Keine Party, keine Einnahmen, keine Rücklagen: Wiener Clubs kämpfen ums Überleben

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Vielen Clubs und Bars droht die Insolvenz. Einige versuchen es nun mit Spendenaufrufen und hoffen auf private Unterstützer. Der KURIER hat bei einem Club-Betreiber und einem Veranstalter, Szenekenner und DJ nachgefragt, wie es um die Wiener Clubkultur aktuell bestellt ist.

Das kürzlich von der Regierung verkündetet Hilfspaket für Unternehmen hat die Sorgenfalten bei einigen Clubbetreibern nicht weniger werden lassen. Vielmehr scheint nun klar zu sein: Eine schnelle wie überlebensnotwendige Finanzspritze, mit denen Kredite zurück- und laufende Kosten bezahlt werden können, wird es für viele Betriebe nicht oder nicht ausreichend geben. Stefan Stürzer, Betreiber der Kunst- und Kulturinitiative Das Werk nebst der Müllverbrennungsanlage Spittelau, spricht sogar davon, dass das Hilfspaket für Clubbetreiber eher einem Aderlass gleicht. Daher hat man eine eigene Kampagne ins Leben gerufen: Mit "Spendier dem WERK ein Bier" startet man einen Überlebensversuch.

Eine ähnliche Aktion hat nun auch der wesentliche kleinere Club Celeste (Hamburgerstraße 18, 1050) gestartet. „Die Form, in der unser Betrieb funktioniert, erlaubt uns nicht, große Rücklagen anzusparen. Deswegen trifft uns der Corona-Shutdown hart. Wir wissen nicht, wann wir wieder aufsperren dürfen und wie wir bis dahin unsere laufenden Kosten begleichen sollen. Bisher mussten wir niemanden kündigen und hoffen, dass der Moment nicht kommt. Dafür brauchen wir Unterstützung“, heißt es dazu auf der Unterstützungseite, auf der man um Spenden bittet. Stichtag heute, Mittwoch, wurden knapp 5.000 Euro gespendet. Das Ziel liegt bei 25.000 Euro. 

Der KURIER hat zur aktuellen Lage Rudi Wrany alias Crazy Sonic (DJ, Clubgänger, Veranstalter) und Stefan Stürzer (Betreiber des Wiener Clubs Das Werk) zum runden Tisch geladen. Getroffen hat man sich im Internet. Hier ein Auszug des Schriftverkehrs.

Keine Party, keine Einnahmen, keine Rücklagen: Wiener Clubs kämpfen ums Überleben

Stefan Stürzer betreibt seit Jahren Das Werk in Wien.

Herr Stürzer, Sie betreiben mit Das Werk einen Club samt Kunst- und Kulturraum. Wie viele Mitarbeiter sind aktuell von der Schließung betroffen? Wie viele davon waren angestellt? Wie viele Fixkosten bleiben monatlich?

Stefan Stürzer: Von der Schließung sind alle Mitarbeiter betroffen. Ohne Gäste keine Arbeit und daher auch keine Kurzarbeit. Daher musste ich leider alle Mitarbeiter beim AMS anmelden, jedoch mit einer Wiedereinstellungszusage, damit niemand Dienstjahre und gesetzliche Ansprüche verliert. Mit allen externen und selbständigen Mitarbeitern reden wir hier von über 30 Personen. Im Werk fix angestellt waren davon 25. Nicht zu vergessen sind aber auch die Menschen in unserem Umfeld. Dazu zählen unsere eingemieteten Firmen und Künstler in den Ateliers, unsere Veranstalter, die Musiker, Techniker und Ausstatter. Zusammengerechnet macht das schnell mal über 100 Personen aus. Das ist schon eine ziemliche Furche, die wir hier ziehen. Nach unserem Umbau 2018 stellen gerade jetzt die Kredite die Hauptbelastung dar. Alle Kosten zusammengerechnet, bin ich noch immer im fünfstelligen Bereich, was die monatlichen Fixkosten betrifft.

