Bela Koreny: Play it again, Bela

Bela und Udo: Meisterpianisten unter sich
Barbetreiber, Doyen der Wiener Künstlerszene, begnadeter Musiker: Bela Koreny ist 70. Die freizeit zeigt Bilder eines außergewöhnlichen Lebens.

Es scheint, dass sich Bela Korenys Schicksal schon vor 65 Jahren auf dem Bauernhof seiner Großmutter im kleinen ostungarischen Dorf Csepreg entschieden hat. Der fünfjährige Bela ging damals in den Hühnerstall seiner Oma, pflanzte sich vor den Hendln auf und begann, sie zu dirigieren. Und wenn er später mit seinen Eltern an Orten war, wo ein Klavier stand, begann er sofort zu klimpern und weinte bitterlich, sobald er von dort wieder weggebracht wurde.

Bela Koreny: Play it again, Bela
Privat

Konstantin Wecker liebte es, vierhändig zu spielen

Der kleine Bela von damals ist heute 70 Jahre alt und – Musiker. Obwohl ihn die Musikschule in Budapest abgelehnt hatte. Mangels Begabung. Er spielte mit Kalibern wie Udo Jürgens und Stephan Vladar, mit Konstantin Wecker und Julian Rachlin. Zu seinen Freunden zähl(t)en Leonard Bernstein und Helmut Qualtinger, Roger Moore und Michel Piccoli. In seiner „Belas Broadway Bar“ am Wiener Bauernmarkt gingen sie alle ein und aus. Wie es dazu kam, ist eine abenteuerliche Geschichte.

Mit Spagat an die Eltern gebunden

Koreny kam 1956, im Jahr des Ungarnaufstandes nach Österreich. Damals war er zehn Jahre alt. Der Vater hatte nach einem Streit einen kommunistischen Parteifunktionär geohrfeigt und bald wurde klar, dass es klüger war, das Land zu verlassen. Es war der 2. Dezember und er erinnert sich noch ganz genau: „Wir gingen zu Fuß, meine Eltern und ich. Mit einem Spagat hatten sie mich links an die Hand des Vaters und rechts an die Hand der Mutter gebunden, damit ich nicht verloren gehen konnte. Es war abenteuerlich. Es fielen Schüsse, wir hörten rundum Schreie und legten uns auf den Boden. Als wir endlich über der Grenze waren, stand vor der Ortstafel von Lutzmannsburg eine Frau mit einem Kessel heißer Suppe, die sie an Flüchtlinge verteilte. Dann wurden wir in einer Schule registriert und später in der Wilhelmskaserne in der Leopoldstadt einquartiert.“
Dass er Berufsmusiker werden wollte, war immer klar. Auch wenn er aus Interesse zwei Semester Psychologie studierte und auch sportlich talentiert war. „100 Meter kraulen, Speerwerfen und laufen, das waren meine Disziplinen.“ Er gewann 1959 sogar die österreichische Schülermeisterschaft im 100-Meter-Lauf. Allerdings durfte er damals nur außer Konkurrenz starten, weil er noch kein österreichischer Staatsbürger war. Doch sein Klavierprofessor warnte vor zu viel Training: „Vom Schwimmen wird deine Hand zu schwer.“ Also gab Koreny den Sport auf.

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James Bond Roger Moore und Broadway-Bar-Stammgast Julian Rachlin

In Wien studierte er ab 1960 am Konservatorium der Stadt Klavier und Tonsatz. Ab 1965 an der Akademie bei Alfred Uhl, dirigieren lernte er bei Karl Österreicher. Und er lernte auch Klarinette und Kontrabass. „Aber ich spiele nicht gut. Wichtig ist nur, dass man beim Komponieren die Lagen kennt.“ Damit bleibt einem der Fauxpas erspart, ein Stück zu komponieren, das unspielbar ist.

