Statt Skandal ein Schläfchen

Statt Skandal ein Schläfchen
Kritik: Das Unbeschreibliche, hier ist's nicht getan. Peter Konwitschny inszeniert Faust I und II in Graz.

Er erwarte sich, dass mindestens ein Viertel des Publikums türenschlagend den Saal verlassen werde, sagte Peter Konwitschny vorab im KURIER-Interview.

Dem war nicht so.

Entweder, weil die Zuschauer zu ermattet waren, um von den Sitzen aufzustehen. Oder, weil sie doch noch auf die Sensation, den Skandal warteten. Der kam nicht. Bis zum Schluss nicht. Und die Augenlider wurden schwerer und schwerer.

Starregisseur Konwitschny inszenierte also am Schauspielhaus Graz Faust I und II. Als Faust hatte er sich Jan Thümer gewünscht, der daraufhin dreieinhalb Stunden lang seine Stimme zwischen plärren, brüllen und berserkern modulierte.

Der Rest des Ensembles (bis auf die positiv hervorzuhebenden Claudius Körber als Wagner, Thomas Frank als Kaiser und Birgit Stöger als Helena), im Verse sprechen nicht versiert, plagte sich durchs Goethe’sche Zitatenschatzkästlein. Weltklasseschauspieler Udo Samel als Mephisto wurdezum Solitär.

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Faust

Damit was weitergeht

Er, zunächst im Publikum sitzend, war übrigens der erste und einzige, der sich laut über die Fadesse beschwerte, und die Bühne erklomm: „Damit da oben mal was weiter geht.“

An der Tragödie erstem Teil hatte Konwitschny aber ohnedies kaum Interesse. Routiniert wie bei den Sommerspielen Bad Pöblinghausen spulte er die Vernichtung Margarethens (nichtssagend: Katharina Klar) ab. Ohne Frau Marthe, ohne Valentin, egal, am Ende war auch so alles hin. Selbst die Reader’s-Digest-Fassung ist vermutlich länger.

Teil zwei geriet dafür zur peinlichen Burlesque-Show. Erst am Kaiserhof – ein riesiges Hochbett – wo Faust als Heilmittel gegen die leere Staatskasse das Falschgeld erfindet. Und Konwitschny zur allgemeinen Freude ein paar Feuerwerkskörper steigen und explodieren lässt.

Dann im Bordell, das (warum?) in Las Vegas stand, wo Elvis mit Frankenstein tanzte, und schließlich in Gizeh landete. Und der Homunculus in Form eines Computer-Tablets auch schon mit dabei ist. Das Ganze: eine riesige Alt-Herren-Sexfantasie mit masturbieren, kopulieren, heißen Goldhöschen, viel falschem Busen und nackten Frauenschößchen.

Hat das einmal jemanden aufgeregt? Doch! Das war im Jahre anno 19...

Dann kam noch schnell die Helena, zuerst als Leinwand füllendes Foto von Diane Kruger aus der Hollywoodschmonzette „Troja“, später live mit Faust, Mephisto, Ikeamöbeln und Billasackerln im Plattenbau (zum Thema Gesellschaftskritik lesen Sie mehr am Ende des Textes).

Gott ist ein Berliner

Zum Zeitpunkt, als Faust zwecks Landgewinnung Philemon und Baucis abfackelt, war das Publikum längst in Duldungsstarre verfallen.

Dass Faust aber alle seine Sünden vergeben werden, war da schon wurscht.

Ach ja, dass ich’s nicht vergesse, die Gesellschaftskritik: Die ganze Zeit über stand an einem Tischchen am Bühnenrand ein gewisser Ahne, laut Programmheft ein Berliner Offset-Drucker und Alltagsphilosoph und telefonierte mit Gott.

Über Gott und die Welt. Also, darüber, dass der reale Sozialismus gegen den Kapitalismus keine Chance hatte, Karl Marx kein Marxist war, aber das, was heute in Politik und Finanzwelt so abläuft, auch alles Schrott ist.

So konnte man von diesem Abend eine Erkenntnis mit nach Hause nehmen: Nicht nur John F. Kennedy, ooch Jott is een Berliner.

KURIER-Wertung: ** von *****

 

St. Pölten gegen Graz: ein klares 1:0

Elfriede Jelinek schrieb mit „FaustIn and out“ eine geistreiche, wortwitzige Fortsetzung des Goethe-Dramas. Auch, wenn die Kellerthematik natürlich ein perverses Extrem ist, zeigt Jelinek doch, wie wenig weit die Emanzipation seit der Hinrichtung Gretes fortgeschritten ist. Wenn sich zwei Männer gegen sie verschwören, kann Frau einpacken. Ein exzellentes Ensemble setzt die Idee toll um.

Peter Konwitschny scheitert an seinem Anspruch, aus dem Faust „das Heutige“ zu destillieren. Wer zu viel will, bleibt oft im Wollen stecken. Über die Rampe kommt weder Geist, noch Witz, noch Emotion. Ein Versuch, der – pardon – voll in die Hose ging.

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