Dinge auf Wanderschaft

Nathalie du Pasquier, Kunsthalle Wien, Honorarfrei bei Berichterstattung
Ein hintergründiger Spaß: Die große Werkschau von Nathalie du Pasquier in der Kunsthalle Wien

„Was mich an der Kunstwelt langweilt, ist der Mythos, dass Kunst so wertvoll ist und so teuer sein muss. Kunst ist einfach das, was man tut.“

Dieses Zitat von Nathalie du Pasquier, das sich in einem schmalen Begleitheft findet, ist symptomatisch für die Leichtigkeit, die ihre Werkschau „Big Objects Not Always Silent“ atmosphärisch durchzieht. Es ist eine im besten Sinn niedrigschwellige Ausstellung – die Erklärungen, ohne die man sich in anderen Präsentationen öfters alleingelassen fühlt, fehlen hier keineswegs: Man darf schauen, assoziieren, sich bewegen, wie es beliebt.

Perspektivenwechsel

Dinge auf Wanderschaft
Porträt Nathalie Du Pasquier, Foto: Adriana Glaviano HONORARFREI IM ZUSAMMENHANG MIT AUSSTELLUNG
Das bedeutet nicht, dass die Frage nach künstlerischen Kategorien und nach der „richtigen“ Perspektive in der Schau, die mit ihren Teppichen, Tapeten, Sofas und Sitzbänken wie eine große Wohnlandschaft anmutet, irrelevant wäre: Du Pasquier, die von 1980 bis 1987 als Mitglied des Mailänder Kollektivs „Memphis“ mit Ettore Sottsas die bunte Welt des postmodernen 80er-Jahre-Designs mitdefinierte, hat sich ganz bewusst an den Schnittstellen kreativer Genres niedergelassen.

In der Welt, die im Erdgeschoß der Kunsthalle im MuseumsQuartier ausgebreitet ist, wandern Formen und Objekte kreuz und quer durch alle Medien und Zustände: Ein Kaffeehäferl etwa, eben noch ein „nützliches Objekt“, wird in absurden Übereinanderstapelungen zu einer Säule oder einer Skulptur, dann wieder zum Motiv eines zweidimensionalen Gemäldes. An Trinkgläsern scheint die Künstlerin vorrangig wegen ihrer optischen Eigenschaften interessiert zu sein – etwa, wenn sie die Aufgabe meistert, den Blick auf eine Tischkante durch ein gefülltes Glas hindurch exakt wiederzugeben.

Umgekehrt treten in du Pasquiers Welt abstrakte Formen – Gitter, Dreiecke, Kreise – aus der Zweidimensionalität hervor, werden zu Teilen von Möbeln oder Skulpturen, um dann wieder als Motive in Gemälden Schatten zu werfen oder sich mit anderen Dingen zu überlagern.

Baukasten-System

Dinge auf Wanderschaft
Nathalie du Pasquier, Kunsthalle Wien, Honorarfrei bei Berichterstattung
Die Bausteine von du Pasquiers Welt erscheinen bald wie Bekannte, ihre Bedeutung ändert sich aber je nach Umfeld. Mit der kunsthistorischen Brille betrachtet, lösen sie reichlich Assoziationen aus: El Lissitzkys Konstruktionen, die „De Stijl“-Bewegung, Giorgio de Chiricos surrealistische Bilder und Francis Picabias Maschinen-Porträts haben in du Pasquiers Universum ebenso Platz wie Giorgio Morandis Stillleben, mexikanische Wandgemälde und afrikanische Stoffmuster. Auch der Konnex zu Franz West, der selbst Werke für ein Memphis-Nachfolgeprojekt entwarf, liegt nah.

Bei du Pasquier beeindruckt nicht zuletzt auch die handwerkliche Sorgfalt, mit der sie Einflüsse in ihre eigene Welt überführt – von der Beliebigkeit, die so gern an das Wort „postmodern“ angehängt wird, ist weit und breit nichts zu sehen. Sehr wohl spürbar ist aber eine inspirierende Begeisterung für „das, was man tut“ – was immer „das“ auch sein mag.

Info: Bis 13.11.

Nathalie du Pasquier, 1957 in Bordeaux geboren, lebt seit 1979 in Mailand. 1980 war sie an der Gründung des stilprägenden Designer-Kollektivs „Memphis“ beteiligt. Nach dessen Zerfall 1987 definierte sie sich primär als Malerin. Die Schau „Big Objects Not Always Silent“ ist die erste große Ausstellung du Pasquiers in einer internationalen Kunst-Institution. Im Rahmenprogramm wird u.a. ein Siebdruck-Workshop angeboten, am 2.10. hält die Künstlerin selbst einen Vortrag.

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