Singvögel in der Sterneküche?

Singvögel in der Sterneküche?
Empfehlung des Tages: Ammer in Armagnac. Will Alain Ducasse eine verbotene französische Delikatesse wieder wachküssen?

Genießern ist er ein Begriff – er gilt als „König der Köche“. Immerhin erhielt der französisch-monegassische Alain Ducasse vom Guide Michelin als erster und einziger Cuisinier zeitgleich dreimal die Höchstwertung von drei Sternen für seine Kochkunst. Für seine Restaurants Le Plaza Athénée in Paris (wurde renoviert und vor kurzem wiedereröffnet), Alain Ducasse at the Essex House in New York und Le Louis XV in Monaco.

Jetzt allerdings scheint er sich ein wenig unbeliebt zu machen – zumindest bei Vogel- bzw. Tierschützern. Laut „Le Parisien“ soll er eine zeitweise Freigabe (etwa für ein Wochenende pro Jahr) der Ammerjagd (Singvögel) befürworten – gemeinsam mit drei anderen französischen Chefs. Das scheint allerdings nicht ganz nachvollziehbar, zumal sich der Starkoch erst unlängst zu seiner neuen Küchenphilosophie geäußert hatte. Demnachverbannt er im Plaza Athenee Fleisch von der Karte. Zur Nachrichtenagentur AFP sagte er: „Der Planet hat knappe Ressourcen, wir müssen sie ethischer, gerechter konsumieren.“ Fortan will er auf nachhaltig gefangenen Fisch und Meeresfrüchte und im Garten des Schlosses von Versailles angebautes Gemüse und Getreide setzen.

Französische Delikatesse

Für Menschen, die außer Hendl, Enten, Gänsen oder maximal Perlhuhn keine Vögelchen schmausen, zur Info: Der Ortolan, auch Gartenammer, ist ein Singvogel, etwa so groß wie ein Spatz, firmiert unter Gourmetkreisen aber als „Fettammer“. Und das kommt so: Er wird von Wilderern (Engrassieurs) mit Fallen gefangen, im Dunkeln 14 Tage lang gemästet, sodass er das Dreifache seines Gewichts zulegt, daher des Jägers Name „Engrassieurs“. Schließlich wird er in Armagnac ertränkt und in einem kleinen Spezial-Topf in Fett gegart. Besonders beliebt ist diese „Delikatesse“ in Frankreich – obwohl der Vogel offiziell geschützt ist, wird er illegal eingefangen. Längst existieren eigene Artenschutzprogramme.

Der Ortolan und die Schicksalssymphonie

Interessanter Nebenaspekt: Die Ammer soll mit ihrem Gesang Ludwig van Beethoven zur Komposition seiner 5. Symphonie inspiriert haben. Vielleicht heißt sie – im Kontext des Geschehens rund um den kleinen Vogel – deshalb „Schicksals“symphonie. Eine der berühmtesten Ortolan-Fans soll Francois Mitterand gewesen sein – „kein Silvestermenü ohne Ortolan“, soll Le President gesagt haben. Im Buch „Le dernier Mitterand“ schildert der Journalist Geroges-Marc Benamou, wie Mitterands letztes Abendmahl vor seinem Tod ausgesehen hatte: Nach 30 Austern, Entenstopfleber und Truthahn verspeiste er zwei Ammern. So, wie es üblich ist: Samt Kopf und den feinen Knochen, auch die Innereien (außer dem Magen) wurden vernascht.

So schmeckt Ammer

Wie so eine Ammer schmeckt? Wie Gänseleber und Trüffeln, heißt es. Auf jeden Fall zählt auch die Art und Weise wie der Vogel gegessen wird: Die Feinschmecker stülpen sich kurioserweise eine Serviette über den Kopf. Einerseits um den Duft konzentriert genießen zu können, andererseits um etwaige Geräusche, die beim Genuss entstehen, zu verdecken. In Ducasses Koch-Standardwerk „Grand Livre de Cuisine d’Alain Ducasse“ findet sich jedenfalls ein Ortolan-Rezept.

Dass Menschen Singvögel speisen ist nicht neu – und hat Geschichte: Amseln, Fink und Star landeten bereits vor mehreren hunderten Jahren auf den Tellern der gehobenen Gesellschaft. Auch in Italien sind Singvögel bei Feinschmeckern beliebt. In vielen Ländern – Italien, Zypern, Ägypten, um nur einige zu nennen - wird das Federvieh als Delikatesse geschätzt. Der Fang ist illegal – und nicht nur für Tierschützer der blanke Horror.

Was Menschen sonst noch Kurioses auf den Teller kommt

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