Psychologie: Was hinter Klopapier-Hamsterkäufen steckt

Auch in Australien ist Klopapier derzeit sehr gefragt.
Es schützt nicht gegen das Virus und sichert auch nicht das Überleben. Dennoch ist Toilettenpapier aktuell gefragter denn je.

Zuerst waren die Mundschutzmasken ausverkauft, dann das Handdesinfektionsmittel. Neben Nudeln, Konserven aller Art, Obst und Gemüse, Duschgel und Zahnpasta ist auch Klopapier derzeit eine besonders begehrte Ware. Bilder aus aller Welt, die sich unter anderem über Social Media verbreiten, zeigen dieser Tage leergeräumte Regale in Supermärkten – und Menschen, die mit massenhaft Material fürs WC die Läden verlassen.

Doch wie ist das Horten von Toilettenpapier psychologisch zu erklären? Steven Taylor, Klinischer Psychologe und Autor des Buches "The Psychology of Pandemics" ("Die Psychologie der Pandemien"), zeigt im Interview mit CNN nur bedingt Verständnis für derartige Vorratskäufe: "Einerseits ist die Antwort verständlich, andererseits ist sie übertrieben. Wir können uns auch vorbereiten, ohne in Panik zu geraten."

Unbekannt und angstbehaftet

Das neuartige Coronavirus mache der Bevölkerung dem Experten zufolge primär deshalb Angst, weil es unbekannt ist. Und weil die Menschen widersprüchliche Botschaften über die mit dem neuartigen Virus verbundenen Risiken erhalten, würden sie dazu tendieren, auf das Extreme zurückzugreifen.

"Wenn den Leuten gesagt wird, dass etwas Gefährliches kommt, sie aber nur zum Händewaschen angehalten werden, scheint das angesichts der Bedrohung nicht angemessen zu sein", sagt Taylor. "Besondere Gefahren erfordern ja an sich auch besondere Vorsichtsmaßnahmen."

Neben der Angst vor den Auswirkungen des Virus stecke hinter Hamsterkäufen auch die Furcht vor langen Quarantäne-Phasen, erklärt Baruch Fischhoff, Psychologe von der Carnegie Mellon University in Pittsburgh, im Gespräch mit CNN. Dies würde im Ernstfall einen großen Vorrat an Klopapier notwendig machen.

Nachahmungseffekt

Nicht unwesentlich: Hamsterkäufe von Einzelnen lösen meist eine kollektive Kettenreaktion aus. In Zeiten der Digitalisierung werden soziale Netzwerke mit Bildern leerer Supermarktregale überschwemmt. Die Käufe verselbstständigen sich: "Menschen sind soziale Wesen und suchen im Alltag nach Hinweisen, was sicher und was gefährlich ist. Und wenn sie jemanden im Laden sehen, der in Panik Toilettenpapier kauft, kann dies einen Angst-Ansteckungseffekt verursachen", erklärt Fischhoff.

Für Notfälle

Hinter der großen Nachfrage nach Klopapier stecken auch praktische Gründe: Millionen Menschen sind derzeit in vielen Ländern dazu angehalten, ihr Haus oder ihre Wohnung nur in dringendsten Fällen zu verlassen. Wer genug Toilettenpapier hat, muss nicht nach draußen, um welches zu besorgen. "Das neuartige Coronavirus erzeugt eine Art überlebenskünstlerische Psychologie, in der wir so viel wie möglich zu Hause leben und uns daher mit dem Nötigsten eindecken müssen. Und dazu gehört sicherlich auch Toilettenpapier", sagt Frank Farley, Professor an der Temple University und ehemaliger Präsident der American Psychological Association, gegenüber CNN. Und fügt hinzu: "Wenn uns das Toilettenpapier ausgeht, durch was ersetzen wir es dann?"

Kontrolle erlangen

Zu guter Letzt geben Klopapier-Vorratskäufe der Bevölkerung auch ein Gefühl der Kontrolle – in unsicheren Zeiten einer Pandemie Mangelware. "Abhängig davon, wie Menschen die Chancen einschätzen, Toilettenpapier zu benötigen, könnte sich der Aufwand lohnen", sagt Buchautor Taylor. "Wenn es ihnen das Gefühl gibt, alles getan zu haben, was sie können, kann das befreiend wirken."

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