Hannes Eder: "Das waren die teuflischsten Jahre"

Hannes Eder, Ex-Chef von Universal Music
13 Jahre lang hat Hannes Eder Österreichs größtes Label geleitet. Nun ist er gegangen.

KURIER: Sie waren von 2003 bis 2016 Chef von Universal Music Austria. Das war wohl die blödeste Zeit, um ein Musikunternehmen zu leiten.

Hannes Eder: (lacht) Die letzten Jahre waren sicherlich die teuflischsten der Musikindustrie. Das macht die Erfolge in dieser Zeitspanne eigentlich noch wertvoller. Ich bin in der schwierigen Phase gekommen und gehe, wenn es wieder besser läuft.

Aber der Start – mitten hinein in den Zusammenbruch des Musikverkaufs dank Online-Kopierens – war wohl hart.

Die Nullerjahre haben mit einer totalen Ohnmacht begonnen. Man hatte damals zu Recht den Eindruck, da sitzen Menschen am Ruder von globalen Konzernen, die völlig ratlos sind. Diese Ratlosigkeit führte dann zu fragwürdigen Entscheidungen wie Kopierschutz und so weiter. Viele Entscheidungsträger haben lange nicht verstanden, worum es den Usern eigentlich geht.

Und reagierten panisch.

Nach nicht einmal drei Monaten in dem Job gab es das erste "Restrukturierungsprogramm". Da wurden die Länder bewertet und kategorisiert – nach welchen Kriterien, weiß ich bis heute nicht. Österreich befand sich in unmittelbarer Umgebung zu Ländern wie Thailand. Ich bin ins Headquarters nach London geflogen und habe dem damaligen Chef gesagt, was ich von diesem Ranking halte. Ich wurde nicht gefeuert, sondern Österreich wurde neu gereiht.

Nun befürchten viele in der Branche, dass Österreich im Ranking abrutscht – dass nämlich Universal künftig von Deutschland aus mitverwaltet wird. Mit Auswirkungen auf die heimische Szene.

Man sollte über meinen Nachfolger nicht im Vorhinein urteilen. Über die zukünftige Strategie von Universal ist mir nichts bekannt. Aber Zeichen sprechen eine Sprache. Universal ist heute noch das einzige Major Label in Österreich mit Vollstruktur und den nötigen Ressourcen.

Schade, wenn das gerade jetzt verloren ginge, da die heimische Szene ja einen ungekannten Aufschwung erlebt.

Ich habe immer behauptet, dass es gute, hochqualitative Musik aus Österreich gibt. Es gab Zeiten, da war zwar die Kreativität vorhanden, aber der Professionalisierungsgrad nicht. Das hat sich in den letzten Jahren aber geändert, weil viele Bands damit aufgehört haben, Ö3-taugliche Musik zu produzieren. Wozu auch, sie wurden ja eh nicht gespielt. Das war für viele Musiker befreiend. Wanda wären vor sechs, sieben Jahren für ihre Texte von der Indieszene wahrscheinlich noch verprügelt worden. Aber ich habe immer allen Musikern gesagt: Hört auf, auf das zu hören, was jemand über euch sagt. Wir sind in Österreich – da wird Neid und Missgunst besonders kultiviert.

Ö3 bleibt der Reibebaum für die heimischen Musiker.

Es beginnt mit dem Zugang zur heimischen Musik – zur Musik generell – der Menschen, die das Programm zu verantworten haben. Einige Entscheidungsträger sind der Meinung, dass Musik aus Österreich, Beiträge über heimische Künstler und Bands schlecht für das Programm sind. Und wenn man sich darüber keine Gedanken machen will, dann sollte man besser in Frühpension gehen oder den Sender zusperren.

Ö3-Senderchef Georg Spatt hat sich im KURIER-Interview unlängst beschwert, dass die Austropopquote den Sender in puncto Quote lähme.

Nennen wir sie österreichische Musikquote, weil es nicht nur den Austropop umfasst. Eine Quote kann man auch damit erreichen, wenn man einen heimischen Künstler rauf und runter spielt. Das hilft der Musikbranche natürlich nichts. Es ist auch weniger hilfreich, wenn ich die Songs heimischer Interpreten zwischen 1 und 3 Uhr nachts einen Platz im Programm gebe. Und es bringt auch der aktuellen Musikszene wenig, wenn ich Falco-Songs spiele. Der ORF zeigt mittlerweile zumindest Besserungswillen.

