"Eine Verpflichtung gegenüber Japan"

"Eine Verpflichtung gegenüber Japan"
Philharmoniker-Vorstand Hellsberg über eine Wiener Premiere und die erste Reise nach Japan seit der Atom-Katastrophe.

Rund 50 Konzerte spielen die Wiener Philharmoniker alljährlich im Ausland, zurzeit ist ihre Reisetätigkeit besonders intensiv. Eben erst von einer kleinen Tournee (Montreux, Lausanne, Bukarest) zurückgekehrt, fliegen die Musiker schon am Sonntag nach Australien, dann weiter nach Hongkong und Macau und schließlich zur "Philharmoniker-Woche in Japan" - die ersten Auftritte in diesem Land seit der Atom- und Umweltkatastrophe.

Ein anderer österreichischer Klangkörper, das Mozarteumorchester, geriet im Rahmen seiner Japan-Tournee in den Taifun "Roke": Trotz Windstärken von bis zu 200 km/h fand im Opera City Center ein Konzert statt - 150 Besucher hatten sich trotz Stillstandes des öffentlichen Verkehrs zum Haus durchgekämpft. Das Mozarteumorchester kommt am Wochenende nach Salzburg zurück. Die Wiener Philharmoniker sind fast vier Wochen lang auf Reisen, während in Wien der reguläre Staatsopernbetrieb freilich weiterläuft. Am Samstag (11 Uhr) kommt es hier sogar zu einer Premiere.

KURIER: Zum ersten Mal gibt es "Philharmonische Kammermusik-Matineen" in der Staatsoper. An zehn Terminen präsentieren Musiker der Wiener Philharmoniker in wechselnden Ensembles Kammermusik im Mahler-Saal. Wie kam es dazu?
Clemens Hellsberg: Wir hatten die Idee einer philharmonischen Kammermusik-Reihe schon seit einiger Zeit. Die Initiative kam von ein paar Primgeigern: Günter Seifert, Milan Šetena und Andreas Großbauer. Staatsoperndirektor Dominique Meyer war davon sofort angetan. Er ist ja seit jeher ein großer Liebhaber und Förderer der Kammermusik.

Meyer ist nun ein Jahr im Amt. Wie hat sich das Verhältnis zwischen Orchester und ihm seither entwickelt?

Es gibt endlich eine Symbiose zwischen der Staatsoper und den Philharmonikern. Man muss sich nicht mehr irgendwie arrangieren, sondern jeder weiß um seine eigenen künstlerischen Aufgaben und die des anderen Bescheid und versucht, diese optimal zu verwirklichen. Es wird auch gemeinsame Projekte im Ausland geben.

Am Sonntag wird ein Teil des Orchesters schon Richtung Australien fliegen und in weiterer Folge auch nach Japan. Bei anderen Orchestern gab es heftige Diskussion, ob man nach der Atomkatastrophe überhaupt dorthin reisen solle. Man hört, dass manche sogar mit Catering von Europa aus verpflegt werden, für andere soll ein eigenes Flugzeug zur ständig möglichen Abreise bereitstehen. Wie ist die Entscheidung für die Japan-Reise bei den Philharmonikern gefallen?
Wir haben intern intensiv diskutiert und noch vor dem Sommer Einigkeit erzielt, dass das Orchester die Reise antritt. Wir haben fünf hochkarätige Fachleute, von Wolfgang Kromp über Gerhard Wotawa von der Hohen Warte, Bundesheer-Experten bis zu Katharina Horak aus Seibersdorf eingeladen, Risiken und Fakten vor den Musikern darzustellen. Auf Basis dieses wissenschaftlichen Bildes haben wir dann die Entscheidung getroffen.

In welchen japanischen Städten gibt es Konzerte?
In Yokohama, Tokio, Hiroshima und Nagoya. Insgesamt acht in sieben Tagen.

Warum ist gerade diese Reise so bedeutend?
Was die Menschen in Japan vielleicht am meisten brauchen, ist, dass sie jetzt nicht alleine gelassen werden. Wir haben diesem Land gegenüber auch eine große Verpflichtung. Japan ist mit seinem Interesse, seiner Leidenschaft für die klassische Musik insgesamt von zentraler Bedeutung. Für uns ist es bereits die 29. Tournee. Seit 1956 haben wir 257 Konzerte in Japan gespielt. Heuer kommen wir mit Christoph Eschenbach als Dirigent und mit den Solisten Matthias Goerne und Lang Lang. Schon im Vorfeld haben wir ja Konzerte im Gedenken an Japan gespielt, und die Einnahmen aus dem Mahler-Konzert in der Staatsoper kamen der Japan-Hilfe zugute.

Die Philharmoniker wurden heuer in Salzburg von Kritik und Publikum besonders gefeiert. Wie empfanden Sie die einzigen Festspiele unter der Intendanz von Markus Hinterhäuser?

Es war ein idealer Sommer. Es hat sich bewährt, dass man nicht zwingend an heiligen Kühen festhält, dass wir etwa immer alle Da-Ponte-Opern spielen müssen. Die Breite des heurigen Repertoires, von Mozart bis Janacek, von Verdi bis Strauss, entspricht unseren gewohnten Anforderungen in der Staatsoper. In Salzburg waren die richtigen Stücke mit den richtigen Dirigenten besetzt. Und auch die Konzerte waren einzeln und gesamtdramaturgisch überzeugend. Markus Hinterhäuser hat mit nur einer Saison einen Meilenstein gesetzt. Und die Basis und das nötige Selbstbewusstsein für seine künftigen Aufgaben geschaffen. Bei ihm verbinden sich Verständnis für die Künstler und ein ungeheures Wissen.

Kammermusik: Morgen, Samstag (11 Uhr), beginnt im Mahler-Saal der Staatsoper der neue Zyklus "Philharmonische Kammermusik-Matineen". Zum Auftakt gibt es das Klavierquartett in g-Moll von Brahms und Schuberts "Forellenquintett".
Orchester: Am Sonntag fliegen die Wiener Philharmoniker auf Konzertreise nach Australien und Asien (u. a. Japan) - mit Dirigent Christoph Eschenbach und den Solisten Matthias Goerne und Lang Lang. Die Tournee dauert bis 20. Oktober.

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