Wie sieht das bei Ihnen als DJ und Veranstalter aus, Herr Wrany?

Rudi Wrany: Es wurden bereits acht Veranstaltungen von uns abgesagt. Neben den ausgefallenen Einnahmen sind da auch noch einige Kosten angefallen. Als Veranstalter schätze ich den Realschaden auf zirka 8.000 Euro bisher. Als DJ hab ich bis Ende April ungefähr zirka 5.000 Euro verloren. Auch mein Podcast bei Radio Superfly ist einmal auf Eis gelegt. Es gibt halt null Einnahmen bis... Zeitpunkt unbekannt.

Die ersten Wochenenden ohne Veranstaltung, ohne Partys sind vorbei. Wie hat sich das angefühlt?

Stefan Stürzer: Völlig ungewohnt. Im Werk gibt es ja nicht einmal eine Sommerpause. Zudem reißt jedes zusätzliche Wochenende große Löcher ins Jahresbudget, die unwiederbringbar sind. Ehrlich gesagt: Ein scheiß Gefühl.

Rudi Wrany: Sehr seltsam, aber man wusste ja, dass es alle trifft und es keine Ausnahmen gibt, das machte es irgendwie erträglich. Man versucht sich nun zu konzentrieren, was man wann wo wie tun kann.

Wie es aussieht, werden die Clubs noch länger geschlossen bleiben. Wie geht man mit der Situation um?

Stefan Stürzer: Wir nutzen die Facebook-Seite vom Das Werk, um Musiker und Künstler zu pushen. Täglich stellen wir Platten-Veröffentlichung, Theateraufführungen, Buchpräsentationen usw. online. Dazu kommen noch eine Menge Livestreams von unseren Veranstaltern, und unserem Haus- und Hoflabel Werk Music räumen wir in dieser Zeit auch einen speziellen Platz ein. Das alles ist wunderbar solidarisch und macht Spaß.

Rudi Wrany: Es wird sich die Frage stellen, wie es konkret weitergeht. Werden die Clubs in ihrer bisherigen Ausrichtung so bestehen bleiben? Wird es neue Hygienevoraussetzungen geben? Werden überfüllte Läden als Virenschleudern überhaupt noch so zugelassen? Wie wird das Ausgehverhalten der Leute sein? Wenn wir, sagen wir mal, Anfang Juni wieder öffnen könnten, hat ja niemand Geld - Studenten und Kreativleute haben nichts verdient. Die paar Bobos, die in den Luxusdiscos Tische reservieren, sind ja nicht die Leute, die eine Szene formen. Wer soll dann sofort wieder „Hurra die Gams” ausgehen? Vor allem Eintritt bezahlen? Das macht mir eher Sorgen, das Werkl wird noch dauern, bis es wieder läuft. Und von Partys bei freiem Eintritt kann keiner leben, weder der Veranstalter noch der DJ.

Sollte es noch länger dauern, ist bald Sommer und dann geht auch kaum noch jemand in einen Club. Es könnte die Durstrecke also bis Herbst dauern… Wie lange kann man diese Situation finanziell durchhalten?

Stefan Stürzer: Ohne Maßnahmenpaket der Regierung nicht lange. Ich denke, dass bereits viele in ein bis zwei Monaten Insolvenz anmelden müssen. Die Fixkosten sind trotz massiver Einsparungen einfach zu hoch, um einen monatelangen Überlebenskampf gewinnen zu können.Rudi Wrany: In Wien steckt hinter einigen Clubs doch auch ein wenig Kapital. Ich denke, dass es aber natürlich niemals ohne Unterstützung des Staates, der Wirtschaftskammer etc. gehen wird. Denn realistisch gesehen kann kein Club drei Monate ohne Umsatz überleben. 

In Deutschland helfen sich Clubs seit Anfang der Krise durch eine gemeinsame Spendenaktion. Auch in Wien gibt es dazu jetzt schon einiges. Eine gute Idee?

