Film "Desert Kids": "Mit Radikalismus nichts am Hut"

desert kids
In "Desert Kids" wollte der österreichische Regisseur "den Nahost-Konflikt beiseitelassen".

Von Gabriele Flossmann

Er ist so etwas wie ein Guerillakämpfer des österreichischen Kinos: Der Regisseur Michael Pfeifenberger (51). Sein Essayfilm über die morbide Welt des Kärntner Schriftstellers Josef Winkler "Der Kinoleinwandgeher" (2008) brachte ihm internationale Festivalerfolge.

Sein neuester Film, der jetzt im Kino zu sehen ist, heißt "Desert Kids" und spielt in der Wüste Negev im Süden Israels. Eine Welt der Gegensätze und Extreme und Heimat zweier unterschiedlicher – um nicht zu sagen verfeindeter – Kulturen.

Film "Desert Kids": "Mit Radikalismus nichts am Hut"
desert kids. regisseur michael pfeifenberger
KURIER: Sie haben sich in einer Reihe von Filmen mit jüdischen Themen auseinandergesetzt. Wie kommt das?

Michael Pfeifenberger: Das hat viel mit meiner Jugend in Salzburg zu tun, denn in meiner Schule hatte der Geschichtsunterricht mit dem Kampf um Stalingrad aufgehört. Meine Mutter hat mir dann geraten, mir die Serie "Holocaust" anzuschauen, die damals bei uns im Fernsehen lief. Ich war entsetzt, was ich da zu sehen bekam, und seither haben mich die Themen Holocaust und Judentum nicht mehr losgelassen. Für die Verbrechen, die meine Großeltern in dieser Zeit vielleicht begangen haben, kann ich nichts – aber ich fühle als Österreicher die Verantwortung, die Erinnerung daran lebendig zu halten.

"Desert Kids" ist in diesem Sinne erstaunlich friedfertig.

Ich wollte den Nahost-Konflikt beiseitelassen, weil er immer wieder missbraucht wird für Ressentiments – nicht nur gegen Israelis, sondern gegen Juden im Allgemeinen. Nach dem Motto: Ich habe ja nichts gegen die Juden, aber schaut einmal hin, was sie in Israel machen.

Wie kam es zu Ihrem Nahverhältnis zu Israel?

Sie haben in der Cinemathek in Tel Aviv meine Filme gezeigt und dann ist plötzlich Micha Shagrir auf mich zugekommen, der an die hundert Filme gedreht hat und heute noch als "israelischer Fellini" bezeichnet wird. Er war gebürtiger Linzer und hatte mit seiner Familie den Holocaust überlebt. Er war einer der Kibbuznik-Pioniere im Negev und hat mir die Schönheit dieser Wüste nahegebracht. Der Film "Desert Kids" war das letzte Projekt, an dem der 2015 verstorbene Filmemacher noch mitwirken konnte.

Ist es für einen Österreicher schwierig, in Israel zu drehen?

Bei den jüdischen Israelis war am Anfang große Distanz, was natürlich mit unserer Geschichte zu tun hat. Man wird zunächst einmal taxiert, ob man als Freund oder Feind gekommen ist.

Und wie war der Kontakt zu den Jugendlichen, die in "Desert Kids" zu Wort kommen?

Die Kinder der palästinensischen Beduinen sind natürlich sehr geprägt vom traditionell patriarchalischen Ordnungsprinzip ihrer Kultur und Religion – und bei den jüdischen Jugendlichen kommt dazu noch die Ausbildung durch das Militär.

In Ihrem Film wird die derzeitige politische Situation Israels nur sehr am Rande thematisiert – warum?

Ich wollte nicht einen von vielen Filmen über den Nahost-Konflikt machen, sondern einmal zeigen, dass es auf muslimischer wie auch auf jüdischer Seite junge Menschen gibt, die sich trotz aller Konflikte als Israelis fühlen und mit Radikalismus nichts am Hut haben. Auf diese Stimmen sollte man viel mehr hören.

Wie kann man Filme wie die Ihren, die so weit außerhalb des Mainstreams liegen, überhaupt finanzieren?

Ich muss den österreichischen Förderstellen danken, dass sie Außenseiter wie mich zulassen. Am Anfang habe ich versucht, meine Filme als "independent Filmmaker" zu finanzieren, aber das ist eine mehr als harte Schule. Die Themenwahl ist mir nach wie vor wichtig, aber ich muss gestehen, dass ich schon gerne einmal eine Mischform aus Mainstream und Arthouse-Kino machen würde.

Was hält Sie zurück?

Solche Filme sind teuer. Und da muss ich erst lernen, bei diversen Geldgebern Klinken zu putzen und ihnen – wenn nötig – in den A... zu kriechen. Aber vielleicht gelingt mir das eines Tages.

Gibt es für Sie ein Vorbild für eine gelungene Mischung aus Mainstream- und Arthouse-Kino?

Für mich war das "American Beauty" (Regie: Sam Mendes, mit Kevin Spacey, Anm.).

Höre ich da den Wunsch heraus, einmal in Hollywood das Glück zu versuchen?

Nein! In Amerika würde ich jetzt nicht arbeiten wollen.

Also schwebt Ihnen wohl eher eine Art "Austrian Beauty" vor?

Ja! Und an so etwas arbeite ich gerade. Gemeinsam mit dem Schriftsteller Josef Winkler schreibe ich an einem Drehbuch, das auf seinem Roman "Die römische Novelle" basiert. Der nächste Schritt wird sein, die österreichische und die italienische Filmförderung zu überzeugen, dass daraus ein toller Neoverismo-Film entstehen kann. Eine "Mamma Roma" (Regie: Pier Paolo Pasolini, 1962, Anm.) im Stil von 2017/’18.

Noch eine Frage zu Österreich, wo sie ja 2010 die Dystopie "Todespolka" gedreht haben. Sie zeigen in diesem Film, was passieren könnte, wenn eine rechte Regierung an die Macht kommt.

Damals hat man mir die hölzernen und schlechten Dialoge der Politikerfiguren vorgeworfen – dabei waren sie alle wörtlich von Reden und Plakat-Slogans rund um die schwarz-blaue Regierungsbildung übernommen. Die Frage, die ich mit diesem Film stellen wollte, war: Was wäre gewesen, wenn man diese Parolen, die ja zum Teil in den jüngsten Wahlkämpfen wieder hervorgeholt wurden, damals schon kritischer hinterfragt hätte?

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