Vorerst keine Monatskarte für Asylwerber

Omar (li.) und Muhammad: Der Kauf jeder Karte wird lange überlegt
Flüchtlingskoordinator für generelle Freifahrt. Opposition ist strikt dagegen, Finanzierung ist völlig unklar.

"Sie haben mir im Krieg so viele Knochen gebrochen", sagt Omar und deutet auf seine Beine. Er hat starke Schmerzen, dennoch geht er fast täglich mehrere Kilometer zu Fuß. Und zwar um zu sparen: Wie alle Flüchtlinge lebt der junge Iraker von 40 Euro Taschengeld im Monat. Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln um 2,20 Euro pro Strecke müssen daher wohlüberlegt sein. Nun wurde die – durchaus umstrittene – Forderung laut, Flüchtlingen kostenlose Monatskarten zur Verfügung zu stellen.

Bereits jetzt müssen Flüchtlinge nicht alle Fahrten selbst bezahlen: Handelt es sich um unbedingt notwendige Wege – auf ein Amt, zum Arzt oder in den Deutschkurs – können Asylwerber das Fahrgeld erstattet bekommen.

Papierkrieg

Dies ist freilich mit beträchtlichem Papierkrieg verbunden: Fahrschein plus Arzt- oder Amtsbestätigung müssen bei einer NGO abgegeben werden, diese reicht die Papiere an die Länder-Leitstelle der Grundversorgung weiter. Dort wird die Anfrage geprüft und danach das Geld der NGO überwiesen, die es wiederum dem Asylwerber zurückgibt.

Um diesen bürokratischen Aufwand zu reduzieren, forderte der Wiener Flüchtlingskoordinator Peter Hacker in der ORF-Sendung Wien heute nun Gratis-Monatskarten für Flüchtlinge. Das würde in Wien derzeit rund 10.000 Menschen betreffen.

Vorerst keine Monatskarte für Asylwerber
Interview mit Peter Hacker, Geschäftsführer des Fonds Soziales Wien, am 27.07.2015. Anfang Juli wurde Peter Hacker zum Projektleiter für das Flüchtlingswesen in Wien ernannt.
So auch den Iraker Omar oder den Syrer Muhammad: Viele Strecken legen sie zu Fuß zurück, den einen oder anderen Fahrschein bekamen sie geschenkt. Aber eine Monatskarte um 48,20 Euro könne er sich nicht leisten, sagt Muhammad. Eine ermäßigte oder kostenlose Monatskarte wäre daher eine große Erleichterung im Alltag. Dass diese Forderung heikel ist, ist den beiden bewusst: "Viel lieber würde ich selbst für meine Karte bezahlen", betont Omar. "Ich würde auch jede Arbeit machen, die man mir gibt – nur leider darf ich nicht arbeiten."

Das Thema eignet sich jedenfalls trefflich, um große Aufregung zu erzeugen. Wiens ÖVP-Obmann Gernot Blümel etwa sagt: "Das ist ein vollkommen falsches Zeichen der rot-grünen Willkommenskultur." Für Vizebürgermeister Johann Gudenus (FPÖ) ist der Vorschlag gar "absurd": "Die Wiener stöhnen unter der Gebührenerhöhung – schließlich wurden die Öffi-Tarife vor noch nicht allzu langer Zeit drastisch angehoben, und die Autofahrer werden sowieso bei jeder Gelegenheit belastet. Sie sind es, die nun auch noch für die Freifahrt der Tausenden Zuwanderer aufkommen müssen."

Im Büro von Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou (Grüne) hingegen freut man sich: Es sei sinnvoll und erfreulich, dass es jetzt derartige Überlegungen gebe.

Auch die Wiener Linien zeigen sich dem Vorschlag gegenüber nicht abgeneigt: Große Ermäßigungen – wie etwa die Schülerfreifahrt – gebe es immer wieder, die Kosten übernehme jedoch zumeist Bund oder Stadt.

Geldgeber gesucht

Stellt sich also die Frage: Wer soll diesmal bezahlen? Laut Innenministerium beträgt das Budget für Fahrtkosten der Flüchtlinge in ganz Österreich pro Jahr rund zwei Millionen Euro. Um die Größenordnung zu veranschaulichen: Monatskarten für alle Flüchtlinge in Wien könnten rund sechs Millionen Euro kosten.

Im Innenministerium betont man zwar, neuen Vorschlägen gegenüber offen zu sein. Mehr Geld für Fahrtkosten werde aber auch künftig nicht zur Verfügung stehen.

Vorerst keine Monatskarte für Asylwerber
Wehsely: „Bettenzahlen sagen nichts über die Leistung aus“
Bleibt die Finanzierung durch die Stadt Wien: Sozialstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ) lässt sich jedoch nicht in die Karten blicken. Man verhandle mit Ministerium und Wiener Linien; dem wolle man nicht vorgreifen.

Allzu schnell werden Omar und Muhammad also wohl nicht zu Monatskarten kommen.

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