Maxim Biller: Die große Selbstbefriedigung

Maxim Biller
Komisch ist der Roman des Kritikers schon. Aber so viel Sex tut weh.

Diese Zumutung von einem Buch schaut sich im Leben zweier jüdischer Freunde um, von denen der eine, Noah Forlani, Hamburger Sohn des mafiösen Millionärs Schloimel, ein ziemlich behütetes Kind war und – gleich wird man merken, WIE ziemlich behütet – u. a. wie folgt charakterisiert wird:

Als er zum ersten Mal masturbierte, trat seine Mutter ins Zimmer und sagte: "Ach, Noah, wie schön, lass dich nicht stören."

Danach klopfte die einbeinige Putzfrau an: "Deine Mutter hat gemeint, ich soll deine Bettwäsche wechseln, wenn du fertig bist ..."

(Man kann wirklich nicht behaupten, dass diese Zumutung von einem Buch humorlos ist. Es witzt sich, würde es im Jiddischen heißen. Er witzt sich durchs Tragische.)

Der andere Freund ist "unser" Erzähler: Soli Karubiner, Schriftsteller, sein Vater ebenfalls Schriftsteller und Doppelagent und "schuld" am Zusammenbruch des Kommunismus.

Soli Karubiner musste Deutschland schleunigst verlassen, weil er in einer Sauna eine Frau sexuell belästigt hatte: Denn als er sich längere Zeit mit ihrem riesigen weißen Hintern konfrontiert sah, spielte er mit seinem ...

Ungebremst

Es schadet bei dieser Gelegenheit nicht, auf Awi Blumenschwein hinzuweisen:

Als er sechs war, fanden die Eltern sein Schwänzelein zu klein, sodass ihm der Urologe Hormonspritzen geben musste. Jetzt, ein Immobilienmakler in New York mit 120 Kilo, hat Awi einen Dauerständer. Man ahnt es: Sex ist das zentrale Element in Maxim Billers "Biografie".

Weil Sex ein zentrales Element ist.

Der fiktive Roman ist ähnlich wie die Auftritte des 55-Jährigen im "Literarischen Quartett", wo er die Rolle des Unsympathlers spielt, damit’s nicht fad wird.

Maxim Biller redet und redet, er redet klug, er lässt sich höchst ungern stoppen, weil von den anderen sowieso nichts Gescheiteres kommt.

Nun könnte er sagen: Er sei im Buch gar nicht geschwätzig, sondern bloß ungewöhnlich flott.

Das stimmt, 900 Seiten donnern und dampfen (und wetzen) durch den Kopf und sind gleich wieder weg.

Hängen bleibt nichts – außer der Umstand, dass Maxim Biller so schreibt, als müsste jeder Satz im Museum ausgestellt werden. Ein Gesicht darf nicht nur gelangweilt sein, sondern es ist gleichzeitig auch erstaunt. Dafür müsste ein Schauspieler viel üben. Oder das Gesicht eines Mannes ist "glatt wie die großen Eier des Buddhas hinter ihm" ...

Man muss "Biografie" nicht zusammenfassen, man könnte es nicht.Noah und Soli werden am Ende nach Buczacz in die Ukraine reisen. Aus Buczacz stammen die Familien und überlebten dort die Massenerschießungen der Deutschen.

An diesem Ort wird ein Mann im Hosensack seinen Penis massieren wollen, aber – er findet ihn nicht.

Das ist die angenehmste Stelle im Roman.


Maxim Biller:
„Biografie“
Verlag Kiepenheuer & Witsch.
896 Seiten. 30,90 Euro.

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