Vermisster Wiener: Experte sieht Zusammenhang

Martin Bohdal, seit 17 Jahren vermisst
Datenforensiker prüfte und hält es für wahrscheinlich, dass der Obdachlose tatsächlich Martin Bohdal ist.

Ein wirklich interessanter Fall, es gibt eine sehr hohe Übereinstimmung. Besonders die Augenbrauen und die Nase schauen ident aus." Das sagt der Linzer Kriminalbeamte und Sachverständige für Datenforensik Uwe Sailer. Für den KURIER hat er den spektakulären Fall rund um den seit 17 Jahren vermissten Martin Bohdal untersucht. Der Wiener könnte, wie berichtet, in Süditalien überraschend wieder aufgetaucht sein.

Vermisster Wiener: Experte sieht Zusammenhang
Biometrie, Martin Bohdal, Vermisst

Aufgrund des Bartes und der langen Haare sei ein Vergleich schwierig, betont Sailer, aber der "eiförmige Kopf" sei ident. Vor allem fünf auffällige Merkmale in der Gesichtspartie zeigen eine mögliche Übereinstimmung. So gebe es über dem rechten Auge einen auffälligen Oberlidrand. "Das ist alles bei dem Obdachlosen deutlich stärker ausgeprägt, aber bei so einem Lebensstil und dem fortgeschrittenen Alter wäre das normal", erklärt der Datenforensiker.

Übereinstimmungen gefunden

Vermisster Wiener: Experte sieht Zusammenhang
Uwe Sailer, Datenforensiker, Polizist, Aufdecker, Linz, OÖ

Beim linken Auge sind gleich drei Übereinstimmungen zu finden. Ein sogenanntes Karunkel (knotenförmige Erhebung, Anm.) in Nasennähe, eine gleiche Unterlidfalte und eine übereinstimmende Augenhöhlenfalte. Dazu gebe es laut dem Sachverständigen noch weitere Punkte, die ähnlich scheinen, aber anhand der Fotos nicht restlos geklärt werden können. "Am Ende muss es eine DNA-Probe klären", sagt Sailer.

"Der Obdachlose sprach völlig verwirrt und sagte immer wieder die Namen Martin und Andreas", berichtet Giovanni Mele. Er ist Ingenieur und brachte den aufsehenerregenden Fall ins Rollen. Er fand den Obdachlosen im süditalienischen Terlizzi. Seit 17 Jahren gilt Martin Albert Bohdal als vermisst, im vergangenen März wurde er für tot erklärt. An einem Sommerabend wechselte er mit dem Vagabunden zunächst nur ein paar Worte, erzählt er. "Er war immer höflich und lächelte", berichtet Mele dem KURIER.

RAI rollte den Fall auf

Anschließend surfte Mele im Internet auf verschiedenen Vermisstenseiten und stieß bei der RAI-Sendung "Chi l’ha visto?" (Wer hat ihn gesehen?) auf das Bild des Wieners, der 1998 nach der "Fête Blanche" in Velden spurlos verschwunden war. Zurück blieb damals sein Porsche 911 vor dem Hotel Leopold. Bis heute ist der Vorfall rätselhaft. Freunde von ihm gerieten sogar unter den Verdacht der unterlassenen Hilfeleistung.

Die lokale Stadtpolizei in Terlizzi schien zunächst offenbar wenig motiviert, die Sache mit dem Obdachlosen aufzuklären. Sie verwies darauf, dass der Mann schließlich volljährig und es seine Privatsache sei, wenn er sich nicht bei seiner Familie melden würde. Mele verständigte den TV-Sender, der sich der Sache annahm und den Fall veröffentlichte. Aktuell sind auch das Außenministerium und die Botschaft in Rom involviert.

Interpol ermittelt

Momentan liegt der Fall bei Interpol. Das Landeskriminalamt Kärnten hat eine Anfrage an die italienische Polizei gestellt und wartet auf Antwort. "Prinzipiell stimmt es, dass so ein Fall für die Polizei Privatsache ist, das wäre auch bei uns so. Allerdings gab es damals Ermittlungen wegen eines möglichen Unfalls und damit ist das hinfällig", erklärt Polizeisprecher Rainer Dionisio.

Bis es ein endgültiges Untersuchungsergebnis gibt, dürften noch Wochen vergehen. Die Kriminalisten gehen davon aus, dass die italienische Polizei eine DNA-Vergleichsprobe anfordern wird. Diese wurde bisher offenbar noch nicht gezogen. Unklar ist, ob die italienische Polizei den Mann bisher überhaupt gefunden hat und wo er sich derzeit aufhält.

"Sensationsstory"

Die Familie von Bohdal, die seinerzeit mit Flugblättern nach dem Vermissten suchen ließ, lebt in Wien. Über ihren Anwalt lässt die Mutter mitteilen, dass sie keinen Kommentar zu den aktuellen Entwicklungen in dem Fall abgeben möchte.

Ein langjähriger Freund von Martin Bohdal wirft dem italienischen Staatssender RAI hingegen vor, nur eine "Sensationsstory" gemacht zu haben, die bei der Familie alte Wunden aufreißen würde. Die Mutter des Vermissten war in die Sendung eingeladen worden, lehnte deshalb aber einen Besuch im Studio ab, berichtet der Freund und Immobilienhändler dem KURIER.

Er selbst sieht wenig Wahrheitsgehalt an der ganzen Sache: "Martin war 168 cm groß und hatte braune Haare. Nicht schwarze, wie der ergraute Herr."

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