Jetzt ändert sich das Business gerade wieder radikal – Streaming soll das verlorene Geld zurückbringen.

Die Umsätze mit Streaming haben den Umsatz mit legalen Downloads in Österreich bereits überholt. Nur: Wenn der Streaming-Markt einmal gesättigt ist, dann gibt es kein Wachstum mehr. Aber der Gratiszugang mit Werbeeinschaltungen ist ein relativ probates Mittel, um dem illegalen Download entgegen zu wirken. Jungen Menschen, die kein Geld für Musik ausgeben wollen, ist es egal, ob die Qualität schlecht ist und nach drei Songs eine Werbeeinschaltung kommt. Ein weiterer Hoffnungsschimmer ist Vinyl. Da sind Wachstumsraten deshalb auch sehr erfreulich, weil sich junge Menschen wieder mehr mit der Musik identifizieren. Sie haben eine Platte in der Hand, können sie auf einen Plattenspieler legen und das Cover-Artwork genießen.

Sonst hat Musik ja für junge Menschen viel von ihrer Bedeutung verloren.

Die Verringerung der Wertigkeit hat in den 1990er Jahren mit der Einführung der CD begonnen. In Sachen Haptik, und weil man mehr Songs draufpacken konnte als auf eine Schallplatte. Aber mehr Masse bedeutet bekanntlich nicht immer mehr gute Songs. Und jetzt sind 200 Millionen Songs im Internet jederzeit aufrufbar. Das Ganze wurde dann völlig unüberschaubar, selbst für Menschen, die sich tagtäglich und beruflich mit Musik auseinandersetzten. Ich seh alles und gleichzeitig nichts. Das ist wie ein Besuch im Baumarkt: Wenn man dort nicht arbeitet, verliert man schnell den Überblick. Guidance ist also immer noch ein großes Thema.

Sollte man jungen Künstlern überhaupt noch raten, zu einem Major Label zu gehen?

Ich habe immer wieder Bands geraten, nicht bei einem Major Label zu unterschreiben. Denn spätestens in einem Jahr würden wir dann wieder zusammensitzen und beide Seiten wären unzufrieden. Wenn sich so große Tanker wie Universal in Bewegung setzen, dann verschlingt das viel Geld. Wenn man aber zum richtigen Zeitpunkt mit dem richtigen Song, richtigem Album den Hebel von Major Labels umlegt, dann kann das enorm viel bewirken. Das sind Vorteile, die einem Indielabels nur schwer bieten können. Aber diese aktuell noch vorhandenen Verträge von Major Labels haben ein Ablaufdatum. Immer weniger Artists werden einsehen, warum das Label den größeren Anteil der Streaming-Einnahmen bekommen soll.

Kommt also ein Umbruch bei der Musikervermarktung?

Ich halte die nächsten zwei, drei Jahren für die spannendsten seit langem, wie in Tagen großer Umbrüche üblich. Weil ein bereiteres musikalisches Schaffen bemerkbar ist, und eine spielerische Selbstverständlichkeit, die fast an die Tage des Punk erinnert. Nach dem Motto: Ich mache einfach, stelle den Song selbst auf die digitalen Plattformen und vermarkte mich via Facebook, Hypemachines, etc. Wenn man weiß wie, dann kann das auch klappen. Da könnte Spotify zum Beispiel auch auf die Idee kommen, vom Künstler, der seine Streamingrechte noch keinem Label gegeben hat, diese direkt zu lizensieren.

Ist das Ihr nächstes Projekt?

Bis September hab ich mal große Ferien. Aber grundsätzlich: Es gibt noch ein paar Menschen mit Lust auf Neues in meinem Freundeskreis, die auch sehr feines Know-how und gute Kontakte haben – etwa Alexander Koppel, der sich gerade vom RedBull Mediahouse verabschiedet hat. Mit diesem Setup werden wir in Zukunft vornehmlich internationale Projekte realisieren.

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