Weichen für Ärztestreik sind gestellt

Ärzte sind kampfbereit
93 Prozent der Ärzte in Wiens Gemeindespitälern streikbereit. Erste Aktionen im September möglich.

In den Wiener Gemeindespitälern stehen die Zeichen auf Sturm: Fast 93 Prozent der 3500 Ärzte des Krankenanstaltenverbunds (KAV) sind streikbereit. Das ist das Ergebnis einer Umfrage der Ärztekammer, die in den vergangenen Wochen durchgeführt wurde. Die Beteiligung lag bei 63,5 Prozent.

Anlass der Umfrage war die zuletzt vom KAV angekündigte Streichung von rund 40 Nachtdiensten und die Umwandlung von 25- auf 12,5-Stunden-Dienste. Dies sei laut Ärztekammer ein Bruch bestehender Vereinbarungen, wonach zwingende Voraussetzung für solche Schritte begleitenden Maßnahmen wie ein Ausbau der Notfall-Versorgung seien. Diese seien aber nicht ausreichend erfolgt.

Der Hintergrund: Seit dem Vorjahr dürfen Spitalsärzte österreichweit nur mehr durchschnittlich 48 Stunden pro Woche arbeiten. Diese Regelung wurde auf Druck der EU verabschiedet. Im Gegensatz zu anderen Bundesländern bzw. Spitalsträgern kommt es bei der Umsetzung im KAV immer wieder zu Konflikten. Schon im Vorjahr hatte sich die überwiegende Mehrheit der KAV-Ärzte in einer Umfrage streikbereit gezeigt. Damals ging es unter anderen um die Abgeltung von Feiertags- und Wochenenddiensten. In letzter Minute kam es dann doch noch zu einer Einigung mit der Stadt. Der Streik wurde abgeblasen.

Diesmal dürften die Fronten wesentlich härter sein: "Die Wiener Kollegenschaft hat ein klares Machtwort gesprochen", sagt der Wiener Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres. "Falls der KAV auf seiner Linie beharrt und weiter das Ziel von Personalausdünnung und Leistungsminimierung verfolgt, werden wir dieses Mandat sehr ernst nehmen und gegebenenfalls auch umsetzen." Die Kammer wird am Mittwoch das weitere Vorgehen beraten und wohl schon erste konkrete Kampfmaßnahmen beschließen.

Möglicher Ablauf

Ein mögliches Szenario, das bereits Anfang September auf die Patienten zukommen könnte, ist ein eintägiger Warnstreik, ist aus Ärztekreisen zu vernehmen. Denkbar sind aber auch Betriebsversammlungen (zum Beispiel zwei Stunden am Vormittag) an jeweils ein bis zwei Spitälern, auf denen etwa über arbeitsrechtliche Fragen diskutiert wird. Sollten diese Aktionen zu keinem Einlenken des KAV im Sinne der Ärzte-Forderungen führen, droht eine schrittweise Verschärfung der Kampfmaßnahmen.

Patienten werden sich also auf längere Wartezeiten einstellen müssen. Die Versorgung von Notfall-Patienten soll aber jederzeit gewährleistet sein. Zum Beispiel, indem man während eines möglichen Streiks für die einzelnen Spitalsabteilungen einen Notdienst organisiert – in Form der üblichen Besetzung in der Nacht bzw. an Sonn- und Feiertagen.

Starre Fronen

Beim KAV bleibt man jedenfalls hart: "An der Umsetzung des vereinbarten Paktes führt kein Weg vorbei", betont Generaldirektor Udo Janßen. "Wir fühlen uns an die Vereinbarung gebunden und erwarten das Gleiche von der Ärztekammer."

Es gehe auch nicht um die ersatzlose Streichung von Nachtdiensten. Vielmehr würde im Gegenzug die Präsenz der Ärzte tagsüber erhöht. Einmal mehr verweist Janßen darauf, dass die Ärzte im Zuge der Abmachung ein um 30 bis 50 Prozent höheres Grundgehalt ausbezahlt bekommen.

Allerdings räumt man im KAV ein, dass man die Umstrukturierungen nicht ausreichend kommuniziert habe. Man wolle daher den Dialog mit den Ärzten intensivieren, um die Vorteile der neuen Dienstzeiten für die Ärzte und Patienten zu verdeutlichen.