Stefan Stürzer: Jede Idee ist in Krisenzeiten willkommen. Ich würde es sehr begrüßen, wenn eine Crowdfunding-Aktion über die Vienna Club Commission ins Leben gerufen wird. Ich sehe hier absolut ein Potenzial. Wer verliert schon gerne seinen Lieblingsclub? In Berlin hat bereits jeder Club seine eigene Kampagne laufen, plus die gemeinsame „United We Stream“, bei der alle an einem Strang ziehen.

Rudi Wrany: Gute Ideen sind immer gefragt, doch viele müssen im Moment ans eigene Überleben denken. Aber umgekehrt gibt es natürlich auch solche, denen so eine Krise nicht viel ausmacht. In Österreich ist gerade einiges am Entstehen.

Wie könnte man die Clubszene krisensicherer machen?

Stefan Stürzer: Die Zeiten, in denen das große Geld zu verdienen war, sind schon seit gut 25 Jahren vorbei. Zu hoch sind die monatlichen Fixausgaben und Lohnkosten, um sich Rücklagen aufbauen und eine derartige Krise auch nur ansatzweise abfedern zu können. Alle Clubs sind nunmal zu 100 Prozent von ihren Gästen abhängig, wenn diese ausbleiben, kann nur ein Krisenfond helfen.

Rudi Wrany: Naja, solche Krisen treffen Veranstaltungen und Clubs immer als erstes, daher helfen nur Rücklagen. Clubs können natürlich in Zukunft trotzdem „senden”, also virtuell, aber nicht unbedingt aus dem Lokal, sondern die DJs machen das zu Hause. Jeder Club könnte einen Podcast gründen, der auch in „Normalzeiten” weiterläuft, aber in Krisenzeiten besser genutzt werden kann. Aber Clubs werden im Falle von Viren etc. immer leiden. Denn das gab es davor noch nie und die Angst davor wird bleiben.

Keine Party, keine Einnahmen, keine Rücklagen: Wiener Clubs kämpfen ums Überleben

Rudi Wrany alias DJ Crazy Sonic kennt und kommentiert die Wiener Clubkultur seit Jahren. 

Man liest immer wieder von Chancen, die einem eine Krise bietet. Welche Chancen wären das?

Stefan Stürzer: Für einen Club sehe ich hier leider überhaupt keine Chancen. Die verlorenen Wochenenden bringt uns niemand zurück. Ein Club ohne persönliche Kontakte und der Gemeinschaft, die darin steckt, ist schlichtweg tot.

Rudi Wrany: Die Chance, dass diese unerträgliche DJ-Blase endlich platzt und man sich auf das Wahre fokussiert, nämlich die Musik. Ich sehe es als eine Riesenchance für die heimische Szene, und für die Willigen, denen Geld nicht so wichtig ist. Vor allem in den ersten Monaten sollte man ausschließlich auf österreichische Künstler und Künstlerinnen setzen.

Noch so eine Weisheit: Eine Krise bedeutet immer auch ein Neuanfang. In welchen Bereichen bräuchte es einen Neuanfang?

Stefan Stürzer: Ich konzentriere mich vorerst einmal aufs Überleben. Das Werk wurde 2018 und 2019 über FM4 zur besten Location Österreichs gewählt. Es wurde in den letzten eineinhalb Jahren also sehr viel richtig gemacht. Der Neuanfang wird sich allem voran mit Schadenserhebung und Schadensbegrenzung beschäftigen müssen und auch in welchem Ausmaß nach der Krise wieder geöffnet werden kann.

Rudi Wrany: Wien braucht endlich eine gescheite Resident-Szene. Fast alle Clubs setzen auf noch größere und noch teurere DJs und die Locals sind meistens schlecht bezahlter Aufputz. Ausnahmen gibt es nur in der queeren Techno-Szene, wo sich die Residents rund um Gerald van der Hint definitiv mit den internationalen Acts auf eine Stufe stellen können. Wozu muss ständig der Wettlauf um die teuersten Acts veranstaltet werden? Wer braucht einen übermüdeten Superstar-DJ, der 400 Extrawürste im Rider stehen hat?! Und runter mit den Eintrittspreisen, Qualität gibt es auch zu Hause.

