Adoptieren mit geballter Faust

Gertraud Klemm
"Muttergehäuse": Gertraud Klemm hätte selbst einen derartigen Roman gut brauchen können.

Das ist das Buch, das Gertraud Klemm gern gelesen hätte, als ihr die Welt schwer auf die Nerven ging.

Zuerst war das zu jener Zeit, als sie ein Kind wollte, aber der Körper es ihr versagte. Alles gab ihr zu verstehen, ohne Kind sei eine Frau ... naja, nicht so ganz vollwertig.

Dann, als sie und ihr Mann ein Waisenkind adoptieren wollten. ("Adoptieren heißt: sich erklären.") Sie mussten sich für ein Land entscheiden, dann bitte ein Baby aus Südafrika. Bevor sie es nach Wien bringen durften, waren:

Formulare, Befunde, Gutachten – und Fragen: Haben Sie es verkraftet, dass Sie keine eigenen Kinder haben können? Haben Sie es sich gut überlegt?

Haben es sich auch Ihre Großeltern gut überlegt?

Gertraud Klemm dachte an den Großvater, der ein waschechter Nazi ist. Die Hautfarbe würde ihm nicht gefallen.

Ist das Ihres?

Und manchmal wird ja auch kontrolliert, ob die Klobrille der zukünftigen Adoptiveltern sauber ist. Dann darf man wütend werden:

Ist es denn besser für die weggelegten Babys, sie bleiben in überfüllten Heimen?

Besser als sie gewöhnen sich an ein verloren gegangenes Schamhaar?

Dann ist das Kind in Wien, und nun wollen ihm so viele fremde Leute in die Haare greifen. Die nervenden Fragen lauten nun:

Ist das Ihres?

Ist das Ihr eigenes?

Und seine richtige Mutter?

Bzw., sehr beliebt: Was kostet denn so was?

"Muttergehäuse" wäre für Gertraud Klemm Trost gewesen. Einfühlsam. Und eine geballte Faust. Angeekelt von der Bürokratie und manchen Menschen. Kämpferisch.

Sie hat sich den Roman mit dem Titel, der durchaus etwas Warmes, Beschützendes hat, aber nicht in diesem Zusammenhang ... sie hat ihn sich selbst geschrieben.

Und ein zweites Kind adoptiert.

Klemm mischt das Reale mit ihren nicht weniger bedrohlichen Träumen: "Ich gebäre in meinem Bett: ein Kind und neun Eier ..."

Gertraud Klemm:
Muttergehäuse
Verlag Kremayr & Scheriau.
160 Seiten.
19,90 Euro.

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