Mit Lennie ratlos in der Nacht

Eine Wende in seinem Leben brachte dann einer seiner Musiklehrer. Der nahm ihn mit in „Fattys Saloon“ am Petersplatz, den legendären Klub des Klarinettisten Fatty George. „Beim ersten Mal spielte dort Friedrich Gulda am Klavier Jazz. Ich war begeistert. Von da an war mein Musikverständnis anders gepolt.“ Koreny gründete mit vier Jazzmusikern „Belas Band“ und tourte kreuz und quer durch Europa.
Mehrere Jahre waren sie auf Achse. Zurück in Wien war Koreny nach einem Konzert mit Leonard Bernstein in der Stadt unterwegs. Als alle Lokale Sperrstunde hatten und sie ratlos auf der Straße standen, reifte der Entschluss: „Ich will ein Lokal aufmachen, in dem ein Klavier steht und Künstler spielen können.“

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Helmut Qualtinger mit Falco: "A so schiachs Lokal"

Er kaufte das Minilokal am Bauernmarkt 21, das früher „Café Ankeruhr“ hieß – als Anlaufstelle für Maler, Autoren, Sänger, Musiker, die keine Jobs hatten. „Heute würde man das netzwerken nennen.“ Dementsprechend niedrig waren die Preise. Und wenn einer gar nicht zahlen konnte, wurden Nägel in ein Holz geschlagen und daran die offenen Rechnungen aufgespießt. Dort blieben sie lange. „Als wir das Lokal beim Zusperren ausgeräumt haben, haben wir noch einiger dieser Spieße gefunden.“ Gezahlt wurde nie.
Geld, um in das abgewohnte Tschocherl zu investieren, hatte Koreny anfangs nicht. Er ließ alles wie es war, und sperrte gemeinsam mit Ehefrau Marta einfach auf. 1984 war das. Ausgebleichter, schmutziger rosa Spannteppich auf dem Boden und ebensolche Tapeten an den Wänden. Einer der ersten Gäste war Helmut Qualtinger. Die mittlerweile verstorbene Evelyn Oswald, Frau des Galeristen Kurt Kalb, hatte ihn mitgebracht. Qualtinger kam, sah sich um und sagte: „Bela, so a schiachs Lokal hab i no nie g’sehn.“ Koreny nahm die Kritik zur Kenntnis, sperrte zu und renovierte erst einmal. Als Helfer hatte er Schauspieler Walter Reyer mit Model-Tochter Cordula bei der Hand, die die verschmutzten Fliesen schrubbten.

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Fünf Meisterpianisten auf einen Streich: Stephan Vladar, Gerhard Bronner, Helmut Deutsch, Udo Jürgens und Hausherr Koreny.

Nicht nur Bela Koreny spielte in seiner Bar, Konzerte gab es fast täglich. Geplante und ungeplante. Eines Abends waren gleich vier Meisterpianisten zu Gast und spielten auf: Stephan Vladar, Helmut Deutsch, Udo Jürgens, Gerhard Bronner – und der Hausherr. Oder Konstantin Wecker schaute nach einem Konzert vorbei. „Der wollte immer mit mir vierhändig spielen“. Das war auch bei Alexander Joel so, dem Bruder von Billy Joel. Nur Udo Jürgens beanspruchte den Flügel für sich allein, wenn er vorbeikam. „Den Udo hat Julian Rachlin mitgebracht“, erinnert sich Koreny. „Er war bescheiden und demütig gegenüber der Musik. Als ich ihn fragte, würdest du spielen, hier spielt jeder, wurde der so nervös, dass er, bevor er anfing, zehn Mal aufs Klo ging.“ Als Koreny den Weltstar nachher fragte, warum, antwortete Jürgens, der normalerweise in riesigen Hallen vor tausenden Menschen auftrat: „Es ist das Schwierigste, auf so kleinem Raum vor so vielen Leute zu spielen.“

Udo und Schubert

Und nachdem jemand Jürgens als Reinkarnation von Franz Schubert bezeichnete, regte er sich ordentlich auf. „Wie kann man mich mit einem so großen Musiker wie Schubert vergleichen?“
Es war in den Anfangszeiten der Bar, 1985, als ein Freund zu Koreny kam: „Du, der Lenny ist böse auf dich.“ Was war geschehen? Der große Leonard Bernstein hatte Koreny versprochen, bei ihm zu spielen, wenn er einmal ein Lokal habe. Jetzt war ihm zu Ohren gekommen, dass es die Broadway-Bar gab, doch niemand hatte sich bei ihm gerührt. Also eilte Koreny ins Sacher, um Bernstein offiziell einzuladen. Der kam – und fragte: „Wo ist der Umkleideraum?“ Den gab es in der winzigen Bar natürlich nicht. Also begab Bernstein sich ins Lager, wo er sich zwischen Bierkisten fertigmachte. Als er zu spielen begann, drängten immer mehr Leute in das Lokal. Der Chef musste draußen vor der Tür die Massen abhalten, seine Bar zu stürmen. „Ich habe also verpasst zu hören, wie Bernstein spielte. Er war nur dieses eine Mal da.“

