Wiens ÖVP-Chef: "Keine Koalition um jeden Preis"

ÖVP-Chef Manfred Juraczka ist für ein Ende der Wiener U-Bahn-Steuer.
Bei einer Regierungsbeteiligung hat Manfred Juraczka die Wirtschaftsagenden vor Augen.

Am Freitag blieb in der Wiener Stadtpolitik kein Stein auf dem anderen. Mit einem Überraschungscoup holte SPÖ-Bürgermeister Michael Häupl den Grünen Integrationssprecher in seine Partei und verhinderte so eine große Wahlrechtsreform. Das Klima zwischen Rot und Grün ist auf dem Tiefpunkt.

Das könnte sich auch für die Zeit nach der nächsten Gemeinderatswahl auswirken. Nach dem Krach sind die Chancen von ÖVP-Chef Manfred Juraczka gestiegen, bei der nächsten Koalitionsbildung im Herbst doch eine Rolle zu spielen. Der KURIER sprach mit ihm, was er in Wien vor hat.

KURIER: Wir müssen die ÖVP auf die Höhe der Zeit bringen, hat Staatssekretär Mahrer zum Evolutionsprozess der Bundespartei gesagt. Welche Erkenntnisse haben Sie dabei für Wien gezogen?

Manfred Juraczka: Wir haben gerade in Wien politische Kräfte, die glauben, dass alle Menschen jenen Lebensentwurf leben müssen, den sie für richtig halten. Das gilt besonders für die Grünen. Die ÖVP ist da viel stärker die Partei der Wahlfreiheit und Eigenverantwortung. Dort liegt für mich die Zukunft.

In Ihrem Wahlkampf kritisieren Sie eine rot-grüne Bevormundung der Wiener. Welche Form der Freiheit wünschen Sie sich?

Wir brauchen ganz zuoberst ein Demokratiepaket mit einem ein ganz massiv verstärkten Persönlichkeitswahlrecht. Aber auch eine Bürgerbeteiligung, die diesen Namen verdient. Da ist absolut nichts passiert.

Jetzt hat die SPÖ einen Grünen Gemeinderat an Bord geholt. Was bedeutet das für die Demokratie?

Ich finde es demokratiepolitisch und moralisch bedenklich, wenn es "Mandatare for Rent" gibt. Und der Preis ist ja kommuniziert: ein sicheres Mandat in der nächsten Legislaturperiode.

Geht es Ihnen nur um demokratische Prozesse?

Nein. Das geht es auch um den Verkehr. Ich bin dafür, die Öffis weiter zu attraktivieren. Aber die Letztentscheidung, wie jemand mobil sein will, muss beim Einzelnen und nicht bei der Frau Vassilakou liegen. Und wir brauchen weiterhin die Wahlfreiheit der Bildung. Ich halte es für dramatisch, dass in Wien seit Jahren keine Unterstufe des Gymnasiums eröffnet wurde und gleichzeitig die Neue Mittelschule nicht funktioniert.

Sie sprechen von schikanierten Autofahrern und Leistungswilligen. Was gefällt Ihnen nicht?

Schikane ist, wenn man verspricht, ein faires Parkraumbewirtschaftungsmodell zu präsentieren und es nicht tut. Denn derzeit haben wir den Pfusch, dass Parken am Wilhelminenberg so viel wie eine Stunde Am Hof kostet. Da haben wir keinen Lenkungseffekt.

Die ÖVP will in Wien mitregieren, sagen Sie.

Das ist unser Selbstverständnis. Aber eine Koalition muss auch die Handschrift der VP tragen. Eine Regierungsbeteiligung um jeden Preis spielt es mit mir nicht.

Welches Ressort könnte Sie interessieren?

Ich glaube, in der Wirtschaftspolitik gibt es viel zu tun. 20 Prozent der österreichischen Bevölkerung wohnen in Wien, aber auch 35 Prozent der Arbeitslosen und 60 Prozent aller österreichischen Mindestsicherungsbezieher. Der wirtschaftspolitische Hausverstand in dieser Stadt ist abhanden gekommen.

Nennen Sie drei Projekte, die Sie als Wirtschaftsstadtrat angehen würden?

Wir brauchen mehr Unternehmensranreize. Ich bin für die ersatzlose Streichung der Dienstgeberabgabe, oder U-Bahn-Steuer. Die ist ein massiver Wettbewerbsnachteil.

Was ist mit den anderen Gebühren und Abgaben?

Das Valorisierungsgesetz ist für mich politische Feigheit. Denn das Gesetz, das automatisch alles verteuert, umfasst auch Dinge, die nur kostendeckend sein sollten. Wenn man hier Mittel braucht, dann sollte die Politik den Mut haben, die im Bedarfsfall zu beschließen.

Und der dritte Punkt?

Das ist die finanzielle Dotation der Bezirke, um Betriebe ansiedeln zu können.

Wie passt das mit einer schlankeren Verwaltung zusammen?

Es gibt Beispiele, die zeigen, dass Föderalismus sparsam sein kann. Ich bin dafür, dass Bezirksvorsteher aktiv auf Unternehmen zugehen, und sagen, bitte bleibt bei uns.

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