Gibt es von eurer Seite irgendwelche Pläne für Aktionen, um an Geld zu kommen? Verkauf von T-Shirts und so weiter und so fort?

Stefan Stürzer: Wie bereits oben erwähnt, werden wir eine eigene Crowdfunding-Aktion starten, sollte das nicht über eine gemeinsame Organisation, also über die Vienna Club Commission erfolgen. Wenn wir die Kampagne alleine über Das Werk durchführen müssen, gibt es natürlich auch ein Goodie und man kann das Werk bei Gelegenheit auch auf ein Bier einladen.

Rudi Wrany: Wir stehen am Anfang. Ich versuche einmal ruhig zu bleiben. Empfehle Weintrinkpakete für die Krise und sichte die Lage. Die zahlreichen Wohnzimmer-Sets wirken zwar schon inflationär, aber sie sind zumindest eine gute Therapie gegen die Einsamkeit

Man hat immer von Solidarität untereinander gesprochen. Wie kann und wird diese aussehen?

Stefan Stürzer: Der Austausch unter den Clubs funktioniert, wie ich finde, sehr gut. Wir halten uns gegenseitig telefonisch auf dem laufendem. Zudem gebe ich alle getätigten Schritte und Maßnahmen, die ich in der Krise bis dato getroffen habe, an die Vienna Club Commission weiter. Da das auch andere Clubs so betreiben, kann man sich über die Vienna Club Commission einen guten Überblick verschaffen. Ansonsten gilt es jetzt, allen Clubs ganz fest die Daumen zu drücken.

Rudi Wrany: Mir fällt auf, dass aktuell zwar weniger gestritten wird, aber gibt unendlich viele Biotope in Wien, die nur in ihrem Teich schwimmen wollen. Mehr Offenheit wäre gefragt. Und weniger "Weisheit", wessen Style denn nun der neue Shit ist.

In Berlin hat man mit "United We Stream" längst etwas Gemeinsames auf die Beine gestellt. Warum klappt das in Wien nicht?

Stefan Stürzer: Ein Stream wird uns jetzt nicht retten. Es ist eine schöne Aktion, die in Wien aber auch schon über verschiedenste Plattformen läuft. Eine Crowdfunding-Aktion würde wesentlich mehr Sinn machen.

Rudi Wrany: Hat ja schon geklappt bzw. beginnt es auch hier. Allerdings wird halt das Berliner Konzept übernommen, welches scheinbar etwas kompliziert ist. Wer wie viel genau bekommt etc. hängt offenbar von einer Art Jury ab, und man hat sich halt nun quasi mit Berlin in ein Krankenbett gelegt. Die neueste Entwicklung in Wien ist aber vielversprechend und divers, Es gibt die Initiative des Magazins "Wiener Würstelstand", Brandnite TV verschickt Equipments nach Hause und lässt DJs dort ihr Set aufnehmen. Aber retten kann das niemanden, das ist am Ende ein Marketing Tool, um nicht in Vergessenheit zu geraten.

Bäckt in Wien lieber doch wieder jeder seine eigenen Brötchen?

Stefan Stürzer: Finde ich nicht. Der Zusammenhalt ist definitiv gegeben. Da es sich aber um ein rein finanzielles Problem handelt, das jeden einzelnen Club betrifft und wirklich niemanden in der Kulturbranche verschont hat, ist demzufolge kein großer Spielraum gegeben. Ich glaube nicht, dass mir meine Freunde vom Fluc jetzt 30.000 Euro auf unbestimmte Zeit als Darlehen anbieten können. Leider trifft das umgekehrt auch zu.

