Als der Wilde Westen in Italien war

Als der Wilde Westen in Italien war
Kein Tarantino ohne Sergio Leone: Die Geschichte des Italowesterns.

Es war einmal im Westen. Ein namenloser Fremder. Ohne Geschichte, ohne Zukunft. Ein Einzelgänger – still, eiskalt und dreckig. Dieser Archetyp überschwemmte Mitte der 60iger Jahre die europäischen Kinos.

Sergio Leone hatte 1964 mit „Für eine Handvoll Dollar“ ein neues Genre gegründet: Den Italo-Western. Brutaler, dreckiger und blutiger als alles andere zuvor, machte er aus dem amerikanischen Heimatfilm einen europäischen Exportschlager.

Über 500 Filme entstanden bis 1970 im römischen Filmstudio Cinecittà und vor allem vor den Toren der spanischen Stadt Almeria. Die meisten davon von minderer Qualität, das Grundthema des einsamen Kopfgeldjägers mal mehr, mal weniger variierend. Verschlagene Banditen und sparsame Dialoge gehörten ebenso zum Genre-Repertoire des neuen Westerns, wie blutige Schießereien – mit mehr Tomatensauce als Budget. Weswegen ausländische Kritiker gerne auch vom „Spaghettiwestern“ sprachen.

Doch ohne die skrupellosen Helden aus Italien wären Filme wie aktuell „Django Unchained“ von Quentin Tarantino undenkbar. Darin zitiert der Cineast das Original von Sergio Corbutti aus dem Jahr 1966. Franco Nero, der in den 60iger Jahren mit seiner Rolle des Django zu Weltruhm gelang, trifft in einer kurzen Sequenz sogar auf seinen Nachfolger Jamie Foxx. Der blutige Feldzug des schwarzen Django und des deutschen Kopfgeldjägers Dr. Schultz wurde mit einer Oscar-Nominierung in der Kategorie „Bester Film“ belohnt.

Ästhetik der Gewalt

Auch Robert Rodriguez bedient sich in seinen Filmen erfolgreich des wichtigsten Rezepts der Italowestern: Gewalt als Stilmittel. Das Prinzip ist altbewährt: Sergio Leone führte es vor 50 Jahren in das europäische Kino ein. Inspirieren ließ er sich dabei von Akira Kurosawa. Der japanische Regisseur hatte bereits 1961 seinen richtungsweisenden Film „Yojimbo“ gedreht. Darin kommt ein Samurai in ein japanisches Dorf und erledigt im Alleingang zwei rivalisierende Schlägerbanden. Leone tauschte drei Jahre später Schwert gegen Revolver, verlegte die Handlung in das mexikanische Dorf San Miguel, machte aus dem umherziehenden Samurai einen einsamen Reiter und fertig war der erste Italowestern.

Der Italowestern im Überblick

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Italowestern
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Tarantino / Ennio Morricone
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apa
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Bud Spencer

Die Antihelden – schmutzig und verschlagen

Unrasiert, die Zigarre im Mundwinkel. Als „Joe“ wurde Clint Eastwood zum Weltstar. Im dreckigen Poncho war er die stille Antithese zu den strahlenden Helden des amerikanischen Westerns.
Bis dahin hatten edle Sheriffs wie Gary Cooper und John Wayne für Recht und Ordnung im Wilden Westen gesorgt. „Der Schatz im Silbersee“ war zwar bereits 1962 der erste erfolgreiche europäische Western – funktionierte aber nach wie vor nach dem Prinzip des amerikanischen Heimatfilms.

Sergio Leone war der erste, der den Western entglorifizierte. Statt Gewissen und Verantwortung standen plötzlich erbarmungslose Käuflichkeit und Geldgier, Brutalität und Folter im Vordergrund. Einziger Lohn für den Helden: „Eine Handvoll Dollar“.

Der Erfolg war atemberaubend. 1965 folgte „Für ein paar Dollar mehr“ – ein Jahr darauf komplettierte Leone mit „Zwei glorreiche Halunken“ (Original: „The Good, the Bad and the Ugly“) seine sogenannte Dollartrilogie. Der Film mit Clint Eastwood als namenloser Kofgeldjäger und Lee Van Cleef als sein kaltblütiger Antagonist gilt bis heute als einer der besten Western überhaupt.

Filmmusik als Erfolgsfaktor

Der Soundtrack zu allen drei Filmen stammt von Ennio Morricone. Einfache Tonarten - Folklore und Leitthemen. Eingängige Melodien mit Maultrommel und Mundharmonika, gespickt mit Peitschenknallen und Pistolenschüssen. Der Römer sollte für mehr als 30 Italo-Western die Filmmusik schreiben und so ganz wesentlich zum Erfolg des Genres beitragen. Sergio Leone wusste um die tragende Wirkung dieser Musik und ließ die vorab komponierten Stücke seines Freundes Morricone sogar am Filmset einspielen, um die Schauspieler in die richtige Stimmung zu bringen.

Neue Bildsprache

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Um diese Stimmung auch bildlich zu unterstreichen, setzte Leone auf extreme Nah- bis Detailaufnahmen. Und nirgends kamen diese besser zur Geltung als im Duell Mann gegen Mann: Den Hut tief ins Gesicht gezogen. Die Augen zu einem schmalen Spalt zusammengekniffen. Die Hand am Revolvergürtel. Mit dem unausweichlichen Showdown inszenierte Sergio Leone eines der prägendsten Mermale des Westerns wie kein zweiter.

