Josefstadt: Ein fulminanter Helmut Lohner

Josefstadt: Ein fulminanter Helmut Lohner
Kritik: Präzise gearbeitet, perfekt gespielt, heftig beklatscht: Ibsens "John Gabriel Borkman" konnte überzeugen.

Es ist das Stück der Stunde, Ibsens 1896 erdachtes Drama "John Gabriel Borkman". Der Titelantiheld ist ein Banker, der im "Bau" war, weil er das Geld seiner Kunden verspekulierte. Nach Jahren hinter Gittern sitzt er seit noch mehr Jahren im selbstgeschaffenen Gefängnis, dem Landgut der Schwägerin, und wartet. Auf Rehabilitierung. Millionen futsch, stimmt, aber er hatte es gut gemeint.

Im Theater in der Josefstadt wird Ibsens vorletztes Werk nun in der Regie von Elmar Goerden und in absoluter Luxusbesetzung gezeigt. Eine Konstellation, der zu danken ist, dass in der tragischen Geschichte vornehme Komik Platz findet. Ibsen, halbwegs heiter? Das geht. Sehr fein sogar.

Abziehbild

Denn Helmuth Lohner ist ein fulminanter, auch furioser Borkman. Eine Elsner-Zwettler’sche Figur, nie angekränkelt vom Gedanken Schuld auf sich geladen, anderen Schaden zugefügt zu haben. Nein, er ist doch der Gekränkte, dieses Abziehbild des einstigen Machers, eingeigelt in seiner Lebenslüge, vom Altersstarrsinn langsam in den Wahnsinn kippend.

Umrahmt wird diese schleichende Selbstdekonstruktion von zwei brillanten Diven, zwei bösartigen Königinnen: Nicole Heesters als Borkmans Frau Gunhild und Andrea Jonasson als ihre Schwester und Borkmans erste Liebe Ella. Sie war auch sein erster Verrat, sein Gefühl für Macht stärker als alles, was er für sie empfand.

Heesters und Jonasson fighten, was das Zeug hält. Erstere geht zynisch, kalt, hartherzig in Verteidigungsposition; Zweitere greift demonstrativ ruhig an. Die Tatsache, dass sie sterbenskrank ist, ist ihr Leid-Motiv genug. Das Handtuch, das heißt: Eigentlich die Strickweste werfen, geht schon – der Rivalin mitten ins Gesicht.

Kunstfigur

Präzise hat man an den Rollen und solchen Szenen gearbeitet. Manchmal nur, in Momenten höchster Emotion, entgleitet dem einen oder der anderen das Menschsein Richtung Kunstfigur. Dann aber sind die großen drei einander auch eine gute, gegenseitige Erdung ...
Für Ibsens psychologische Untertagesituation schufen Ulf Stengl und Silvia Merlo das exakte Bühnenbild. Ein Bunker, grau, leer, ein Bergwerkstollen für kaputte Seelen, durch den die Einsamkeit weht.
Weshalb sich alle Borkmans Sohn Erhart (Martin Bretschneider versucht sich als Aufmüpfling) zum emotionalen Windschatten erkoren haben. Nur: Der will das nicht. Der hat nämlich gerade den Sex entdeckt. Und die Fröhlichkeit.
Maria Köstlinger macht aus Erharts Geliebter Fanny Wilton eine originelle, lebenshungrige, mitreißende Mittdreißigerin. Und zeigt mit einer skandinavischen Schimpftirade, dass sie gleich dem Autor Wurzeln im hohen Norden hat.
Viel Applaus für alle. Zu Recht.

KURIER-Wertung: ***** von *****

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