Medien-Debatte im ORF: "Dinge passiert, die nicht hätten passieren dürfen"

Styria-Aufsichtsratschef entschuldigte sich in "Im Zentrum" für Causa Nowak. ORF-Radiodirektorin Thurnher will Schroms Verhalten "ganz sicher nicht rechtfertigen".

"Da sind Dinge passiert, die nicht hätten passieren dürfen", entschuldigte sich Friedrich Santner, Aufsichtsratsvorsitzender der Presse-Mutter Styria Media Group, am Sonntagabend in der ORF-2-Talkrunde "Im Zentrum" bei der Leserschaft. Anlass war das Bekanntwerden der Chat-Affäre, die am Freitag zum Rücktritt von Presse-Chefredakteur Rainer Nowak geführt hatte. "Es ist verständlich, dass eine große Verunsicherung da ist", konzedierte Santner.

Zugleich verwehrte sich der Styria-Aufsichtsratschef gegen Pauschalurteile: "Es ist notwendig, ein bisschen differenzierter hinzusehen." Rainer Nowak sei ein hervorragender Journalist, der vieles geleistet, aber im konkreten Fall Rote Linien überschritten habe. Deshalb hätte er es vorgezogen, wenn Nowak nicht von sich aus zu diesem frühen Zeitpunkt die Entscheidung zum Rücktritt getroffen hätte, betonte Santner: "Ich hätte es vorgezogen, wenn wir eine ordentliche Untersuchung hätten machen können."

Thurnher: "Ganz sicher nicht rechtfertigen"

Auch ORF-Radiodirektorin Ingrid Thurnher äußerte sich als Diskutantin zum ebenfalls in dieser Woche erfolgten Rücktritt von ORF-TV-Chefredakteur Matthias Schrom im Zuge der Chat-Affäre: "Ich werde ganz sicher nicht rechtfertigen, was da passiert ist. Dass da eine Grenzüberschreitung passiert ist, muss man ganz klar verurteilen." Auch in diesem Falle gelte es zugleich mitzubedenken, dass Schrom von der Kollegenschaft sehr geschätzt und seine Arbeit stets als untadelig bezeichnet wurde. Dennoch gelte nun: "Glaubwürdigkeit ist unser höchstes Gut. Und wenn wir um die nicht mit klaren Maßnahmen und Regeln kämpfen, dann ist uns nicht zu helfen."

Hintergrund der Debatte ist ein Bericht der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). In dem Bericht sind Chats von Rainer Nowak mit Thomas Schmid, dem damaligen Generalsekretär im Finanzministerium, über eine mögliche Position in der ORF-Chefetage enthalten. Matthias Schrom wiederum tauschte sich 2019 als ORF 2-Chefredakteur in einem Chat mit FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache zur inhaltlichen Ausrichtung der ORF-Berichterstattung und Personalwünschen der FPÖ aus.

Der Blick sollte in der TV-Debatte ("Macht und Nähe - wie abhängig sind Medien von der Politik?") aber verstärkt nach vorne gerichtet werden. Daher habe man auch davon Abstand genommen den Ex-ORF-Stiftungsratsvorsitzenden Norbert Steger und Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache einzuladen, sagte Moderatorin Claudia Reiterer. Die grüne Mediensprecherin Eva Blimlinger hatte gefragt, warum Steger und Strache nicht eingeladen gewesen seien. Diese spielten eine wesentliche Rolle in den zuletzt bekannt gewordenen FPÖ-Chats, in denen es vor allem um einen geplanten personellen Umbau im ORF ging.

Grüne für ORF-Gremienreform

Blimlinger sprach sich dafür aus, den Stiftungsrat zu entpolitisieren. "Auch wenn wir jetzt den Vorsitzenden stellen, sind wir für eine Gremienreform", sagte Blimlinger.

Stiftungsrat und Publikumsrat sollten "ganz zentral" reformiert werden. Es solle einen kleinen Aufsichtsrat geben mit fünf bis sieben Mitgliedern, dazu noch Vertreter des Betriebsrates, erklärte Blimlinger. Orientieren könne man sich an den jeweiligen Gremien in ARD und ZDF, "von mir aus auch die BBC".

Angesprochen wurde sie auch auf den Sideletter, der den Grünen am Rande der Regierungsverhandlungen u.a. den Stiftungsratsvorsitz zusicherte. Blimlinger: "Hätten wir das alles nicht gemacht, dann hätten die Qualitätszeitungen über die Grünen geschrieben: Wirklich naiv, lassen sich von der ÖVP über den Tisch ziehen, wissen nicht, wie Medienpolitik geht, schon gar nicht, wie ORF-Politik geht." 