Ein europäischer Wilder Westen

Von Sergio Leones durchschlagendem Erfolg inspiriert, wurden in den folgenden Jahren hunderte weitere Italo-Western gedreht. Allen voran ist hier Sergio Corbucci zu nennen. Mit seiner Figur des Django kondensierte er das Erfolgsrezept Leones zu einer einfachen Essenz: „Wir schneiden alle romantischen, unnützen Szenen heraus, die den amerikanischen Western verderben. Django muss seinen Sarg öffnen, die Kanone rausholen und wenigstens 1500 Leute umlegen.“ Kein anderer Regisseur ließ seine Darsteller so virtuos morden und sterben wie Corbucci.

Mit dem Erfolg kamen europäische Geldgeber und mit ihnen internationale Schauspieler. Jean-Louis Trintignant und Klaus Kinski waren die prominentesten unter ihnen. Auch ein Österreicher mischte in dem europäischen Schauspiel-Ensemble mit: William Berger (eigentlich Wilhelm Thomas Berger) spielte in dutzenden Produktionen den kaltblütigen Bösewicht.

Sergio Leone zog es indes nach Amerika. Dort wollte er jetzt einen Gangster-Filme machen. „Es war einmal in Amerika“ (Orig.: "Once upon a time in America") sollte er heißen. Zuvor musste er aber noch einen Western machen, das war die Bedingung der Produzenten. Und der gerät zu seinem Meisterwerk: „Spiel mir das Lied vom Tod“ (Orig.: "Once upon a time in the West", 1968) mit dem amerikanischen Westernhelden Henry Fonda als Bösewicht, Charles Bronson und Claudia Cardinale. Die unvergessene Mundharmonika-Melodie von Ennio Morricone tat ihr übriges. Der Film wurde zu Leones größtem Erfolg.

Sergio Sollima erweiterte mit seinen drei Italo-Western „Der gehetzte der Sierra Nevada“ (1966), „Von Angesicht zu Angesicht“ (1967) und „Lauf um dein Leben“ (1986) – allesamt mit dem kubanischen Schauspieler Tomás Milián in der Hauptrolle – das Genre um einen politischen Aspekt. Vor dem Hintergrund der mexikanischen Revolution ließ er Milián als armen Mexikaner gegen die Reichen Unterdrücker aus Amerika kämpfen.

Slapstick-Schlägerein statt Blutorgien

In den 70er-Jahren nahm die Zahl der Westernproduktionen deutlich ab. War das Publikum vor wenigen Jahren noch den glorreichen Helden der opulenten Sandalenfilme aus Amerika überdrüssig geworden, so hatte sich nun die Gewalt der Italo-Western verbraucht.
1970 drehte Enzo Barboni, der bei "Django" noch Sergio Corbuccis Kameramann war, "Die linke und die Rechte Hand des Teufels“. Die Slapstick-Schlägereien machten den Film zum weltweiten Erfolg. Terence Hill und Bud Spencer – ein Turner und ein ehemaliger Schwimmer - wurden die neuen Stars des italienischen Kinos.

Die Westernkomödien uferten schnell in endlosen Prügeleien, Tortenschlachten und Nonsenseorgien aus. Terence Hill und Bud Spencer schafften rechtzeitig den Absprung und nutzten ihre Slapstick-Erfahrung von nun auch außerhalb des Wilden Westens und waren „Außer Rand und Band“ (1976) oder als „Miami-Cops“ (1985) unterwegs.

Mitte der 70er-Jahre hatte sich das Genre endgültig verbraucht. Enzo G. Castellari konnte mit „Keoma“ 1976 noch einmal einen letzten Erfolg feiern. Franco Nero hinterließ darin als Halbblut eine letzte Spur der Verwüstung durch den heruntergekommenen Wilden Westen.

Mit dem jüngsten Film von Quentin Tarantino erfährt das Genre jetzt eine Renaissance. Zum Filmstart von „Django Unchained“ in den österreichischen Kinos sind zahlreiche Specials im Fernsehen zu sehen (siehe unten). Der Einfluss auf die Bildsprache und Ästhetik des zeitgenössischen Kinos ist aber schon länger unumstritten.

Rund um den für fünf Golden Globes (ProSieben überträgt Sonntgnacht ab 2.00 Uhr live aus Los Angeles) Film von Quentin Tarantino, der ab Donnerstag in den heimischen Kinos laufen wird, arrangiert der ORF einen "Kulturmontag". Zunächst mit der Dokumentation "Denn sie kennen kein Erbarmen - Der Italowestern", die sich anlässlich des von Quentin Tarantino ausgelösten Revivals mit diesem Genre auseinandersetzt.

Um 0.00 Uhr folgt in "art.film" in ORF 2 der Western "Ein Fressen für die Geier" (1969) mit Clint Eastwood.
Servus TV zeigt am Mittwoch um 22.45 das "Django"-Original mit Franco Nero aus dem Jahr 1966.
Der Pay-TV-Anbieter Sky präsentiert von Montag bis Sonntag unter dem Titel "Hier kommt Django!" auf MGM jeden Abend drei Italowestern.
Der Höhepunkt der Programmierung ist am Samstag (19. Jänner, 20.15 Uhr) die österreichische TV-Premiere von "Django - Sein Gesangbuch war der Colt" mit Franco Nero.

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