40 Jahre Circus Roncalli: "Das Um und Auf ist das Einmalige"

40 Jahre Roncalli
Nostalgisch und zugleich modern: die Jubiläumsshow "40 Jahre Reise zum Regenbogen" des Circus Roncalli – ab August auf Österreich-Tournee.

Der Fellini-Fan Paolo Carillon, der Auto-Designer war und Clown wurde, zaubert schillernde Riesenseifenblasen, wie man sie noch nie gesehen hat.

Ai’Moko schüttelt sich den Sternenstaub aus den Haaren, ehe er mit einem großen Reifen durch die Manege berserkert.

Yana Pykhov tänzelt auf Zehenspitzen über ein Drahtseil, das zwischen die Enden einer wackeligen Mondsichel gespannt ist ...

Der Circus Roncalli geht mit der Zeit und schafft den Spagat zwischen Nostalgie und moderner Artistik. Poesie, beiläufig eingestreute Punk-Attitüde und Entertainment mit vielen Überraschungsmomenten sind gut ausbalanciert.

Die Zukunft interessiert Bernhard Paul mehr als die Vergangenheit: "Die kenne ich ja. Also gehen wir in die Zukunft, dürfen aber nicht vergessen, dass das Publikum bestimmte Vorlieben hat."

Ein Beatboxer So entstand zum 40-Jahr-Jubiläum ein Puzzle aus Rückblick, also traditionellen Nummern, und in die Zukunft weisenden Elementen. Mit Robert Wicke ist ein Beatboxer dabei, der nur mit dem Mund und moderner Technik wie Schlagzeug Sounds und Geräusche erzeugt.

"Der war von Anfang an der Renner. Den lieben die Kinder wie auch die Erwachsenen", sagt Bernhard Paul im KURIER-Gespräch. "Er ist aber mehr als ein Beatboxer. Er ist auch Pantomime und Comedian. Er erzählt eine Geschichte und macht ein einmaliges Kunststück: Im Finale bringt er 1500 Leute mit ganz wenigen Mitteln dazu, das Schlaflied ,Guten Abend, gut’ Nacht’ im Chor zu singen. Und alle können komischerweise den Text. Das sind echte Roncalli- Momente."

Die Zutaten für das Unverwechselbare? "Clowns, Jongleure und Akrobaten braucht man, poetische Momente, Emotionen, außerdem Farben und Farbharmonie und einen Schuss Exotik. Das ist Roncalli."

Die bildschönen Töchter des Zirkusdirektors sind mit je zwei Nummern dabei: Lili, 18, verbiegt als Schlangenfrau ihren Körper ins Groteske. Vivi, 26, gibt den grazilen Harlekin und hat ein Solo am schwebenden Reifen.

"Meine Kinder bleiben nicht stehen. Und das ist auch gut so. Die haben immer neue Ideen und wollen alles in Perfektion machen", sagt stolz der Papa. "Das ist eine wichtige Voraussetzung: Dass man Perfektion liebt, schätzt, anstrebt – und auch durchsteht. Das ist schon eine Lebenseinstellung."

Inspiration Straße

"Das Um und Auf ist das Einmalige", erklärt Paul, der gern neue Wege geht: Dinge auf der Basis des Bestehenden neu erfindet. "Ich habe immer auch Leute zum Zirkus geholt, die dort früher nichts verloren hatten. Der erste war Pic, der von der Kleinkunst kam und eine Nummer mit Seifenblasen entwickelt hat, und das gab es vorher im Zirkus nicht."

In Paris sah Bernhard Paul auf der Straße Künstler, die mit dem Publikum gearbeitet und improvisiert haben: "Ich dachte, das könnte auch im Zirkus funktionieren und habe ein paar engagiert. Die haben wunderbar funktioniert und große Karriere gemacht. Diese Art der Clownerie hat dann auch Eingang gefunden in anderen Manegen und Spektakeln."

Er muss immerzu das Publikum beobachten, aber darf nur eines nicht: Sich dem Zeitgeist verpflichtet fühlen. "Zeitgeist ist eine ganz verderbliche Ware. Das kann schon nach drei Monaten furchtbar peinlich sein. Es muss etwas schon eine gewisse Qualität haben, um zu bestehen."

Zur Fußball-EM oder -WM gab’s im Circus Roncalli früher Damentage. "Denn die Männer haben Fußball geschaut und den Frauen war fad", so Paul. "Da hatten wir das Zelt oft voll, nur mit Frauen. Aber mittlerweile schauen die selber Fußball. Die Kicker haben heute einen anderen Status. Die sind Sexsymbole, und die schaut man sich an."

Und deshalb macht der Circus Roncalli zur EM Pause.

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