Porträt: Mitarbeiter der Nationalbibliothek

Porträt: Mitarbeiter der Nationalbibliothek
Leserkreis: In der Nationalbibliothek stöbern nicht nur Forscher und Studenten. Die Bibliothekare sind selbst ihre besten Kunden.

Die Bücherwelt für alle endet in der Lese­lounge, wo Studenten ihre Literaturexzerpte auf dem Notebook noch einmal durchgehen – einige höhere Semester schreiben ihre Notizen sogar noch einmal schön mit der Hand ab. Wir wenden uns von diesem selten gewordenen Anblick ab, ein Mitarbeiter der Nationalbibliothek öffnet eine Glastür. Dahinter führen eine Wendeltreppe und ein Gang in den Tiefspeicher, die eigentliche Wissenszentrale Österreichs.

Kommenden Mittwoch gibt es bei "Österreich liest" wieder die Gelegenheit, sich bei einer Führung genau erklären zu lassen, welche historischen Bestände wo lagern und wie man sich in dem Irrgarten unter dem Burggarten zurechtfindet.

Gedruckte, gebundene Bücher sind nicht nur zum Angreifen da, sondern auch zum Riechen. Der olfaktorische Genussfaktor einer Tiefspeicherführung sollte nicht unterschätzt werden. Archivarin Romana Maduka ist nostalgisch, wenn sie sagt: "Den Duft sollte es als Raumspray geben. Ich würde ihn daheim versprühen."

INFO: "Österreich liest", 17. Oktober, Treffpunkt Nationalbibliothek, 9.30 bis 19 Uhr. Für den Kurrent-Workshop sind noch Plätze frei, die Teilnahme ist gratis. Informationen und Anmeldung unter  01/53410–464 und www.onb.ac.at

Luther-Bibel

Die handkolorierten Initialen der Luther-Bibel aus dem Jahr 1545 leuchten, als käme die Erstausgabe gerade aus der Druckerei zu Wittenberg. "Ein Buch ist ein äußerst haltbares Medium", sagt Monika Kiegler-Griensteidl, spezialisiert auf Handschriften und alte Drucke. Das jahrhundertealte Pergament zeigt keine Flecken und lässt sich problemlos umblättern.

Beim Berühren des Ziegenledereinbandes – der Erstbesitzer Prinz Eugen ließ religiöse Werke in Blau binden – überkommt die Bibliothekarin keine Ehrfurcht, vielmehr Respekt vor der überragenden handwerklichen Qualität des Folianten, der noch zu Lebzeiten Luthers erschien. Der Wert? 115.000 Euro, mindestens.

Original-Titel: "Luther, Martin: Biblia: das ist: Die gantze Heilige Schrifft: Deudsch Auffs new zugericht. D. Mart.Luth. Gedruckt zu Wittemberg Durch Hans Lufft. MDXLV. 2 Bände."

Orientierungslauf

Porträt: Mitarbeiter der Nationalbibliothek

Der Tiefspeicher der Nationalbibliothek ist ihr Revier. Auch wenn Romana Maduka manchmal entrisch wird, wenn sie ihr Wagerl durch die Kilometer langen Regal­zeilen mit einem geschätzten Bestand von 3,6 Millionen Büchern schiebt – die alten Bücher-Butten haben ausgedient. Madukas Job: Die bestellten Bücher in die Schütten schlichten, die der elektronische Lift nach oben befördert. Es sei alles sehr übersichtlich. Wir glauben ihr nicht ganz und wollen wissen, wie die Unmengen an Büchern aufgestellt sind. Maduka: "Es fängt da vorne an, geht so hinauf, da dreht es wieder um, und abschnittsweise so weiter, nach einer Weile hat man den Dreh raus."

Zerfleddert komme kaum was zurück, "die Leute gehen sorgsam mit den Büchern um. Wir haben eine spezielle Aura."

Routinier

Porträt: Mitarbeiter der Nationalbibliothek

Der Wiener hat Lust auf Literatur, nimmt man die Bestände in der Bücherausgabe der Nationalbibliothek als Maßstab. Zwischen 1000 und 1500 Bücher kommen hier jeden Tag zusammen, schätzt Walter Aberham, seit 23 Jahren im Haus. "Wenn vorne Rushhour ist und wenig Personal, dann geht’s schon dahin." Das bedeutet: Drängende Kundenanfragen bearbeiten, wie: "Ich hab’ das Buch schon zwei Mal bestellt, wo ist es?", doch das Urgestein der Nationalbibliothek, Aberham, bleibt cool: "Wir finden ihr Buch."

Das bedeutet für den bibliophilen Archivar aber auch: "Man hat keine Möglichkeit sich daneben was anzuschauen." Was ihm in der Seele wehtut, denn "jeder baut eine Beziehung zu einem Buch auf."

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