Kunst ist akribische Arbeit und Holzfällerei

biennale
88 Länder zeigen auf der großen Kunstschau viel arbeitsintensive Kunst, oft mit Bezug zur Natur. Prämiert wurden am Samstag der Beitrag Angolas und der Künstler Tino Sehgal.

Hätte Thomas Bernhard die diesjährige Biennale in Venedig besucht, er hätte danach wohl irgend etwas von „Holzfällen“ gemurmelt. Tatsächlich war selten so viel Wald in den Präsentationen der teilnehmenden Länder zu sehen wie in der 55. Auflage der Kunstschau, die am Samstag offiziell eröffnet wurde.

Für die Hinwendung zum Holz gibt es keine einheitliche Erklärung: Dass Künstler in jüngerer Zeit die Grenze zwischen Kunst und Natur neu ziehen und die Idee belebter Materie entdecken, mag ein Hintergrund sein. Auch auf der „Documenta“ im Vorjahr spielte dieser Gedanke eine prominente Rolle.

Wald Baum Mensch

Ein riesiger alter Baum, den die Künstlerin Berlinde De Bruyckere in Kollaboration mit dem Schriftsteller J.M. Coetzee im dunklen belgischen Pavillon platzierte, führt auf der Biennale diese Tradition fort: Die Äste in riesige Lumpen eingebunden, wirkt „Kreupelhout/Krüppelholz“, so der Titel, wie ein dahinsiechender Mensch.

Wenige Schritte weiter hat der finnische Künstler Antti Laitinen einige Birkenstämme aufgestellt, die er zuvor in seiner Heimat säuberlich zersägt hatte. Im Inneren des Pavillons zeigt Laitinen ein Projekt, für das er 100 Quadratmeter Wald fällte, zersägte und dann nach Materialien ordnete.

Fotos der Biennale

Kunst ist akribische Arbeit und Holzfällerei

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Viel Arbeit

Kunst bedeutet, Dinge in eine besondere Ordnung zu bringen und innerhalb eines selbst geschaffenen Systems Arbeit zu verrichten: Auf diese zwei Definitionen ließe sich ein guter Teil der heurigen Biennale-Beiträge verdichten. Dabei wird nicht nur gefällt, gesägt oder – wie im Fall des spanischen Beitrags – ein Stück Boden der Insel Murano in seine Bestandteile zerlegt: Der Frankreich-Pavillon, in dem Künstler Anri Sala zwei unterschiedliche Film- und Tonaufnahmen von Maurice Ravels „Konzert für die linke Hand in D“ parallel laufen ließ, zeichnete sich ebenso durch handwerkliche Raffinesse aus wie Mathias Polednas Trickfilm im österreichischen Pavillon.

Feinsinnig

Den Gesamteindruck dominiert folglich eher feinsinnige als politische Kunst: Prominente Ausnahmen wären die kritischen Arbeiten Jeremy Dellers im England-Pavillon, Werke zum Fukushima-Trauma im japanischen Beitrag und der mit dem Thema Geldnot und alternativen Wirtschaftsmodellen befasste griechische Pavillon.

Das Motto der Biennale-Hauptausstellung, „Der enzyklopädische Palast“, ist kein zwingender Leitfaden für die Länder, hallt aber in vielen Beiträgen nach: So hat Sarah Sze im US-Pavillon eine filigrane Installation aus alltäglichen Materialien aufgebaut, die auf die wundersamen Weltmodelle von Künstlern und Esoterikern in der zentralen Schau Bezug nimmt: Über einem im Boden eingelassenen Kompass-Muster wächst bei Sze eine schwebende Welt aus Globen, Linsen, Bildfetzen.

Preisträger

Der bei der Jury siegreiche Beitrag interpretierte das Motto allerdings gänzlich anders. Im außerhalb der Giardini gelegenen und wohl von den meisten Vorschau-Besuchern übersehenen Pavillon von Angola zeigt der junge Künstler Edson Chagas Fotografien unbeachteter Ecken aus Angolas Hauptstadt Luanda, die er als eine „enzyklopädische Stadt“ definiert.

Als bester Künstler der Hauptausstellung wurde der deutsch-britische Künstler Tino Sehgal prämiert, der enormen Wert darauf legt, dass von seiner Arbeit im Kunstsystem nichts Materielles übrig bleibt: Seine lebenden Skulpturen wollen bloß erlebt werden. Es ist eine Antithese zur Holzfäller-Kunst.

Impressionen des angolanischen Pavilions

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55. Biennale Venedig: Bis 24. November

Die Kunstschau: Die Biennale Venedig setzt sich aus der von Massimiliano Gioni kuratierten Ausstellung „Il Palazzo Encyclopedico“ sowie den Kunst-Präsentationen von 88 Staaten zusammen. 47 weitere Ausstellungen bilden das offizielle Nebenprogramm.

Wann & Wo: Außerhalb des Arsenale und der Giardini sind Schauplätze auf die ganze Stadt verteilt. Die Ausstellung ist bis 24.11. täglich außer Montag von 10–18 Uhr zu sehen, ein 2-Tages-Pass kostet 30 €.

www.labiennale.org

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