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Michel Piccoli brachte Alfred Hrdlicka zum Weinen

Der frühere Festwochenintendant Luc Bondy brachte Schauspieler Michel Piccoli in die Bar. Petja Houdjakov, Chef der Bolschoi Don Kosaken, und Bildhauer Alfred Hrdlicka waren schon da. Houdjakov begann eine Melodie zu spielen, Piccoli sang lauthals mit – und Kommunist Alfred Hrdlicka brach in Tränen aus. Suliko hieß das Lied; es war das Lieblingslied Stalins gewesen.
Nicht alle geplanten Veranstaltungen wurden zum Erfolg. Wie die Lesung von Christiane Hörbiger. Obwohl die Terminabsprache nicht geklappt hatte, rückte die Schauspielerin mit Mutter Paula Wessely, Schwester Elisabeth Orth, Partner Gerhard Tötschinger und einem Bücherstapel an. Die nicht angekündigte Lesung wurde aber aus Mangel an Publikum abgesagt.

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Paula Wessely, Gerhard Tötschinger, Christiane Hörbiger: Die Lesung fiel ins Wasser

Roger Moore besuchte die Bar 2007 mit Julian Rachlin. Der ehemalige James Bond hatte bei Rachlins Festival in Pernegg im Waldviertel den Sprecher im Stück „Ferdinand, der Stier“ gegeben, gemeinsam mit der jungen Geigerin Janine Jansen. In der Bar traten die beiden ebenfalls auf. „Ein Weltstar, der absolut keine Allüren hat,“ erinnert sich Koreny. Janine Jansen spielte auf ihrer Millionen teuren Stradivari, und das im Hinterzimmer der kleinen Bar, in dem sich schon Leonard Bernstein umgezogen hatte und wo die Tischtücher zum Trocknen hingen.

Eine Premiere, ein Finale, ein starker Abgang

Die Bar war auch Schauplatz einer Premiere, eines Finales und eines unheimlich starken Abgangs.
Die Premiere: Schiele-Sammler und „ Krone“-Herausgeber Hans Dichand hatte 1986 einen 45-Minuten-Film über die von Schiele so oft gemalte Stadt Krumau/Cesky Krumlov gedreht, Koreny schrieb die Musik dazu. Im Publikum: Regie-Genie Axel Corti und der spätere tschechische Außenminister Karl Schwarzenberg.

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Qualtinger liest sein Totengedicht, das Ericht Fried (im Hintergrund) für ihn schrieb

Das Finale: Helmut Qualtinger feierte seinen 58. Geburtstag in der Broadway-Bar, im Oktober 1985. Erich Fried war da und Manager Michael Levin. Fried dürfte eine Vorahnung gehabt haben: Er schenkte Qualtinger eine Papierrolle mit einem Gedicht, das er extra für ihn geschrieben hatte: das „Totengedicht“. Es sollte Qualtingers letzter Geburtstag sein.
Der Abgang: Gerne spielte Bela Koreny neapolitanische Volkslieder am Klavier. Ein Gast saß hinter dem Pianisten und begann mitzusingen. Das passte einigen anderen Gästen nicht. „Pssst“, zischten sie. „Bela spielt.“ Der Sänger verstummte und meinte nur: „Noch nie hat jemand Pssst gesagt, wenn ich singe. Außer in dieser Bar.“ Es war Luciano Pavarotti. Kurz darauf ging er. Allerdings nicht, weil er beleidigt, sondern weil das Lokal so verraucht war.
Die Broadway-Bar wurde am 1. Juli 2007, Korenys 61. Geburtstag, geschlossen. Die Geschichten, die dort geschrieben wurden, sind geblieben ...

16. Juli, 20 Uhr, Wiener Lustspielhaus Am Hof;
Wien für Anfänger mit Katharina Straßer,
Wolf Bachofner und Bela Koreny.
24. Juli, 18 Uhr, Haydn-Geburtshaus Rohrau;
Ich bin der Vogel, der das Nest beschmutzt
Österreich in Literatur mit Bela Koreny,
Julian Loidl und Dorothee Hartinger.
14. August, 18 Uhr, Haydn-Geburtshaus Rohrau; Out of Sight – Liederabend mit Bela Koreny
und Ethel Merhaut.
8. September, Stockerau, Belvedereschlössl;
Pik König und Triangel – das Beste aus 80 Jahren Kabarett mit Bela Koreny und Stephan Paryla-Raky

http://www.belakoreny.at

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