Der kleine grüne Kaktus im Volkstheater

Der kleine grüne Kaktus im Volkstheater
Kritik: Das Volkstheater versucht sich an den "Comedian Harmonists" – und reißt das Publikum von den Sitzen.

Am Wiener Volkstheater hat man’s gewagt und gewonnen. Schon in anderen Produktionen, von "Fledermaus" bis "Dreigroschenoper", bewies das Ensemble hohe Musikalität. Nun fanden sechs Herren zusammen, um die kurze, aber intensive Erfolgsgeschichte der ersten deutschen "Boy Group" (1927 bis1935) nachzubauen.

Gleich zwei Regisseure brauchte man, um das Buch von Gottfried Greiffenhagen (musikalische Einrichtung: Franz Wittenbrink) zum Stück zu verarbeiten. Hausherr Michael Schottenberg war am Werk, und Marcello de Nardo, der gleichzeitig den melancholischen, das Kommende prophetisch ahnende Gruppengründer Harry Frommermann spielt.

Der in Musikfragen fürs Volkstheater unverzichtbare Patrick Lammer sorgte auch diesmal für die Einstudierung der Ohrwürmer – und singt sich als Ari Leschnikoff in lichte Höhen, während Thomas Kamper als Robert Biberti seinen Bass tiefer legt.

Als schönste Stimme des Abends überrascht Matthias Mamedof als Erich Collin. Patrick O. Beck, der von Inszenierung zu Inszenierung mehr gefällt, zeigt als Buffo Roman Cycowski Humor, Alexander Lhotzky, wie man, vom schwulen Conférencier bis zum zackigen Parteigenossen, 13 Rollen spielt. Klaviervirtuose Alexander Lutz ist ein schnöseliger Erwin Bootz.

An "Handlung" hätte man sich mehr gewünscht.

Vor allem vor der Pause beschränkt sie sich darauf, dass die drei "arischen" und die drei "nichtarischen" Mitglieder einander mit Juden- und Naziwitzen beleidigen. Dann wird gerauft, dann kommt ein Engagement, dann wird gesungen ... Viel erfährt man über die Charaktere, ihre Herkunft, ihre Lebens-, Liebes-, Weibergeschichten nicht.

Doch das Publikum will ohnedies lieber von der nach dem Lenz lechzenden Veronika oder vom kleinen, grünen Kaktus hören. Buht brav, wenn Herren mit Hakenkreuzbinde die Vorstellung unterbrechen , und applaudiert, als säße man wie weiland im Berliner Wintergarten. Und so endet der Abend, wie’s eine Sprechtheateraufführung nie könnte: Mit zwei Zugaben.

KURIER-Wertung: **** von *****

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