Rudi Wrany: Im Moment gibt es mehrere Initiativen, die nun gebündelt werden. Klar preschen immer einige vor, um ausschließlich für sich Punkte zu sammeln, doch das wird sich schnell wieder einpendeln. Aber in Wien buken sie ihre Brötchen immer gerne selber. Auch hier ist es aber zu früh, um zu kritisch zu sein. Streaming-Events sind grundsätzlich jedem erlaubt… Wer die beste Idee hat, soll gerne die Lorbeeren ernten.

Trifft man mit seinen Problemen und Anliegen bei der Politik auf einen fruchtbaren Boden?

Stefan Stürzer: Das wird sich noch zeigen, ob das Problem im Kultursektor auch wirklich wahr- und ernstgenommen wird. An Geld fehlt es hier sowieso immer und man hantelt sich von Monat zu Monat durch. Es wäre extrem schade und auch ein Armutszeugnis, wenn unsere vielfältige und qualitativ sehr hochwertige Kulturszene dabei draufgehen würde. Gerade jetzt, wo sich auch international wieder etwas tut. 

Rudi Wrany: Gesagt wurde viel, ausbezahlt nur wenig. Vom Verständnis allein kann man sich nichts kaufen - und es geht im Moment ums nackte Überleben.

Welche Maßnahmen sollen nun für die Zukunft getroffen werden?

Stefan Stürzer: Mal schauen, wie viele Clubs nach der Krise überhaupt noch übrig sind. Der jetzige Zustand ist wirklich schlimm. Die Hilfspakete sind zu 95 Prozent Kredite, Stundungen usw. alles Geld, das man verzinst zurückbezahlen muss. Es braucht dringend Geld für Künstler und Künstlerinnen, und auch für Locations, um Fixkosten abzudecken. Wo bleiben die versprochenen Hilfsgelder für die Kultur- und Clubbranche? Ich glaube schon langsam nicht mehr daran, dass sich da auch wirklich noch etwas auftut.

Rudi Wrany: Auch für Selbständige und Kreative sollte ein Notfond bereitstehen, falls uns ähnliches in der Zukunft bedroht. Ansonsten sehe ich im Moment natürlich viel Neuland in der Katastrophe und es gibt ja in der Vergangenheit kaum Präzedenzfälle. Aber Rücklagen werden sicher wieder ein Thema, denn ohne die, wird es nicht gehen, für keinen.

Wie hat die Vienna Club Commission reagiert. Fühlen Sie sich von dieser neuen Initiative ausreichend vertreten?

Stefan Stürzer: Ich stehe im ständigen Austausch mit der Vienna Club Commission. In Anbetracht dessen, dass diese gerade gegründet wurde und sich jetzt in dieser Ausnahmesituation wiederfindet, kann ich nur sagen: Vielen Dank für die super Zusammenarbeit und das Engagement. Ich stehe voll und ganz hinter dieser Initiative.

Rudi Wrany: Die Vienna Club Commission gibt es erst seit Jänner. Die ist noch in den Kinderschuhen und muss nun gleich alles liegen und stehen lassen, und versuchen, zu helfen. Die wurden auch ein wenig überrascht und überrollt, aber sie haben schon bereits erste wertvolle Tipps gesendet und Rechtsberater engagiert. Sie versuchen zu helfen, wo es geht.

Was wird in Sachen Feiern, Party, Ausgehen nach Corona anders sein als vor dem Virus?

Stefan Stürzer: Jetzt, wo der „Spaßbetrieb“ auf unbestimmte Zeit eingestellt ist, steht der Club sicher nicht an vorderster Stelle. Nach der Krise  werden uns die Menschen aber wie einen bissen Brot benötigen. Für diese Prognose braucht man keine Glaskugel.

