Mischmasch, der Geschichte schrieb

Gustav Klimt malte vier Gemälde: „Thespiskarren“, „Theater in Taormina“, „Shakespeares Globetheater“ und – im Bild oben – „Der Altar des Dionysos“ (Entwurf für das Deckengemälde im Burgtheater), 1886
Um Malerfürsten und Sammlerfamilien geht’s in "Klimt und die Ringstraße" im Unteren Belvedere.

Wien ist eine kleine Stadt, die Angst hat groß zu werden", schrieb einmal der Propagandist der Moderne Hermann Bahr. Man mag ihm im Rückblick so gar nicht recht geben. Beim Flanieren durch das Untere Belvedere, arrangiert für das 150-Jahr-Jubiläum des Wiener Pracht-Boulevards, hat man eher den Eindruck: Alle waren viel zu sehr beschäftigt, am Glanz der Gründerzeit zu polieren und die Monumentalbauten zu gestalten, die das Kaiserreich als wichtige europäische Großmacht repräsentieren sollten. Da mag Angst wohl keine Kategorie gewesen sein.

"Klimt und die Ringstraße", der Titel der Ausstellung im Unteren Belvedere führt dagegen auf den ersten Blick in die Irre: Denn der Focus liegt keineswegs nur auf dem Werk des Secessionisten, sondern präsentiert neben vielen anderen auch Hans Makart und Franz Matsch prominent.

Mischmasch, der Geschichte schrieb
Belvedere
"Die Wiener Ringstraße ist auch heute noch ein Synonym für den Glanz der Gründerzeit und den Fortschrittsglauben des 19. Jahrhunderts", sagt Direktorin Agnes Husslein-Arco. "Und das architektonische Ensemble vor allem ein Stil-Mischmasch", ergänzt Kurator Alexander Klee, der für die Schau auch den Keller der Hofburg und den Dachboden des Parlamentsgebäudes durchforstet hat.

Gezeigt wird vor allem, was hinter den Fassaden an der Ringstraße geschah. Wer hat wo gewohnt und sich wie eingerichtet? Wer waren die bedeutenden Mäzene und Sammler? Denn da waren nicht nur Bilder, sondern viele verschiedene Preziosen des Kunsthandwerks, Porzellan, Silber ... Oder die Objekte der Sammlung Bloch-Bauer.

Anspruchsvoll

Besucher sollten allerdings ein großzügiges Zeit-Budget mitbringen, um sich ins Neben- und Miteinander von Malerei, Plastik und Architektur, von Porträts, Zeichnungen und Möbelstücken wie einem bis 1896 insgesamt 40-millionenfach verkauften Thonet-Bugholz-Stuhl aus dem Jahr 1843 ausreichend vertiefen zu können.

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Es gibt viele Details zu entdecken und erst kürzlich Aufgefundenes wie Klimts Entwürfe für den Theatervorhang in Karlsbad. Neben den Ausstattungsbildern für das Burgtheater und das Kunsthistorische Museum sind Entwürfe für die prunkvollen Räume des Palais Epstein und Makarts Gemälde für Nicolaus Dumbas Arbeitszimmer am Parkring ausgestellt, außerdem Teile der Ausstattung von Dumbas Musikzimmer von Gustav Klimt und der Künstler-Compagnie sowie Mobiliar aus Hans Makarts Besitz.

Erstmals außerhalb der Universität gezeigt wird jenes 4,3 auf 3 Meter große Gemälde "Theologie", das dort im Festsaal neben drei Klimt-Arbeiten hängen sollte. Aber nach dem Protest der Professoren gegen die neumodische Kunst wurde es nicht am ursprünglich vorgesehen Platz angebracht und befindet sich heute in der katholisch-theologischen Fakultät.

Historismus: Impuls über Tradition für Moderne

25Das Tintenfass des Architekten Theophil Hansen, später Vorbild für die Pallas Athene vor dem Parlament, ist ebenso zu sehen wie das Modell einer Quadriga (zweirädriger Streitwagen mit vier Pferden), das Hansen von seinen Handwerkern zum 70. Geburtstag geschenkt bekam. Oder Porträts der Frauen der Ringstraßenzeit, etwa der Gattin des Textilfabrikanten Leitenberger: Sie führte einen Salon, in dem Burgschauspieler ebenso ein und aus gingen wie Kronprinz Rudolf .

Ein Förderer als Auftraggeber junger Künstler wie Klimt oder Makart war Nicolaus Dumba: Sein Speisezimmer mit Makarts Gemälden wird als Rauminstallation präsentiert: im dunklen historistischen Stil, voller Kuriositäten und Wunderkammerpomp.

Daneben der 20 Jahre später entstandene Entwurf für Dumbas Musikzimmer von Gustav Klimt, damals eines der populärsten Bilder des Malers: wesentlich heller, moderner und mit Mut zur Leerfläche.

"Ich hoffe, dass aus der Ausstellung erkennbar wird, dass sich von Makart über den jungen Klimt die Tradition fortsetzt und langsam wandelt", sagt Kurator Alexander Klee. Denn der lange als Kunst zweiter Klasse geschmähte Historismus, bei dem das Spiel mit Stilen und Materialien bis an die Grenzen ausgereizt wurde, habe "erst die Möglichkeit zur Moderne" gegeben. www.belvedere.at

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