"Marshland": Der Pakt des Schweigens

Raúl Arévalo (li.) als strafversetzter Polizist Pedro, der mit seinem dubiosen Kollen Juan (Javier Gutiérrez ) einen Killer in Andalusien sucht
Stilsicherer, räudiger Neo-Noir-Thriller über brutale Frauenmorde in der spanischen Provinz.

In der Disco wird zu "Yes Sir, I Can Boogie" von Baccara getanzt, auf die Hausmauer hat jemand "Lang lebe Franco!" gesprüht. Im Hotelzimmer hängt ein Bild von Hitler gleich neben dem Kruzifix.

"Willkommen in deiner neuen Heimat", sagt ein Polizei-Inspektor zu seinem Kollegen, der eben aus Madrid in die Provinz zwangsversetzt wurde.

Spanien im Jahr 1980: Fünf Jahre nach dem Tod des Diktators befindet sich das Land auf dem Übergang zur Demokratie. Die Nachwehen des Franco-Faschismus schweben noch über dem unwegsamen Marschland Andalusiens, wo ein streng feudalistisches Prinzip und klare Klassentrennung herrscht. Dort, im heißen Süden des Landes, wütet ein Serienmörder, der junge Mädchen brutal tötet und dann wie Müll entsorgt.

Kackfarben

Ein Roman wie Roberto Bolaños "2666" und dessen detailgenaue Beschreibung mexikanischer Prostituiertenmorde hätten ihn ebenso inspiriert wie Roman Polanskis "China Town", sagte der spanische Regisseur Alberto Rodríguez über "Marshland".

Zielsicher platziert er seinen abgedunkelten, musikalisch nur spärlich betupften Neo-Noir-Thriller ins Flachland, wo tagsüber gnadenlose Hitze herrscht und sich dem Auge nichts als weite Fläche bietet. Die mystische Landschaft ist in ausgeblichene, braun-beige-gelbe Kackfarben getaucht, durch die sich die beiden Polizisten als eine Art spanische "True Detectives" durch die verschwiegene Dorfgemeinschaft arbeiten.

Der ältere, Juan, pinkelt Blut und hat eine üble Karriere als faschistischer Folter-Polizist hinter sich. Bei seinen Verhörmethoden dringen oft die eingeübten Praktiken der angewandten Gewalt durch.

Wer nicht spricht, wird schnell einmal gewürgt – egal, welchen Geschlechts. In der Bar jedoch ist Juan ganz Charmeur der alten Schule, schwenkt sein Whiskey-Glas und reißt die Ladys auf.

Sein Kollege Pedro hingegen – ein Melancholiker, der mit seinem hängendem Schnauzbart ein wenig an Ringo Starr erinnert – ist als linker Militärkritiker bei seinen Vorgesetzten schlecht aufgefallen. Deswegen auch die Versetzung nach Andalusien. Abends telefoniert er mit seiner schwangeren Frau, tagsüber saugt er an der Zigarette. Er will sich tunlichst von Juan abgrenzen (Alkohol, nein danke), findet dann aber doch mehr Gemeinsamkeiten, als ihm lieb ist.

Nacktaufnahmen

Ein halb verbrannter Filmstreifen, auf dem noch Nacktaufnahmen der getöteten Mädchen erkennbar sind, liefert erste Hinweise auf den Täter. Später wird es weitere Foto-Evidenz geben: Auf ihnen ist Juan bei einem gewalttätigen Einsatz gegen Franco-Kritiker zu sehen. Juan streitet die Verantwortung ab, und Pedro wird diese Beweisstücke gegen seinen Kumpel letztlich vernichten: ein klarer Verweis von Rodríguez auf den post-diktatorischen " Pakt des Schweigens", der nach der Diktatur in Spanien bis in die 90er-Jahre anhielt und lange Zeit die Auseinandersetzung mit dem Regime verhinderte.

Doch solche gesellschaftspolitische Spuren legt der Regisseur nur wie nebenher durch die Sümpfe seines Marschlands. In erster Linie sind es der räudige Vintage-Look seines stilistisch souveränen Provinz-Porträts, die bedrückende Stimmung der entleerten Häuser, der dreckige Fluss und die nächtlichen Autoverfolgungsjagden, durch die der modernde Geruch der überwundenen Diktatur weht. Politik drückt sich im Filz schlecht beleuchteter Innenräume und schmieriger Telefonhörer ab. Kein Mensch weiß, was der andalusische Polizeivorgesetzte von Juan und Pedro tatsächlich macht, nachdem Beweise gegen den dominanten Feudalherren vorgebracht wurden. Ruft er ihn an, um ihn zum Verhör vorzuladen? Oder doch, um ihn rechtzeitig zu warnen?

"Marshland" löst die Krimi-Rätsel auf, schafft es aber trotzdem, sein Geheimnis zurückzubehalten.

INFO: ES 2014. 105 Min. Von Alberto Rodríguez. Mit Javier Gutiérrez, Raúl Arévalo.

KURIER-Wertung:

An heißen Sommertagen kann ein cooler Kino-Besuch erholsam sein – vor allem wenn die Klimaanlage funktioniert und auf der Leinwand eine Eis-Zeit geboten wird. So skeptisch man als Zuschauer der Fortsetzungsflut auf unseren Kinoleinwänden gegenüberstehen mag, bei der "Ice Age"-Serie kann man sich dem Nostalgiewert schwer entziehen, gehören doch die Abenteuer rund um das Faultier Sid, das Mammut Manni und den Säbelzahntiger Diego schon seit 14 Jahren zu den erfolgreichsten Animationsfilmen. Und weil sich deshalb irgendwer in den Hollywood-Studios eine neue Bedrohung für die Speiseeis-gekühlte Idylle ausgedacht hat, kommt also bereits zum fünften Mal die berühmte Nuss ins Rollen. In "Kollision voraus!" stößt das Eichhörnchen Scrat bei seiner endlosen Jagd nach dieser Nuss auf ein UFO und katapultiert sich damit versehentlich ins Universum. Dort löst es eine kosmische Kettenreaktion aus, deren katastrophale Folgen Manni, Sid und Diego abzuwehren versuchen.

Eigentlich kann man mit den "Ice Age"-Filmen ja nicht viel falsch machen – so könnte man meinen. Aber die Story des fünften Abenteuers ist so dünn, dass man sie schon während des Films beinahe vergisst. Wären die Dialoge nur halb so interessant, oder wenigstens halb so drollig wie die computeranimierten Urzeit-Viecherln, dann würde man Sid, Manni, Diego und Scrat auch die vielen Furz-Scherze verzeihen, die auf allzu billige Lacher zielen.

Aber so wie einst die Dinosaurier können auch Mammuts allemal zu Kassenschlagern werden, denn tricktechnisch sind die prähistorischen Kollegen ganz auf der Höhe der heutigen Zeit. Vor allem in 3-D.

Text: Gabriele Flossmann

INFO: USA 2016. 94 Min. Von Mike Thurmeier und Galen T. Chu.

KURIER-Wertung:

"Marshland": Der Pakt des Schweigens
Nostalgie-Trip: Die endlose Jagd nach der Nuss führt diesmal ins All: „Ice Age 5 – Volle Kollision voraus!“

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