Osterfestspiele: Neustart ist dringend nötig

Osterfestspiele: Neustart ist dringend nötig
Warum es gut ist, dass sich die Berliner Philharmoniker von den Salzburger Osterfestspielen verabschieden.

Das erste Orchesterkonzert der Berliner Philharmoniker bei den Osterfestspielen 2012 unter ihrem Chefdirigenten Sir Simon Rattle zeigte ganz deutlich, was bei diesem Festival falsch läuft.

Das Programm wirkte rein willkürlich zusammengestellt, ohne innere Logik: Schumanns "Nachtlied für Chor und Orchester" und dessen "Konzert für Klavier und Orchester a-Moll, op. 54" stammen wenigstens vom selben Komponisten. Berios "O King" und Faurés "Requiem" nach der Pause, nahtlos aneinandergereiht, ergaben aber nur noch eine bizarre Mischung. Bestenfalls mit dem Wunsch von Rattle, neue Wege zu beschreiten, erklärbar.

Die Solisten waren – mit Ausnahme des fabelhaften Baritons Christian Gerhaher – nicht so ausgewählt, dass sie die Besetzung bei einem Luxusfestival rechtfertigen. Murray Perahia spielte das Schumann-Klavierkonzert nur solide, Kate Royal war beim Berio-Werk für Martin Luther King kaum hörbar. Marketing-Bemühungen von Plattenfirmen sind offenbar doch nicht genug, um Stars zu kreieren.

Rattle selbst gestaltete mit den exzellenten Musikern und dem topgeprobten Rundfunkchor Berlin die Werke zart, fast zerbrechlich, im noblen Piano. Gut gespielt also. Und trotzdem falsch. Denn die eigentlichen Qualitäten dieses Orchesters kommen bei diesem Repertoire kaum zur Geltung.

Falsches Fach

Rattle hat die Berliner Philharmoniker in eine völlig andere Richtung geführt als seine Vorgänger Karajan und Abbado. Er war einst Spezialist für Mozart und für Alte Musik, ist es heute im Bereich der englischen und französischen Musik und in der Moderne – das deutsche Fach hat er sträflich vernachlässigt.

Deshalb ist es künstlerisch nur gut, dass die Berliner Philharmoniker nach 45 Jahren aus Salzburg abwandern undfortan zu Ostern in Baden-Baden spielen. Im ersten Jahr wird dort "Die Zauberflöte" zu hören sein – auch nicht gerade das Kernrepertoire der Berliner.

Aus wirtschaftlichen, auch aus strafrechtlichen Gründen ist es sowieso gut, dass das 1967 von Karajan gegründete Festival einen Neustart versucht. Das Skandal-Image, für das die aktuelle Führung und auch die Musiker explizit nicht verantwortlich sind, i st vermutlich nur so zu korrigieren.

Alter Mythos neu

Dass Christian Thielemann und die Sächsische Staatskapelle Dresden ab 2013 die Salzburger Osterfestspiele bestreiten, ist wohl die beste Wahl. Thielemann ist der einzige Dirigent, der den Mythos, den das Festival unter Karajan umwehte, wieder aufleben lassen kann. Die Dresdner sind – im Gegensatz zu den Berlinern – auch ein Opernorchester. Und das Programm – mit "Parsifal" im Zentrum – steht gleich im ersten Jahr für die Rückbesinnung zu alten Salzburger Werten.

Strukturell wird sich jedoch wenig ändern. Die Fragen, was ein Luxusfestival heutzutage sein kann, welche Alleinstellungsmerkmale es braucht, an welches Publikum es sich richtet, welche künstlerischen Aufgaben es 45 Jahre nach der Gründung hätte, werden nicht beantwortet. Aber dank der herausragenden Qualitäten eines Thielemann werden diese wahren Probleme zumindest für ein paar Jahre überlagert. Ein sehr österreichischer Zugang.

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