Nach dem deutlichen Votum für Streikmaßnahmen in den Gemeindespitälern gibt sich Wiens Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres, Initiator der Umfrage, kämpferisch.

KURIER: Am Mittwoch berät die Ärztekammer das weitere Vorgehen. Was wird bei der Sitzung beschlossen?

Thomas Szekeres:Wenn man ohne Begleitmaßnahmen fast 15.000 Nachtdienste pro Jahr streicht, muss das Konsequenzen haben. Sollte der Krankenanstaltenverbund (KAV, Anm.) nicht rasch einen Rückzieher machen, gehe ich davon aus, dass schon am kommenden Mittwoch Kampfmaßnahmen beschlossen werden.

Laut KAV sind dafür aber mehr Ärzte tagsüber anwesend.

Ich sehe diese angeblich erhöhte Tagespräsenz nicht. Zuletzt kam es immer wieder zu Leistungseinschränkungen. Auch die Notfall-Versorgung oder jene außerhalb der Spitäler wurde nicht wie vereinbart ausgebaut. Umso mehr bin von der Reaktion des KAV auf das Umfrage-Ergebnis enttäuscht, der lediglich von einem Kommunikationsproblem spricht. In Wahrheit wird aber die Gesundheitsversorgung in den Gemeindespitälern zurückgefahren.

Worauf müssen sich die Patienten im Falle eines Streiks einstellen?

Es ist auf alle Fälle nicht unser Ziel, dass die Versorgung von Notfall-Patienten eingeschränkt wird.

Würden sich die Ärzte damit zufrieden geben, wenn es personelle Änderungen im KAV-Management gibt – wie im Zuge der Umfrage gefordert?

Wenn ein Spitalsmanager die Ärzte so vor den Kopf stößt, dass 93 Prozent gegen ihn sind, ist das nicht gerade ein Beweis für erfolgreiches Handeln.

Heftige Kritik übt die Ärztekammer am Probebetrieb der eMedikation, die seit Ende Mai im steirischen Bezirk Deutschlandsberg läuft. Das Projekt ist Teil der elektronischen Gesundheitsakte ELGA. Das System dient dazu, dass der Arzt auf einen Blick sieht, welche Medikamente sein Patient einnimmt. So lassen sich mögliche Wechselwirkungen und unnötige Verschreibungen hintanhalten.

Ursprünglich hätten sich etwa 30 Ärzte für die Teilnahme beim Pilotprojekt angemeldet. "Jetzt sind aber nur noch zwölf Ärzte eingebunden", kritisiert Vizepräsident Johannes Steinhart. "Wenn so wenige mitmachen, könnte die Evaluierung schwierig werden. Gemessen an der Gesamtzahl von rund 8000 Kassenärzten und 10.000 Wahlärzten ist diese Gruppe geradezu fahrlässig klein."

Technische Probleme

Wie berichtet, hatten die Ärzte vor allem zu Beginn mit technischen Problemen zu kämpfen, etwa eine zu langsame Internet-Verbindung. Für Ärger sorgt auch der Zeitaufwand bei der Eingabe der Arzneien. "Das ist die mit Abstand größte EDV-Baustelle in den 28 Jahren meiner Praxis", kritisiert etwa Gottfried Trinkl, Allgemeinmediziner in Pölfing-Brunn. "Weder die EDV-Firma noch wir wurden ausreichend vorbereitet. Für Steinhart gibt es nur eine Lösung: "Die eMedikation muss zurück an den Start."

Zuständig für das Projekt ist die SVC, die zum Hauptverband der Sozialversicherungsträger gehört. Dort weist man die Kritik zurück: "Seit dem Start sind sogar weitere Anmeldungen dazu gekommen. Es konnten aber noch nicht alle Ärzte zu arbeiten beginnen, weil deren Software erst im Laufe des Probebetriebs einsatzbereit wird", betont eine Sprecherin. Von den meisten Teilnehmern habe man ein positives Feedback, zudem werde sie Software laufend verbessert. Am Zeitplan hält man fest: Die eMedikation werde im Herbst bei allen weiteren Ärzten in Deutschlandsberg in Betrieb genommen, bis Ende 2017 soll das System österreichweit installiert werden.

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