Rudi Wrany: Ich könnte Millionär werden, wüsste ich nun alle Antworten. Doch es wird eine Rückbesinnung geben. Leute werden durch die vielen Wochen ohne Party-Vergnügen draufkommen, wie oberflächlich vieles war. Vielleicht erlöst uns die Corona-Krise von der einen oder anderen unnötigen 90er-Jahre-Trash-Party, vielleicht leben die Leute überhaupt wieder gesünder, weil keiner mehr „drei Tag wach“ sein möchte. Wir werden weniger fliegen, weniger oft und viel bewusster reisen. Vielleicht werden die Clubs als Ursprung allen Undergrounds wieder wichtiger als überkommerzialisierte Großveranstaltungen, wo man 40.000 Euro an einen DJ zahlt, nur weil er angeblich der beste ist – durch gekaufte Rankings. Vielleicht gehen die Leute aber auch gar nicht mehr aus, weil alles virtuell vorhanden ist, noch mehr, als einem das davor bewusst war. Und viele werden nach dem Ende auch andere Sorgen haben, als jene, wo sie am Wochenende 100 Euro liegen lassen, denn soviel kostete eine Clubnacht mit allem drum und dran vor der Krise. Es werden die Bierdosen-Trinker in den Parks mit ihren Bluetooth-Boxen Hochkonjunktur feiern. Und ich glaube, die Preise werden fallen - für große DJs und für Eintritte. Der Staat sollte die Mehrwertsteuer auf Events grundsätzlich auf 13 Prozent (da liegt auch der Steuersatz für Live-Konzerte) senken, auch deshalb, um das Ganze wieder anzukurbeln.

Man liest in Sozialen Medien immer wieder von “guten” und “schlechten” Veranstaltern, jene, die nur viermal im Jahr Partys machen und jetzt raunzen. Sind das schon die ersten Vorboten auf den Streit ums Geld, um die Debatte, wer da nun wie viel vom Kuchen abbekommt? Wie könnte man das "gerecht" aufteilen?

Stefan Stürzer: Natürlich muss darauf geachtet werden, dass hier kein Missbrauch mit Hilfsgeldern geschieht. Ich denke aber auch, dass das Geld nach strengen Kriterien ausbezahlt wird und werde dabei auf die Bilanz von 2019 und auf Umsätze der Registrierkassa aus 2019 verweisen. Das alles sind Zahlen, die im Finanzamt angemeldet wurden und somit auch als nachvollziehbare Quelle für die Abrechnung dienen werden. Eine lückenlose Dokumentation wird hier also sicher gefordert werden und die hat bestimmt nicht jeder bei der Hand. Außerdem vertrete ich die Ansicht, dass Ehrlichkeit am längsten währt. Dahingehend sehe ich dem finanziellen Prozedere optimistisch entgegen.

Rudi Wrany: Rein aus wirtschaftlicher Sicht haben jene, die viel gemacht haben, ja auch viel umgesetzt und dem Staat auch viel Steuerleistung gebracht. Die verlieren nun auch am meisten. Hier geht es nicht ums Ideelle. Diese Diskussion soll in den Sozialen Medien zerhackt werden. Aber es wird sowieso nur Krümel und Bruchteile dessen geben, was viele nun verloren haben bzw. vielen entgangen ist. Streit wird es sicher geben, denn es wird leider auch viele Kleinstveranstalter und Künstler treffen, die keine Ordnung in ihren Dingen hatten und dadurch natürlich am Ende der Warteschlange sein werden. Vereine werden es auch schwer haben, denn sie waren ja oft steuerschonend und nicht gewinnorientiert. Raunzen wird leider jeder, befürchte ich.

"United We Stream Vienna" startet am 4. April

Der erste von der Vienna Club Commission umgesetzte Livestream wird am Samstag aus dem Club Das Werk gesendet. Start ist um 16 Uhr. Ende voraussichtlich um 20 Uhr. Über eine Spendenplattform kann man dabei Geld spenden. Die Einnahmen gehen an "notleidende Clubs und Locations" in Wien, um weiter kulturelles Leben nach der Krise sicherzustellen. Nach welchem Schlüssel das gesammelte Geld verteilt wird, wurde nicht kommuniziert. 

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