Kuma: Über Frauen einer türkischen Familie

Kuma: Über Frauen einer türkischen Familie
Von den Frauen einer türkischen Familie erzählt Umut Dag in seinem Film "Kuma". Ein Blick in eine für viele fremde Welt.

Eine Türkin weiß, dass sie bald sterben wird, und holt für ihren Mann und den Rest der Familie eine junge Kuma, eine Zweitfrau, ins Zuhause in Wien. Ein junges, naives Mädchen aus Anatolien, das vor allem von den Töchtern Fatmas als lästiger Fremdkörper empfunden wird. Umut Dag lässt uns dabei zusehen, wie die Familie mit Ayse umgeht, wie sie auseinanderdriftet und wieder zusammenwächst. Und ist dabei weit entfernt von den Blutrache-Türkenklischees eines Fatih Akin

KURIER: Herr Dag, die Mutter ist in Ihrem Film die zentrale Figur, die das Schicksal der Familie steuert. Das ist ungewöhnlich, weil ja sonst immer Männer die Helden sind.

Umut DagGenau. Für mich sind Mütter in der Filmgeschichte viel zu wenig beachtet. Wenn wir bedenken, wie wichtig Mütter für uns alle sind, steht das in keiner Relation.

Erzählen Frauen die interessanteren Geschichten?

Ich glaube schon. Es ist ein gesellschaftliches No-Go für mich, dass Frauen in so vielen Filmen einfach Steigbügelhalter für Männer sind. Das ist lächerlich, aber es hat sich so eingebürgert. Irgendwann muss man anfangen, das zu durchbrechen. 

Sie lassen bewusst die Thematik Religion und Ehre aus. 

Ich wollte jedes Klischee vermeiden. Es fragen mich sehr viele Leute: Wieso emanzipiert sich Ayse, die junge Frau, nicht? Wieso geht sie nicht hinaus in die Welt? Aber ich will keine Märchen erzählen. Sie kommt aus einem anatolischen Dorf, kennt niemanden, kann nicht Deutsch. Es wäre etwas anderes, wenn ich erzählt hätte, wie sie sich über fünf oderzehn Jahre entwickelt. Aber so würde ihre Emanzipation unglaubwürdig wirken.

Wie empfinden Sie es, wenn Sie ins Land Ihrer Eltern – in die Türkei, in die Kurdengebiete – kommen?

Ich fahre immer seltener in die Türkei. Ich bin fremd dort, ich habe so wenig, was ich dort teilen kann. Vielleicht liegt das nicht nur an den kulturellen Unterschieden, sondern auch daran, dass ich so einen unkonventionellen Beruf habe.

War es für Sie immer klar, dass Sie eine künstlerische Richtung einschlagen?

Nein, überhaupt nicht. Diese Perspektive wurde mir nicht geboten. Ich war hier in Wien in einer Hauptschule mit einem Migrantenanteil von 90 Prozent. Einmal habe ich es gewagt, in der Klasse meinen Lehrer zu fragen, wie man denn Pilot wird. Ich war damals 13 oder 14 und fand fliegen einfach cool. Der hat dann die ganze Klasse zur Ruhe aufgefordert und lächelnd erklärt: "Passt einmal auf, der Umut träumt wieder". So, als wäre das das Absurdeste, was man sich vorstellen kann, weil ich gefragt habe, wie man Pilot wird. Solche Erlebnisse prägen einen. Und der Prozentsatz der Kinder, die den Mut und die Kraft haben, zu sagen, denen zeig ich’s, ist, glauben Sie mir, sehr gering. Ich hab’ ja auch gedacht: Regie machen? Nein, da kann ich ja gleich sagen, ich fliege ins Weltall.

Und wie haben Sie es dann doch geschafft?

Es ist meinem Produzenten Michael Katz von der WEGA Film zu verdanken, dass ich hier sitze. Er hat an mich geglaubt wie kein anderer. Er ist mit Herzblut bis zur vollkommenen Selbstaufgabe bei einem Projekt dabei. Er hat – vor allem, nachdem der Wiener Filmfonds die Förderung abgelehnt hat – alles getan, damit "Kuma" zustande kommt.  

Umut Dag: Aufgewachsen im 20. Bezirk

Kurdische Wurzeln: Umut Dag wurde 1982 in Wien geboren und wuchs mit seinen Eltern und den beiden Geschwistern in der Brigittenau auf. Nach der HAK, die „nichts für ihn war“, schnupperte er in diverse Studien hinein, um schließlich zu erkennen, dass er „nur Film machen wollte“. Er studierte Regie auf der Filmakademie Wien bei Michael Haneke und Peter Patzak. „Kuma“ ist Umut Dags erster Langfilm. Er lief auch bei der Berlinale.

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