Wunderwuzzis sind schwer zu finden

Beim Song Contest ist Wiens Kulturstadtrat „involviert, aber nicht hauptzuständig“. Warum man auf den dazugehörigen Fotos immer nur den Bürgermeister sieht? „Dieses Schicksal trage ich mit Fassung“
Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny im Interview über sozialdemokratische Kulturpolitik.

Wiens Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny (SPÖ) über sozialdemokratische Kulturpolitik, die Ausschreibung der Intendanz für das Theater an der Wien, die Secession – und das Donaufestival als Modell für die Festwochen.

KURIER: Was ist sozialdemokratische Kulturpolitik heute?

Andreas Mailath-Pokorny: Die Grundelemente ändern sich nicht. Es geht um Qualität, um möglichst große Offenheit, um Vielfalt. Und um das Bekenntnis zu einer öffentlichen Förderung.

Gibt es einen Unterschied zur bürgerlichen Kulturpolitik, etwa in Niederösterreich?

Es gibt wesentliche Unterschiede: in der Frage der demokratischen Legitimierung, im Zugang. In Wien wird Kulturpolitik nicht allein vom Bürgermeister entschieden. Außerdem gibt es immer noch ideologische Debatten: Liberale und Neoliberale treten eher für eine Privatisierung oder die private Förderung von Kultur ein. Das tue ich definitiv nicht.

Es gibt aber durchaus Menschen, die für die öffentliche Kulturförderung sind, aber dennoch finden, dass die Vereinigten Bühnen Wien (VBW) ein bisschen zu viel Geld bekommen.

Die Menschen, die das sagen, rümpfen die Nase über das Musical. Ein großer Teil der Förderung für die VBW geht aber in die Opern im Theater an der Wien und in der Kammeroper. 500.000, in Spitzenzeiten 700.000 Musical-Besucher beweisen, dass das Angebot wahrgenommen und gewünscht wird. Die VBW kriegen fünf Prozent der Kulturförderung und sprechen auch ungefähr fünf Prozent des Publikums an.

Trotzdem hat man Reformbedarf geortet – und die Hoffnung gehegt, die Subvention reduzieren zu können. Davon ist jetzt nichts übrig.

2006 dachte man, man kommt mit einer Subvention von 36 Millionen Euro aus, aber das hat nicht funktioniert. Insbesondere nicht in den zwei Jahren, in denen die Nachfrage nicht so groß war.

Nicht die Nachfrage war schlecht, sondern das Angebot – mit „Natürlich blond“.

Kunst ist Risiko. Auch die Programmierung eines Musicalhauses ist ein solches.

Angesichts der langen Vorlaufzeit: Wird die Opernintendanz noch heuer ausgeschrieben?

Ja, in der zweiten Jahreshälfte. Ich halte es für sinnvoll, dass man auch bei allfälligen Verlängerungen ausschreibt.

Dann wird doch kein „Wunderwuzzi“ gesucht, der beide Sparten gemeinsam leitet?

Jemand, der sowohl Musical als auch Oper bestmöglich führt, ist sehr schwer zu finden. Ich gehe davon aus, dass zwei Jobs ausgeschrieben werden. Sollte sich doch ein Wunderwuzzi finden, woran ich momentan zweifle, wird man sich das anschauen.

Den Opernintendanten wollen noch Sie bestellen oder wiederbestellen?

Ja, aber nicht vor den Wahlen.

Gerüchteweise spitzen Sie drauf, Geschäftsführer der Bundestheaterholding zu werden.

Dieses Gerücht kehrt immer wieder. Ich würde gerne weiter Kulturstadtrat sein, wenn mich der Herr Bürgermeister dazu einlädt.

Wenn dies in Erfüllung gehen sollte, müssten Sie das Geld für den Neubau des Wien Museums aufstellen.

Wunderwuzzis sind schwer zu finden
Andreas Mailath Pokorny, Wiener Kulturstadtrat, ist über die Studie erfreut.
Ja. Das ist eine der großen Aufgaben, derentwegen ich gerne weitermachen würde. Da geht es tatsächlich um etwas Neues.

In welcher Form erfolgt die Finanzierung? Auf Pump?

