Dudamel: "Jetzt bin ich eben der Tom Cruise"

„Turandot“ in der Regie und Ausstattung von Marco Arturo Marelli: Lise Lindstrom (Turandot), Yusif Eyvazov (Kalaf), Anita Hartig (Liù, v. li.)
Mit der Premiere von Puccinis "Turandot" gibt der venezolanische Dirigent sein Staatsopern-Debüt.

Wenn sich am Donnerstag der Vorhang zur Premiere von Giacomo Puccinis "Turandot" hebt, werden die Augen des Publikums wohl auch immer wieder auf den Orchestergraben gerichtet sein. Dort waltet dann nämlich Gustavo Dudamel – einer der angesagtesten Dirigenten der Gegenwart gibt damit sein Debüt an der Wiener Staatsoper.

"Es ist schön, an diesem Haus zu sein und mit diesen wunderbaren Menschen arbeiten zu dürfen", so der 35-Jährige. "Ich mag die Atmosphäre hier, und wir geben alle unser Bestes. Jeder macht einen tollen Job. Jetzt werden wir dann sehen, wie das Ganze funktioniert."

Monument

Dass Dudamel ausgerechnet mit "Turandot" sein Wiener Debüt gibt, freut den aus dem Musikprojekt El Sistema hervorgegangen Maestro sehr. Denn: ",Turandot‘ ist eines meiner absoluten Lieblingswerke, allein schon wegen der großen Chöre. ,Turandot‘ ist sicher eines der größten Monumente der Musikgeschichte."

Dudamel: "Jetzt bin ich eben der Tom Cruise"
ABD0023_20160422 - WIEN - ÖSTERREICH: Dirigent Gustavo Dudamel am Donnerstag, 21. April 2016, im Rahmen eines Roundtable-Interviews in der Staatsoper in Wien.. .. . - FOTO: APA/GEORG HOCHMUTH
Wie aber geht man mit dem fragmentarischen Charakter dieser Oper – Puccini starb, ehe er "Turandot" vollenden konnte – um? "Wir haben uns für den klassischen Schluss von Franco Alfano entschieden, weil er die Geschichte gut zu Ende erzählt", so Dudamel. Nachsatz: "Außerdem: So viele verschiedene Endfassungen haben wir auch wieder nicht zur Wahl", meint der Musikdirektor des Los Angeles Philharmonic Orchestra.

In Los Angeles hat der viel beschäftigte Künstler seinen Vertrag vor kurzem bis 2021 verlängert, "um Kontinuität in mein Leben zu bringen". "Ich dirigiere sehr viel, aber es ist schon wesentlich weniger als noch vor einigen Jahren. Vor allem bei Opern lasse ich mir Zeit. Ich bin ein symphonischer Dirigent und kann eine Oper nicht in kurzer Zeit lernen und die jeweils richtige Atmosphäre kreieren. Daher: Nicht 1000 Opern pro Jahr, sondern immer nur eine neue pro Saison."

Titel hat Dudamel, der gleich nach "Turandot" auch Bernsteins "West Side Story" bei den Salzburger Pfingstfestspielen dirigieren wird, genug auf Lager. "Otello", "Tosca" und auch "Fidelio" stehen auf der Agenda, wobei es Dudamel vor allem "Fidelio" angetan hat. "Das ist eine Oper, die ich schon als Kind geliebt habe." Und einen Komponisten verehrt Dudamel: "Jeder Dirigent träumt davon, eines Tages Wagners ,Ring‘ machen zu dürfen."

Mission Possible

Ein anderer Traum geht am 1. Jänner 2017 in Erfüllung, wenn Dudamel das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker leiten wird, was "eine große Ehre" sei. Zuvor aber gilt es, "Turandot" umzusetzen. Dudamel: "In ,Mission Impossible 5‘ liefert sich Tom Cruise in der Staatsoper zu Klängen aus ,Turandot‘ eine wilde Verfolgungsjagd. Jetzt bin ich eben der Tom Cruise. Und ,Turandot‘ ist keine ,Mission Impossible‘."

Marco Arturo Marelli und Puccinis "Turandot" – das ist ein fast unendliche Geschichte. Zum bereits fünften Mal setzt Marelli dieses Werk in Szene. Nach Bremen, Stockholm und – in kurzen Abständen Graz und Bregenz – "ist die Wiener Produktion wohl meine letzte Beschäftigung mit dieser Oper", so Marelli. Er spricht künstlerisch von einer "kontinuierlichen Weiterentwicklung".

Dudamel: "Jetzt bin ich eben der Tom Cruise"
ABD0015_20160422 - WIEN - ÖSTERREICH: Regisseur Marco Arturo Marelli am Donnerstag, 22. April 2016, im Rahmen eines Roundtable-Interviews in der Staatsoper in Wien. . . .. . - FOTO: APA/GEORG HOCHMUTH
Was Marelli an "Turandot" interessiert? "Puccini hat hier die letzte große italienische Oper geschaffen. Und ich sehe das Ringen Kalafs um die Liebe Turandots auch als das Ringen Puccinis mit dieser Oper. Ich möchte in meiner Inszenierung auch biografische Bezüge herstellen, aber ohne Puccini als Figur tatsächlich auftreten zu lassen. Das wäre zu billig."

Und noch etwas reizt den Regisseur, der in der kommenden Spielzeit am Ring mit Debussys "Pélleas et Melisande" seine "absolute Lieblingsoper" inszenieren wird: "Die psychologische Komponente ist mir bei ,Turandot‘ wichtig. Immerhin verhandelt Puccini wieder sein Leibthema: Die Liebe, die sich in fast allen italienischen Opern nur im Tod, in der Transzendenz erfüllen kann. Turandot ist eine Ausnahme, eine Frau, die bewusst nicht lieben will. Diesen Aspekt finde ich spannend, zumal ,Turandot‘ eigentlich ein intimes Kammerspiel ist. Das wird man bei uns auch sehen."

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