der das Makart-Bild im Februar 1951 – kurz nach Ablauf seines im Zug der Entnazifizierung verhängten Berufsverbots – um damals 6250 Schilling an die Österreichische Galerie im Belvedere verkaufte. "Ich bestätige, dass dieses Gemälde nicht während des Zweiten Weltkrieges arisiert worden ist und dass ich ordnungsgemäß zum Verkauf des Bildes befugt bin", schrieb er in der Übergabebescheinigung, ohne aber die Behauptung genauer zu belegen.

"Die Verantwortlichen der Republik verabsäumten, die Berechtigung des Dr. Kaupa zu prüfen", erklärt der auf Kunst-Fälle spezialisierte Anwalt Andreas Cwitkovits, der die Erben heute vertritt. Die drei Söhne hätten den Anwalt keinesfalls zu einem Verkauf ermächtigt.

Heinrich Karplus, der nach Palästina emigrierte Sohn, erfuhr jedenfalls erst 1978 über Verwandte, die Wien besuchten, vom Bild im Belvedere. Lange hatte die Familie geglaubt, dass das Werk bei einem Transport in die USA verloren gegangen sei, erklärte Karplus daraufhin in einem Schreiben an Hans Aurenhammer, den damaligen Direktor der Österreichischen Galerie. Man hatte aber auch gehört, dass es im Krieg in Kaupas Kanzlei gehangen war.

Der Direktor verwies in seiner Antwort freundlich auf Kaupas Erklärung, dass das Bild "nicht arisiert" worden sei. Und fügte stolz hinzu: "Wir haben es selbst schon einige Male hergerichtet und große Freude an dem Gemälde."

Dass das Bild unrechtmäßig im Museum hängen könnte, kam Aurenhammer offenbar nicht in den Sinn. Da 1978 die Fristen für nach dem Krieg erlassene Rückgabegesetze bereits abgelaufen waren, unternahm Karplus nichts mehr. Es liegt nun an den Forschern und dem Rückgabebeirat, darzulegen und zu entscheiden, ob das Bild zurückgegeben werden muss.

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