Als Wien ein heißes Pflaster war

Didi Sattmann fotografierte die Galerie in der Ballgasse: Galerist Peter Pakesch (2. v. re.) und die Künstler Herbert Brandl, Heimo Zobernig und Franz West (v. li.)
Die Ausstellung im Wien Museum über die Galerie Pakesch dokumentiert die Kunstszene der 80er.

Ein Hauch von Nostalgie weht durch das Wien Museum. Es ist die letzte Ausstellung, die Wolfgang Kos als Direktor kuratiert hat. Eine Schau, die von einer Zeit erzählt, als Wien dabei war, ein bisschen, ja was eigentlich? Sagen wir: weniger grau zu werden.

Wien hatte in den 80ern noch ein gerüttelt Maß an Ostblock-Charme. Doch der retrospektive Blick kann Wunder wirken. Jungen Menschen, die die Ausstellung "Ballgasse 6" besuchen, muss dieses Wien der 80er wie das bessere Berlin oder sagen wir gleich: New York vorkommen. Damals gab es das Wort "Zeitgeist", und ja, Wien war echt Zeitgeist. Es gab das U4 und das Alt Wien und die Boygroup aus der "Ballgasse 6".

So zumindest wirkt das Ausstellungsplakat, das die damals jungen Künstler Herbert Brandl und Heimo Zobernig, den nicht mehr ganz so jungen Franz West und den Galeristen Peter Pakesch zeigt. Der 26-jährige Grazer war 1981 nach einem Umweg über New York nach Wien gekommen. In der Ballgasse, einem finster-romantischen Gässchen hinter der Kärntner Straße, stellte er Werke einer neuen Generation von Künstlern aus: Herbert Brandl, Otto Zitko oder Heimo Zobernig – alle Anfang 20. Ein gewisser Franz West, bis Mitte der 80er wenig bekannt, gelangte hier binnen kurzer Zeit zu weltweiter Anerkennung – Pakesch agierte, ebenso wie die Galeristin Grita Insam, international. Und das verschlafene Wien wurde erstmals seit Klimt und Schiele wieder kosmopolitisch: Neben österreichischen Künstlern feierten hier amerikanische West-Coast-Stars wie Mike Kelley ihre Europapremiere. "Das Kunst-Wunder von Wien" titelte 1986 das Magazin art. Bilderstrecken, die davon erzählen, zu welch beneidenswertem, damals nannte man es "heißem" Ort Wien sich gerade entwickelte, sind hier nun ausgestellt. Neben Schlüsselwerken von Künstlern wie Herbert Brandl, Franz West, Sol LeWitt oder Heimo Zobernig sind Plakatentwürfe und Faxmitteilungen von Künstlern, Preislisten oder Arbeitsfotos zu sehen, die Einblicke in den ab nun international agierenden Kunstbetrieb bieten. Polaroids verdeutlichen, wie die Kunstszene aussah und ihre Ausstellungen gestaltete. Eine Ansichtskarte des Konzeptkünstlers Sol LeWitt an Pakesch illustriert im wahrsten Sinn des Wortes, wie er sein Einverständnis für eine Ausstellung in der Ballgasse gab.

Kunst und Punk

Und dann sind da die unzähligen Fotos von Didi Sattmann, der immer am richtigen Ort zu sein schien: Etwa im "Kaffee Alt Wien", dem ein Kapitel gewidmet ist: Damals galt das Lokal in der Bäckerstraße als "Wohnzimmer" der Szene (heute ist es, unverändert, eine Art lebendiges Museum). Sattmanns stylische Schwarz-Weiß-Bilder dokumentierten auch Aktionen wie das "Erste Wiener Fiakerrennen" der Kölner Kunst-Anarchisten Martin Kippenberger und Albert Oehlen inklusive exzessiver Siegesfeier im Alt Wien. Wo es keine Sperrstunde gab, da waren Malerei und bildende Kunst eng mit der Postpunk-Musikszene verknüpft. Künstler wie Gerwald Rockenschaub, Herbert Brandl oder Gunter Damisch waren in Bands wie "Molto Brutto" auch als Musiker aktiv. Und so gibt’s zur Schau praktischerweise auch eine CD: "Ballgasse 6 – Wiener Avantgarde der 80er" liefert den Soundtrack des Jahrzehnts.

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