Riesenchance

Sophie Strobele lässt hinter die Kulissen des Model-Business blicken.
Unglaublich, aber wahr: Wie ich mich als Model zum Affen machte, um meine Karriere zu befeuern. Und das auch noch ohne Bezahlung.

Für eine redaktionelle Modestrecke in einem Magazin angefragt zu werden, ist zwar für ein Model eine Ehre, zugleich aber auch eine zweischneidige Sache. Einerseits kann so eine Chance mit etwas Glück zu einem gewaltigen Karrieresprung führen, andererseits ist es unbezahlte Arbeit. Sie haben richtig gelesen, unbezahlte Arbeit.

Aber auch wenn kein Honorar dabei herausspringt, kann so ein Modeshooting verlockend sein. Vor allem, wenn das Ergebnis aufsehenerregend ist. Denn das könnte durchaus den ein oder anderen Traumjob einbringen. Daher sind Magazin-Aufträge, hinter denen ein kreatives Team mit spannenden Ideen steht, begehrt.

So kam es, dass ich zusagte, als ein hochgeschätzter Fotograf und ein interessantes Magazin mich für ein außergewöhnliches Konzept anfragten. Da ich am Tag nach dem Shooting für einen Job nach Paris fliegen sollte, sah ich eine Riesenchance mit eindrucksvollen, neuen Bildern bei potenziellen Auftraggebern Eindruck zu schinden.

Aber Augen auf bei der Berufswahl! Vermutlich sehen Ihre karrierefördernden Aktivitäten anders aus als meine. Oder verliere ich mich völlig in Mutmaßungen, wenn ich annehme, dass es für Ihr berufliches Fortkommen eher hinderlich wäre, wenn Sie – so wie ich bei diesem Shooting – vom Scheitel bis zum kleinen Zeh komplett mit knallroter Farbe angemalt auf- und abhüpfen würden? In einem Latex-Catsuit. In 20 Zentimeter hohen Plateau-Overkneestiefeln. Vor einer Kirche. Weiters bezweifle ich, dass Sie, um Ihre Karriere anzufeuern, eine Hirnschale aus zwölf kunstvoll drapierten Softdrink-Dosen tragen würden, ohne ernsthaft ihren Berufsweg zu hinterfragen.

Zu erzählen, was in meinem Kopf vorging, als ich wild gestikulierend als neokapitalistischer Krampus vor der Kamera herumsprang, würde den Rahmen dieser Kolumne sprengen. Die Fotos waren toll, ein echter Hingucker. Und hoffentlich karrierrebeschleunigend für den Stylisten und den Fotografen. Ich aber, das Model, war auf den Fotos vor allem eines: tomatenrot. Unkenntlich.

Dafür blieben mir die extrem widerstandsfähigen Reste roter Körperfarbe noch für Tage als Andenken bei meiner Jobsuche in Paris.

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