Happy Birthday: Bob Dylan wird 75

Dichter, Denker, Folk-Ikone: Im Laufe seines langen Künstlerlebens entwickelte sich Bob Dylan zum Gesamtkunstwerk.

"Ob Rock’n’Roll-Sänger oder Maler und Anstreicher, ich sehe da keinen Unterschied“, sagte Dylan einmal. „In beiden Fällen kletterst du so hoch hinauf, wie du willst.“

ER ist längst an der Spitze angekommen. Bob Dylan alias „His Bobness“. Selbst als Pensionär landete der Mann, der vor 56 Jahren mit Gitarre und Mundharmonika aus der Provinz von Minnesota in die Metropole New York getrampt war, um sein Idol Woody Guthrie zu besuchen, einen Millionenseller: „Modern Times“, jenes Album, das vor zehn Jahren vom Musikmagazin „Rolling Stone“ zum besten des Jahres gekürt wurde. Noch vor „Stadium Arcadium“ von den Red Hot Chili Peppers und weit vor „Future Sex/Love Sounds“ von Justin Timberlake.

Neues Album mit 75

Dieser Triumph wäre eigentlich ein guter Zeitpunkt gewesen, sich beruhigt aufs Altenteil zurückzuziehen. Dennoch veröffentlichte Dylan seither vier weitere, weithin gefeierte Longplayer. Und es schaut ganz so aus, als starte seine lange Karriere nun noch einmal so richtig durch. Eben erschien mit „Fallen Angels“ sein 37. Studioalbum, der Song "Melancholy Mood" beweist, dass sich der Meister nach wie vor in bester Spiellaune befindet.

In drei Tagen feiert der Musiker mit der einzigartigen Karriere seinen 75. Geburtstag.

Vor Jahren schon bezeichnete ihn mit Leonard Cohen eine andere Musik-Legende als den „Picasso des Liedes“. Tatsächlich hat auch kein anderer Künstler die Entwicklung der populären Musik und der „Song Poetry“ so nachhaltig und so konsequent beeinflusst wie Bob Dylan. „Er war pure Inspiration“, sagte etwa Jimi Hendrix, der Mitte der 1960er-Jahre ebenso im New Yorker Künstlerviertel Greenwich Village herumhing, einmal: "Er hatte immer einen Schreibblock dabei, in dem er alles notierte, was ihm in seiner Umgebung auffiel.“

Rimbaud des Rock

Dabei ist es nicht die Musik allein, die den Mythos Bob Dylan ausmacht. Der „Rimbaud des Rock“ wurde wegen seiner „lyrischen Kompositionen von außerordentlicher dichterischer Kraft“ vor acht Jahren mit dem Pulitzerpreis bedacht. Eine beeindruckende Bestätigung seiner frühesten Ambitionen. Immerhin hat sich der als Robert Allen Zimmerman geborene Songwriter 18-jährig in Bob Dylan umbenannt – als Verbeugung vor dem walisischen Poeten Dylan Thomas.

Bob Dylan hat sich auch stets als Frontman der Gegenkultur einen Namen gemacht. Wenn er in den letzten Jahren von Präsident Barack Obama mit den höchsten nationalen Auszeichnungen der USA geehrt wurde, dann, weil er ein Gesamtkunstwerk darstellt. Performance ist das eine, Engagement das andere. Bob Dylan hat ab seinen ersten musikalischen Gehversuchen in den Folkclubs im Midwest und im Cafe Wha? in New York immer gegen Krieg, Rassenhass und soziale Ungerechtigkeit angesungen. Nicht zuletzt deswegen gilt er seit Jahren als Dauerbrenner unter den Nobelpreis-Kandidaten.

Dylan mit Dessous

Ein Gutmensch par excellence. Aber einer mit Kanten. Vor zehn Jahren ließ sich die Ikone des Anti-Establishments auf einen Werbedeal mit dem US-Kaffee-Giganten Starbucks ein und erregte damit den Zorn unter anderem von Schriftsteller Kurt Vonnegut („Breakfast of Champions“). Dass Dylans melancholischer Abgesang „Love Sick“ genüsslich einen Werbeclip der Dessousmarke Victoria’s Secret untermalte, kam in einschlägigen Kreisen ebenfalls nicht wirklich gut an.