Sie sehe nur zwei Möglichkeiten, wie man von außen gesehen werde: "Entweder, wir sind die naiven Idioten, oder wir sind die korrupten Idioten." Für die Zukunft schlägt sie vor: "Sollten wir jemals wieder in die Lage kommen, eine Regierung zu verhandeln, sollten wir es gleich ins Regierungsprogramm schreiben."

Inseratenpolitik

Eine Deckelung für Regierungsinserate hätten die Grünen "sehr gerne gehabt", es sei mit dem Regierungspartner nicht machbar gewesen, sagte Blimlinger. Sie verwies auf das Begutachtungsverfahren für das neue Medienpaket. "Wenn es viele Stellungnahmen dazu gibt, könnte man das vielleicht noch durchsetzen", sagte die Nationalratsabgeordnete.

Das Ziel sei gewesen: "Wir stärken den Journalismus". Was die Presseförderung betrifft, habe man klare Qualitätskriterien eingezogen, wie Auslandskorrespondenten, Redaktionsstatut und Bezahlung nach Kollektivvertrag.

Satiriker und Podcaster Florian Scheuba sprach von einer "massiv verdeckten Presseförderung" durch Regierungsinserate, "ohne Deckelung geht es nicht". In Österreich gebe es im Schnitt pro Kopf zehn Mal so viel Regierungsinserate wie in Deutschland. "Man informiert die Menschen über etwas, wo man glaubt, dass sie es nicht wissen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass unsere Regierung die österreichischen Bürger für zehn Mal so deppert hält wie die Deutschen." Ein "Riesenproblem" sehe er auch darin, dass die RTR-GmbH, die etwa Millionen an Förderungen für Privatsender vergibt, weiterhin eine Spielwiese für die Großparteien sei.

Blimlinger plädierte bei der RTR für eine Zweier-Geschäftsführung nach dem "Vier-Augen-Prinzip".

Doppelrolle als "No Go"

Alexandra Föderl-Schmid, stv. Chefredakteurin der Süddeutschen Zeitung und davor Jahre lang Standard-Chefredakteurin, sagte, Verhaberung und Inseratenkorruption kenne man in Deutschland nicht. Eine Doppelrolle leitender Journalisten in Chefredaktion und Geschäftsführung bezeichnete sie als "No Go". Dies war etwa beim zurückgetretenen Presse-Chefredakteur Rainer Nowak der Fall.

Andreas Koller, stv. Chefredakteur Salzburger Nachrichten und Präsident des Presseclubs Concordia, hält eine solche Mehrfachfunktion ebenfalls für schwer vereinbar. Er kritisierte, dass die Regierung nun die Journalistenausbildung über den Umbau der Wiener Zeitung "verstaatlichen" wolle. Mit den politischen Freundeskreisen im ORF müsse man "abfahren".

Santner, erklärte, dass die Doppelrolle (auch in der Kleinen Zeitung) in einer wirtschaftlich schwierigen Zeit im Journalismus entstanden sei. Man habe gesagt, "es wird Zeit, dass ein Chefredakteur endlich mitdenkt, wie wir überleben können und wie wir eine Redaktion bezahlen können."

Transparenzregister

Der Styria-Aufsichtsratsvorsitzende plädierte für "Fit und Proper-Tests" bei öffentlichen Postenbesetzungen, durchgeführt von unabhängigen Institutionen. Ebenfalls analog zum Bankenwesen schlägt er ein Interessenskonfliktregister. oder Transparenzregister, vor. Santner: "Jeder Politiker, der anruft, kommt in dieses Register. Der Journalist sagt: Ich habe mit dem gesprochen. Das wollte er von mir. Das war meine Antwort. Ganz transparent und offen."

Thurnher wies darauf hin, dass die Compliance-Regeln im ORF jetzt schon "wirklich sehr streng" sind. Zur Besetzung des Stiftungsrates wollte sie nichts Konkretes sagen, die Zusammenarbeit sei immer "konstruktiv und ernsthaft" gewesen.

Santner kritisierte, ebenso wie Blimlinger zuvor, dass der ORF-Stiftungsrat 35 Mitglieder hat. Das zeigt ja "die mangelnde Ernsthaftigkeit. Ein Gremium mit 35 Leuten kann nicht arbeiten. Das weiß jeder, der im Management zu tun hat. Da gibt's die berühmte 8-Menschen-Grenze, darüber hinaus passiert ja nichts mehr."

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