Don Lorenzo lernt: Trinken ist ein Privileg

Laurie Lee
"An einem hellen Morgen ging ich fort": Laurie Lee (1914 - 1997)

Valladolid überraschte.

Laurie Lee wollte in dieser nordspanischen Stadt, in der Kolumbus gestorben war, die Erlaubnis einholen, auf der Straße musizieren zu dürfen.

"Wo ist der Bürgermeister?" – "Im Irrenhaus." – "Der Arme!" – "Wieso der Arme? Er ist glücklich. Er bekommt den ganzen Tag Kekse und Schokolade und bunte Wolle zum Spielen ..."

Wanderschaft

"An einem hellen Morgen ging ich fort" überrascht. Es ist ein Reisebuch über eine Zeit, in der selten gereist wurde – und in dem die Jugend ihre Freiheit feiert.

Laurie Lee verließ als 18-Jähriger das Dörfchen Slad in der Grafschaft Gloucestershire. Er nahm seine Fidel mit, um auf Wanderschaft Geld fürs Essen und Übernachten zu verdienen.

Zuerst ging er nach London, danach marschierte er durch Spanien – wo er (in Madrid) erfuhr: Saufen muss ja gar nicht, wie es auf dem Land so oft miterlebt hat, Selbstmord auf Raten sein.

Es gehört eine Mahlzeit dazu, Hummer oder Schnecken oder Lamm. Dann wird das Trinken zu einem Privileg des Lebens.

So wurde Laurie Lee zu Don Lorenzo Lee erzogen, und nachdem er seine naive Reise nach zwei Jahren ausgerechnet 1936 zu Beginn des Bürgerkriegs beendete hatte, war der Engländer über sich selbst derart entsetzt. Er begab sich deshalb sofort noch einmal nach Spanien – diesmal im Kampf gegen Franco.

Das Buch wurde mehr als 30 Jahre danach geschrieben. Es erschien 1969. Laurie Lee hatte der "großen Welt" den Rücken gekehrt. Er saß wieder im Dörfchen Slad. Lyriker war er, Drehbuchautor und durch den ersten Teil seiner Autobiografie eine englische Berühmtheit.

Wassersterne

Von "Cider mit Rosie" (1959) wurden bis heute sechs Millionen Exemplare verkauft.

Die Erzählung der Kindheit mit dem Kohlstrunk-Charlie, der das Gemüse als Waffe schwang und jeden zum Zweikampf aufforderte, sind ein Gedicht gewissermaßen. Aber "An einem hellen Morgen ging ich fort" erregt – trotz herrlicher Fülle an Geschichten – Widerspruch:

Laurie Lee fand alles schön und nett, selbst die schlimmste Armut.

Außerdem sprüht ein Schluck Mineralwasser wie "gefrorene Sterne " und "die Gezeiten des Atlantiks spießen die angelhakenförmige Bucht auf".

Das muss man mögen. Muss man?

Laurie Lee:
„An einem hellen Morgen ging ich fort“
Übersetzt von Vanessa Wieser.
Nachwort von Robert Macfarlane.
Milena Verlag. 280 Seiten. 23,90 Euro.

KURIER-Wertung: *** und ein halber Stern

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