Verdient alt und trotzdem forever young. Im Sommer 1966 hatte Dylan einen schweren Motorradunfall mit seiner Triumph Tiger überlebt. Und danach mindestens die Musikstile Funk, Disco, Punk und Metal. Von der Mode gar nicht zu reden. Schwarz kommt immer gut, besonders bei ihm. Ende der 1990er-Jahren überstand der neunfache Opa eine schwere Herzbeutelentzündung, die zu dieser Zeit auch der Grund für seine mürrische Miene bei Live-Auftritten war. Seither ist der sechsfache Vater offenbar kaum mehr zu halten.

"Oldchella" ruft

Von Anpassungsschwierigkeiten an die Moderne keine Spur: Bob Dylan, selbst noch in der Prä-Fax-Ära zum Star geworden, postet und twittert ganz so regelmäßig und ausdauernd, als müsste er mit Teenies mithalten. Seine jüngste Botschaft betraf die Zusage zu einer Show der Superlative: Die Veranstalter des „Coachella“-Festivals in der kalifornischen Wüste haben für den 7. bis 9. Oktober einen Mega-Event geplant – mit Veteranen von den Stones, Paul McCartney, Roger Daltrey (The Who) und Roger Waters von Pink Floyd über Neil Young bis zu Big Bob. Geradezu eine Oldie-Orgie: Bis auf Stones-Gitarrist Ron Wood sind sämtliche genannten Musiker über 70 Jahre alt. Kein Wunder, dass für das offiziell als „Desert Trip“ bezeichnete Festival schon eine Verballhornung kursiert: „Oldchella“.

Den Meister wird das nicht kratzen. Man kann davon ausgehen, dass er seinen Job bestens bewältigt. Seit Anfang April spielt er sich darauf ein. Nach sieben Auftritten in Japan setzt er die Dylan-On-Tour-Gastspiele ab Juni in seiner Heimat fort. Neben Auftritten in Indianapolis, Nashville, Boston, Philadelphia und Atlantic City steht auch ein Abend in Wien auf dem Programm. Besser gesagt: in Vienna im US-Bundesstaat Virginia.

Mit dabei sein wird eine Begleiterin aus den Anfangsjahren: die jetzt 76-jährige Mavis Staples. Die US-Blues- und Soul-Legende aus Chicago hat schon für den Bürgerrechtskämpfer Martin Luther King gesungen und in den Sixties eine Affäre mit dem Liedermacher aus Minnesota gehabt. Ein schwarz-weißes Paar? In damaligen Zeiten ein Affront. „The Times They Are A-Changin’“. Zum Glück.

Bootlegs in Serie
Aus einem Sänger, dessen erstes Album sich gerade 5.000-mal verkaufte, entwickelte sich die Stimme mehrerer Generationen und wurde zu einer echten Institution. Von der die Fans offenbar nicht genug bekommen können. Seine Lieder gibt es mittlerweile in einer 18 CDs umfassenden Bootleg-Serie mit Outtakes, Demos und bisher unveröffentlichten Versionen. Und seine Texte aus den Jahren 1962-2001 liegen unter dem Titel „The Lyrics“ in einem 250 Euro teuren Prachtband vor.

Ist Dylan das wert? Natürlich. Oder wie es Al Kooper, Organist bei dem Gassenhauer „Like a Rolling Stone“, einmal ausdrückte: „Was Shakespeare für seine, bedeutet Dylan für unsere Zeit.“

Auch Ambros gratuliert

Wolfgang Ambros hat 1978 Dylan-Songs ins Wienerische übersetzt und mit "Wie im Schlaf" ein großartiges Album aufgenommen. Er gratuliert dem großen Vorbild mit den Worten: "Dieser Mann ist die gelebte Nachhaltigkeit. Was er aufgebaut hat, überlebte Jahrzehnte und hat unzähligen Menschen Freude bereitet. Ich wünsche hiermit das Allerbeste und ein weiteres frohes Schaffen!“

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