Das Schwein im Wald war früher ein Mensch
Das Schwein im Wald war früher ein Mensch

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Filmkritik

"The Lobster": Kafkaesker Paarzwang

Nur ein einziges Kino im deutschsprachigen Raum hat sich die Recht für diesen Film gesichert: Die wohl ungewöhnlichste Lovestory des Jahres ist exklusiv im Filmcasino zu sehen.

02/10/2016, 09:56 AM

Welches Tier wären Sie gerne, wenn Sie sich in eines verwandeln müssten? Hans Moser hätte wohl Reblaus gesagt, und John Lennon bestimmt ein Walross gewählt. David hingegen (gespielt von Colin Farrell, der sich für diese Rolle ein Bäuchlein angefuttert hat) wäre gern ein Hummer, weil diese Tiere theoretisch hundert Jahre alt werden - falls sie nicht schon wesentlich früher im Kochtopf landen -, aristokratisch blaues Blut haben und bis zuletzt ihre Fruchtbarkeit behalten. Dieser Wunsch bleibt nicht etwa ein Gedankenspiel, sondern der Mann würde tatsächlich nach allen Regeln der Ärztekunst in ein Krustentier verwandelt, vorausgesetzt, er findet nicht innerhalb eines bestimmten Zeitraums eine Lebenspartnerin, die eindeutig zu ihm passt. Angebahnt wird die mögliche Paarbildung in einem seltsamen Etablissement, das wie eine Mischung aus Gefängnis und Wellnesshotel wirkt. Man muss zwar alle persönlichen Gegenstände abgeben und geschlechtsspezifische Einheitskleidung anlegen, erhält aber luxuriöse Zimmer und darf die Zeit auf dem Golfplatz oder im Swimmingpool verbringen; abends stehen dann Tanzveranstaltungen mit Musik und Gesang auf dem Programm. David checkt dort in Begleitung eines Hundes ein, der früher sein Bruder gewesen ist und wird bald Teil der bizarren Rituale. Zum Beispiel werden alle Singles, deren (Menschen)Zeit abgelaufen ist, zu Freiwild erklärt und die Hotel-Bewohner machen mit Betäubungsgewehren Jagd auf sie: pro Abschuss erhält man als Bonus ein paar zusätzliche Tage Fristverlängerung für die eigene Partnersuche.

Auch ein Ausbruch aus dem gruseligen Ressort schafft da keine Erleichterung, denn die Gegenwelt im Wald, wo die Singles hausen, ist nicht viel besser, als die vorherige. Auch dort bleibt persönliche Freiheit ein Fremdwort und eine Führerin in Gestalt von Lea Seydoux gibt den strengen Ton an: sie zwingt jeden dazu, sich für den Fall der Fälle ein eigenes Grab zu schaufeln und schreckt selbst vor massiven Eingriffen in die Gesundheit ihrer Schützlinge nicht zurück.

Willkommen in der skurrilen Welt des griechischen Regisseurs Yorgos Lanthimos. In seiner ersten englischsprachigen Produktion bleibt er bewährten Themen treu, die ihn bereits in Filme wie „Dogtooth“ und „Alpen“ beschäftigt haben: Schwierigkeiten des Zusammenlebens, Emotionslosigkeit im Umgang miteinander, zwanghaftes Verhalten, Unterdrückung und Brutalität, die durch familiäre oder gesellschaftliche Herrschaftsverhältnisse hervorgerufen werden. Weitere Konstanten in seinem Werk sind Selbstverstümmelung und ein abruptes Ende. Lanthimos schafft absurde Ausgangssituationen, die er aber mit größter Folgerichtigkeit weiterspinnt. Die höchst ernsthafte Inszenierung führt immer wieder zu Momenten, in denen man zwischen Lachen, Ekel, Verblüffung und Entsetzen schwankt, falls man nicht gerade irritiert darüber nachgrübelt, was mit bestimmten Szenen eigentlich gemeint sein könnte. Seine Figuren werden zu Opfern von unverständlichen Gesetzen und sind Gefangene grausamer Konventionen, denen man offenbar niemals entkommt. Der Käferfreund Kafka hätte seine dunkle Freude daran gehabt!

8 von 10 maulwurfsschwarzen Vertiertheitspunkten

franco schedl

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Die imposanten Filme von Yorgos Lanthimos gehen von einer surrealen Situation aus und spielen sie realistisch durch, während einzelne Charaktere aus dem Rahmen fallen.

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