Gehen Sie noch, oder rollen Sie schon?

Über elektrische Skateboards, E-Tretroller und andere zeitgeistige Fortbewegungsarten.
Anna-Maria Bauer

Anna-Maria Bauer

Unlängst auf einem Wiener Gehsteig zischt ein junger Mann mit Skateboard  an mir vorbei. So weit, so gewöhnlich.

Dieser junge Mann stand jedoch  vollkommen bewegungslos, er holte nicht Schwung, er bremste nicht ab. Er stand nur, der E-Skateboardfahrer. Gut, eigentlich sollten einen elektrisch betriebene Roller, Boards oder sonstige Bretter dieser Tage nicht verwunden.

Immerhin sind in Wien in wenigen Wochen drei verschiedene  E-Tretroller-Leihanbieter  auf den Markt gekommen. Nach Lime (300 Stück) und Bird (180 Stück) sind seit voriger Woche auch 250 Roller der Berliner Firma Tier Mobility auf den Straßen der Hauptstadt zu finden. Jetzt sind elektrisch betriebene Tretroller natürlich sehr praktisch, lustig, zweckdienlich und bequem. Noch dazu, wenn sie von Leihanbietern stammen. Dann stehen sie  auf der Straße, man kann mit ihnen kurze Fußwege schnell zurücklegen und sie am Zielort einfach stehen lassen.

Sie würden das „Problem der letzten Meile“ (Original: „last mile problem“) lösen, meinen E-Tretroller-Anbieter. Gemeint ist  das letzte Stück Weg von der Haustür zur Öffistation oder zum Parkhaus. Aber: Ist  das notwendig?

Wir leben in einer Gesellschaft mit chronischem Bewegungsmangel. Die meisten von uns sitzen nicht nur während der Arbeit, sondern auch in der Freizeit – vorm Fernseher, vor dem Computer, mit dem Handy. 

Laut der deutschen Gesundheitswissenschafterin  Hannah Frey legen Büroangestellte oft nur noch 800 bis 1000 Meter am  Tag zurück. Empfohlen wären dabei von der WHO sieben Kilometer (10.000 Schritte). Und nur zum Vergleich: Steinzeitmenschen – von denen wir uns genetisch nur wenig unterscheiden – legten im Schnitt 30 Kilometer zurück. 

Ist es also wirklich sinnvoll, diese letzte Meile der Alltagsbewegung auch noch abzugeben – nur weil die Alternative effizienter und bequemer  ist? Nur um nach der Arbeit ins Fitnesscenter zu hetzen, weil man sich ja im Alltag „so gar nicht mehr bewegt“?

annamaria.bauer@kurier.at Twitter: @AnnnaMariaBauer

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