Die öffentliche Hand darf sich nicht mehr neu verschulden, was ich für eine besonders kritische Geschichte halte. Wenn man investieren will, dann muss man investieren können! Möglicherweise müssen wir das Museum in einem PPP-Modell errichten, also mit privaten Partnern. Was das Projekt komplexer, längerfristiger und nicht notwendigerweise günstiger macht.

Bleiben wir am Karlsplatz: Das Künstlerhaus braucht Geld für die Sanierung. Nun ist auch die Secession vorstellig geworden. Lassen Sie sich endlich erweichen?

Das Künstlerhaus pocht immer darauf, eine unabhängige Künstlervereinigung zu sein. Dann ist es nicht die alleinige Aufgabe der Stadt Wien, die Sanierung zu finanzieren.

Beppo Mauhart hat im Namen des Künstlerhauses schon viele Millionen gesammelt.

Ohne Dritte, auch den Bund, wird es nicht gehen. Und die Forderung der Secession kam doch überraschend. Es gibt nämlich einen Vertrag: Die Secession muss keine Miete zahlen, aber im Gegenzug das Haus in Schuss halten. Wenn das nun nicht eingehalten wird, ist der Vertrag das Papier nicht wert, auf dem er geschrieben ist.

Alle Veranstalter brauchen mehr Geld, selbst das Zoom Kindermuseum kommt künftig nicht mehr mit den Subventionen aus.

Immer wollen alle mehr Geld, das hab‘ ich nie anders erlebt. Natürlich ist es eine zentrale Aufgabe des Kulturstadtrates, dafür zu sorgen, dass es mehr Geld gibt. Da ist ja was passiert: eine Erhöhung des Kulturbudgets um 50 Prozent in den letzten 15 Jahren!

Weil auch Neues gegründet wurde. Für viele blieben die Subventionen gleich. Und nun wird die Mehrwertsteuer von 10 auf 13 Prozent erhöht.

Ja, kein Kulturveranstalter ist glücklich darüber. Aber alle werden die Ticketpreise dementsprechend um 2,7 Prozent erhöhen. Die Belastung ist verkraftbar. Bei einem Bruttoeinkommen von monatlich 2000 Euro bekommt man aufgrund der Steuerreform im Jahr 900 Euro mehr. Bei einem Ticket von 30 Euro macht die Erhöhung 82 Cent aus.

Die finanzielle Lage der Veranstalter von elektronischer Musik ist angespannt. Braucht es da im Wahljahr ein neues, von der Stadt Wien geförderte Festival wie „Electric Spring“?

Es gibt schlimmere Vorwürfe als den, in einem Wahljahr etwas Neues zu starten. Ich glaube nicht, dass man irgendjemanden etwas wegnimmt. Im Gegenteil, es kommt zu einer Intensivierung. Auch Tomas Zierhofer-Kin, der Intendant der Wiener Festwochen ab 2017, kann sich im Bereich der populären elektronischen Musik neue Akzente vorstellen.

Wieso haben Sie sich für Zierhofer-Kin entschieden, der gegenwärtig das Donaufestival leitet?

Ich war in Krems beim Donaufestival und dachte mir, dass ich dieses Publikum – von der Zusammensetzung wie auch vom Alter – gerne bei den Festwochen hätte.

Also gibt es doch keine so großen Unterschiede zwischen sozialdemokratischer und bürgerlicher Kulturpolitik?

Ich glaube nicht, dass man das Donaufestival mit bürgerlicher Kulturpolitik assoziiert. Es geht mir darum, die Festwochen, die unter Luc Bondy – ohne das kritisieren zu wollen – sehr stark von Hochglanzproduktionen geprägt waren, zu einem noch stärkeren Experiment- und Laborcharakter und von den etablierten Spielstätten hinaus in die Stadt zu bringen. Dafür erscheint mir Zierhofer-Kin sehr geeignet.

Demnächst findet in Wien der Song Contest statt. Man sieht in diesem Zusammenhang immer nur den Bürgermeister, aber so gut wie nie den Kulturstadtrat.

Vielleicht, weil ich bei der Schlüsselübergabe nicht fotografiert wurde? Ich bin involviert, aber nicht hauptzuständig. Dieses Schicksal trage ich mit Fassung.

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