Fernseh-Nostalgie

Fernseh-Nostalgie
Vor 60 Jahren begann das TV-Zeitalter in Österreich. Das vorerst exklusive Vergnügen wurde zur Unterhaltung für die Massen und prägte den Alltag. Eine Zeitreise durch die ersten Jahre des Fernsehens.

Es begann um 20 Uhr mit der „Zeit im Bild“, dann ein bisschen „Aktueller Sport“, um 20.30 Uhr der Kurzfilm „Bei Almrausch, Speck und Enzian“. Dann noch ein „Filmstarbrettl“, und nach der zweiten „Zeit im Bild“ war um 21.30 Uhr schon wieder Schluss. Ein typischer TV-Abend Mitte der 50er-Jahre, als das Fernsehen laufen lernte. Und am Dienstag, da gab’s überhaupt kein Programm. Bundeshymne, Testbild, Rauschen – und aus. Ein einziger Sender mit zwölf Stunden Programm – pro Woche – das musste reichen. Heute bietet der ORF auf seinen vier Programmen ORF1, ORF2, ORFIII und ORF Sport+ mehr als 100 Stunden täglich. Und per Satellit können aktuell 106 deutschsprachige Sender empfangen werden.
Das hätte vor 60 Jahren keiner geglaubt, Staatsvertragskanzler Leopold Figl prophezeite dem neuen Medium keine Zukunft: „Des wird a wieder obkumman.“ Dies hat sich zwar nicht bewahrheitet, doch Alltag war das „Büldlradio“ damals noch nicht. 1960 gab es in Österreich 100.000 Fernsehbewilligungen, die erste Million war 1967 erreicht, heute sind es 3,2 Millionen.
Natürlich in Schwarzweiß, oft rieselte der Schnee über den Bildschirm oder das Bild begann überhaupt zu laufen. Mühselig mussten die Flügel der Libellenantenne ausgerichtete werden. Immer wieder.
Erst viel später, ab den 70er-Jahren, war es das Fernsehen, nach dem viele Menschen ihren Alltag takteten. Montag liefen Krimi-Serien – „Mit Schirm, Charme und Melone“, „Jason King“ oder „Solo für O.N.C.E.L.“ Der Mittwochnachmittag gehörte den Kindern mit Hund Lassie, Pferd Fury und dem Kasperl. Und Samstagabend erst Heinz Conrads und dann die große Show. Peter Alexander, Rudi Carrell, Hans Rosenthal, Hans-Joachim Kulenkampff. Adrett toupierte Ansagerinnen sorgten im ohnehin höchst übersichtlichen Programm für Orientierung. Das Fernsehen lieferte Unterhaltung und Gesprächsstoff. Wer Montagfrüh in die Arbeit oder in die Schule ging, musste wissen, was das TV-Wochenende gebracht hatte. Die Transparentbluse einer 17-jährigen „Wünsch dir was“-Kandidatin war wochenlang in aller Munde und die Frage, ob „Mundl“ authentisch oder ordinär oder gar beides ist, wird mitunter heute noch diskutiert. Dazu ließ es sich trefflich über’s Programm schimpfen. Aber (fast) alle sahen zu.
Mittlerweile hat das Internet das Fernsehen überholt. Via Streaming kann seit ein paar Jahren jeder sein eigener Programmdirektor sein. Die Zeiten, als knapp vier Millionen Menschen in Österreich gleichzeitig „Ich heirate eine Familie“, Wetten, dass ...“ oder „Dornenvögel“ sahen, wie in den 1980er-Jahren, sind Geschichte. Da konnten das erste Interview mit Natascha Kampusch oder der Stratosphärensprung Felix Baumgartners, die Highlights der 2000er-Jahre, nicht mithalten. Auch wenn diese Sendungen immerhin noch mehr als zwei Millionen vor das Fernsehkastl lockten.
Da war Fernschauen wieder Gemeinschaftserlebnis.

Von "Einer wird gewinnen" über den "Goldenen Schuss" bis "Wünsch dir was": Die großen TV-Shows zum Erinnern und Nachsehen.

Wünsch dir was (1969-1972). Dietmar Schönherr und seine Frau Vivi Bach, die dänische Blondine mit dem Lispeln, stellten Familien auf die Probe. Das Publikum zuhause tat mit – es wählte den Sieger durch den „Lichttest“ oder das Ziehen der Klospülung. Skandale und Skandälchen: eine Kandidatin mit Transparentbluse, ein Auto im Wasserbassin, die bunten Fassaden von Hundertwasser.

Der goldene Schuss (1964-1970). „Peter, den Bolzen.“ – „Der Kandidat hat 99 Punkte.“ Diese Sätze aus der Samstagabend- Show mit dem singenden Schweizer Vico Torriani sind geblieben. Torriani löste Lou van Burg ab, dessen Affäre mit einer Assistentin für einen Skandal gesorgt hatte. Das Neue damals: Das Publikum ist eingebunden und kann via Telefon die Armbrust steuern. Und auch Promis, wie Winnetou Lex Barker, kommen zum Zug.

Einer wird gewinnen (1964-1969 und 1979- 1989). Wissen über Kultur und Politik war gefragt bei Hans Joachim Kulenkampffs Show mit dem Titel, der auch für EWG (Europäische Wirtschaftsgemeinschaft) stand. Hübsche Assistentinnen hofierten Quizmaster Kuli, der übte sich in Schauspielerei, Butler Martin Jente reichte Schal, Mantel und Hut und sorgte für einen Abgang mit Ironie und Lachern.

Tritsch Tratsch (1979- 1984). Josef „Joki“ Kirschner spielt mit den Anrufern das Ladlspiel: In einem Kasten mit sechs Laden ist ein Brillantring versteckt. Man konnte aber auch ein Ticket für die U-Bahn in Moskau gewinnen. Ohne Anreise, versteht sich. Die blutjunge Vera Russwurm startet als schlagfertiges Tritsch-Tratsch-Girl ihre Karriere.

Am laufenden Band (1974-1979). Rudi Carrell, der nuschelnde Niederländer ließ vier Paare - Vewandte aus unterschiedlichen Generationen gegeneinander antreten. Der Gewinner durfte am Ende die Preise vom titelgebenden laufenden Band aussuchen. Einer der Sendungshöhepunkte: Boxer Muhammad Ali trat gegen die Sendungskandidaten in einem Show-Boxkampf an, Carell war der Ringrichter.

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