Gestellte Wirklichkeit: Unsere Bilder aus dem Ersten Weltkrieg
Die österreichisch-ungarischen Soldaten posieren. Sie halten gegnerische Geschosse, die beim Angriff nicht explodiert sind – fast spielerisch werden sie präsentiert, um die eigene Übermacht zu zeigen. Fotos wie dieses waren im Ersten Weltkrieg keine Seltenheit. "Vor allem ab 1916 wurde die Fotografie als Propagandamittel entdeckt", erklärte der Fotohistoriker Anton Holzer gegenüber der APA.
Ab den Jahren 1916/17 wurden in allen kriegsführenden Staaten Institutionen zur Produktion und Koordination von Kriegspropaganda eingerichtet; in Österreich-Ungarn entstand das k.u.k. Kriegspressequartier.
Bilder aus dem Ersten Weltkrieg
"Sammlung, Zensur und Verteilung" beschreibt Holzer die Aufgaben dieser Organisationen. Denn es gab klare Regeln, was abgelichtet werden durfte und was nicht. "Große Geschütze, militärische Stützpunkte oder Flugzeuge waren tabu", schildert der Fotohistoriker, der für seine Publikation Tausende Kriegsfotografien gesichtet hat. Auch Fotos von den eigenen Toten gibt es so gut wie gar nicht, dafür viele Aufnahmen aus dem Hinterland und der einheimischen Zivilbevölkerung.
Mit Zeichnungen näher an die Wirklichkeit
Bereits vor dem Ersten Weltkrieg war die Fotografie durchaus verbreitet. "Aber erst im Kriegsverlauf gewann sie ihre öffentliche Funktion und Bedeutung", schilderte Holzer. In den Anfangsjahren des Krieges verließen sich die illustrierten Wochenzeitungen vor allem noch auf Zeichnungen und Graphiken. "Man glaubte, damit näher an die Wirklichkeit heranzukommen." Auch der österreichische Kaiser Karl I. nutzte die Wirkung der Fotopropaganda exzessiv: Beinahe rund um die Uhr wurde er von einem Presseteam begleitet. Die Fotos erschienen schon wenige Tage später in den Illustrierten.
Fotografen, Kameraleute – oft in Personalunion – und Journalisten sahen die Front zu Beginn des Krieges kaum. Ihre Berichte fertigten sie weit hinter den Linien nach den Erklärungen der Heerführung an. "Das Militär hoffte, die Informationen auf diese Art besser kontrollieren zu können", erklärte der Fotohistoriker. Erst nach und nach setzte sich die Fotografie durch, immer mehr Fotografen befanden sich nun mitten im Geschehen, bis die Fotografie schließlich zum dominanten Medium wurde.
Bilder als Propaganda
Denn die militärische Führung hatte erkannt, wie gut sich Bilder als Propaganda eigneten. "Die meisten Kampfbilder aus dem Ersten Weltkrieg sind gestellt. Es sind aber genau diese Szenen, die wir als typische Kriegsbilder bis heute in den Köpfen haben", erklärte der Fotohistoriker. Die Fotografen nahmen diese Bilder meist bei Übungen im Hinterland auf. Schnappschüsse von Kämpfen gibt es jedoch kaum, die offiziellen Fotografen arbeiteten zudem hauptsächlich mit Stativen. Fotografiert wurden gerne siegreiche Szenen, die eigenen technischen Errungenschaften wie etwa Brücken oder Kriegsgefangene in Lumpen, um die Unzivilisiertheit des Gegners darzustellen.
Manche gestellte Kriegsszenen entstanden erst in der Nachkriegszeit: "Was heute als authentisch gilt, ist oftmals in den 1920er Jahren für Spielfilme entstanden", erzählte Holzer. Erst in den letzten Jahren steige dass Bewusstsein, dass es "die authentischen Kriegsbilder" gar nicht gebe.
Kriegsfotograf als privilegierte Position
"Der Beruf des offiziellen Kriegsfotografen war eine privilegierte Position, eine Art Überlebensgarantie", meinte Holzer, der sich auch mit ausgewählten Fotografen-Biografien auseinandergesetzt hat. Weltkriegsfotos stammen allerdings nicht nur von professionellen Fotografen: Auch viele private Amateure zogen mit der eigenen Kamera ins Feld. "Es gab eigene kleine Apparate, die als kriegstauglich angepriesen wurden", so Holzer. Auch die leichten Rollfilme waren bereits erfunden. Während sich die Profis mit schweren Glas-Negativplatten quälten, entstanden unzählige private Fotografien.
INFO: Anton Holzer (Hg.): "Die letzten Tage der Menschheit. Der Erste Weltkrieg in Bildern", Primus Verlag 2013, 144 Seiten, 30,80 Euro. Buchpräsentation am 26. November, 19.00 Uhr, Lesesaal der Wienbibliothek, Rathaus, 1010 Wien.
Zum ersten Mal in der Geschichte wurde die Zivilbevölkerung total in den Krieg einbezogen und mobilisiert. So sollte sie nicht nur Waffen produzieren, sondern die Truppen auch moralisch unterstützen. Doch Tod, Hunger und Entbehrung trübten die Stimmung. Wir haben einige Eindrücke aus den Jahren 1914 - 1918 für Sie gesammelt.
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