Kieferbruch im Wachzimmer bleibt straffrei

Das Diebstahlsopfer erlitt einen Kieferbruch, zudem wurde ein Nerv durchtrennt.
Diebstahlsopfer im Spital: Es blieb nur ein Prozess mit Freispruch gegen Beamtin über, die den Mann geduzt haben soll.

Die Amtshandlung ist nicht gerade glücklich abgelaufen“, formuliert die Verteidigerin der angeklagten Polizistin, Astrid Wagner. Das kann man wohl sagen. Der Bauleiter Enes Beganovic, der in einem Wiener Wachzimmer als Diebstahlsopfer befragt werden sollte, landete mit Kieferbruch im Spital.

Kieferbruch im Wachzimmer bleibt straffrei
Polizeiopfer, Beganovich

„Sechs Beamte saßen auf meiner Brust. Ich habe Blut gespuckt und wäre fast erstickt. Ein Polizist brachte einen Kübel, in den ich hineinspucken konnte“, schildert Beganovic im KURIER-Gespräch. Nein, deswegen musste sich die Polizeibeamtin am Freitag im Wiener Landesgericht nicht verantworten. Bei ihr ging es um eine Lappalie: Hat sie Beganovic damals geduzt?

Die Amtshandlung liegt eineinhalb Jahre zurück. Beganovic war in einem Bordell seine Brieftasche mit 2500 Euro gestohlen worden, als er gerade ... sehr abgelenkt war. Der 35-Jährige ist kein Waserl, wie man in Wien sagt. Er hat schon Erfahrung mit der Justiz, aber mit der Staatsgewalt hat er sich noch nie angelegt. Dass die Beamten seine Anzeige nur zögerlich aufnahmen, ärgerte ihn. Auf seine Beschwerde soll er ein „Halt die Goschen!“ geerntet haben. Hier kommt die Polizistin ins Spiel. Beganovic bestand darauf, von ihr per Sie angesprochen zu werden, woraufhin die Beamtin (angeblich soll er auch aufgerieben haben) Verstärkung holte: Kieferbruch und ein durchtrennter Nerv unter dem blauen Auge waren die Folgen.

Freispruch

Angeklagt wurde – Beganovic: Er habe sich der Festnahme widersetzt. Eine Richterin empfand die Aussagen der Polizisten als teil widersprüchlich, teils abgesprochen und sprach Beganovic frei. Dass die Polizistin den Mann geduzt hatte, was sie selbst im Prozess bestritt, sagten mehrere Zeugen aus. Daraus bastelte die Staatsanwaltschaft eine Anklage wegen falscher Zeugenaussage gegen die Beamtin. Alle anderen Verfahren gegen die Polizisten, die Beganovics Anwalt Karl Bernhauser wegen Amtsmissbrauch, Körperverletzung und Verleumdung angezeigt hatte, wurden eingestellt. Bernhauser bringt einen Fortführungsantrag bei Gericht ein.

Die Polizistin – eine, die bei jedem zweiten Satz „genau“ sagt – wurde am Freitag freigesprochen, was schon auf der Hand gelegen ist. Wenn ihr jemand bei einer Amtshandlung sehr nahe komme, könne ihr schon ein Du entweichen, erklärte die 27-jährige Beamtin. Damals sei sie aber – trotz aufgebrachter Stimmung – beim Sie geblieben.

Beganovic wurde bei diesem Prozess übrigens der Opferstatus aberkannt, es liege keine Schädigung vor, sagte die Richterin. Wegen der Folgen der Amtshandlung hat Bernhauser für Beganovic Amtshaftungsklage eingebracht und fordert vorerst 15.000 Euro.

Die Staatsanwaltschaft prüft rund 600 Misshandlungsvorwürfe gegen Polizisten im Jahr. Da sind sicherlich viele Retourkutschen von verärgerten Beamtshandelten dabei, aber dass Polizisten grundsätzlich nie die Hand ausrutscht, wird niemand ernstlich glauben. Fast alle Anzeigen werden aber eingestellt, nur ein oder zwei Fälle landen vor Gericht.

Darunter solche Alibi-Anklagen wie jene, der ein Freispruch folgen musste. Bei Anklagen gegen die Opfer von eskalierten Polizeieinsätzen wegen Widerstandes haben die Staatsanwälte weniger Hemmungen. Das Vertrauen in Exekutive und Justiz fördert das alles keineswegs.

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