Überlastete Justiz sucht dringend Staatsanwälte

Staatsanwälte dringend gesucht.
In Wien sind derzeit 36 Stellen unbesetzt, viele Verfahren verzögern sich. "Es brennt der Hut", heißt es in der Oberstaatsanwaltschaft.

Staatsanwälte sind in Filmen häufig die Helden. Sie kämpfen für Gerechtigkeit und gegen das Böse. Wer will nicht in so eine Rolle schlüpfen? In der Realität wollen das reichlich wenig – oder besser gesagt zu wenige. Die Lust am Anklagen scheint schaumgebremst, der Mangel an Staatsanwälten ist evident. Im Sprengel Wien, in dem es mit der Korruptionsstaatsanwaltschaft und riesigen Wirtschaftsverfahren à la Grasser & Co. den meisten Bedarf gibt, sind 36 der 210 Planstellen (inklusive der Staatsanwältinnen in Mutterschutz) unbesetzt. Über die Situation klagt Michael Klackl, interimistischer Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien: Staatsanwälte seien "überlastet. Es brennt der Hut". Auch Gerhard Jarosch, Präsident der Staatsanwälte-Vereinigung, beklagt (in einem Falter-Interview) den Personalmangel.

Konsequenzen, die niemand beim Namen nennt, liegen auf der Hand: Verfahren ziehen sich noch mehr in die Länge, für Fälle freigestellte Staatsanwälte sind Luxus.

Im Kampf um fähiges Personal hat die Justiz einen mächtigen Konkurrenten – den Berufsstand der Rechtsanwälte. Die Aussicht auf eine gut gehende Kanzlei mit Traumhonoraren lockt viele. Im Vergleich dazu verdient ein Staatsanwalt im ersten Jahr 4000 Euro brutto monatlich. Unter Justizministerin Karl begann man gezielt, Anwälte anzuwerben. In Summe wechselten 40 Personen ihren feinen Zwirn gegen einen Talar. Interessenten sind willkommen, heißt es aus dem Justizressort. Dass sich zu wenige Kandidaten finden, führt Klackl auf die geringe Bekanntheit des Berufsbildes zurück: "Als Student denkt jeder an den Richter, aber was macht der Staatsanwalt?" Klackl organisiert mit der Strafrechtsprofessorin Susanne Reindl-Krauskopf Info-Veranstaltungen auf der Uni, bei denen Praktiker aus ihrem Beruf berichten. Anzeichen für eine Trendumkehr seien schon zu erkennen.

Kompetenzzuwachs

Der Leiter der Generalprokuratur, Werner Pleischl, führt die Unterbesetzung auch auf den Kompetenzzuwachs für die Behörde zurück. Einerseits hat der Staatsanwalt als Leiter des Ermittlungsverfahrens (womit er am 1. 1. 2008 den U-Richter abgelöst hat) mehr Verantwortung, was den Beruf aufwertet, andererseits konnte man mit der dafür notwendigen Verdoppelung der Planstellen bei der Nachbesetzung nicht Schritt halten. Von einer Verkürzung der (inklusive Gerichtsjahr) vierjährigen Ausbildung hält er nichts.

Im Justizministerium verweist man darauf, dass gerade die Besetzung von drei Stellen laufe. Mit dem Ausbau der Behörden, vor allem der Korruptionsstaatsanwaltschaft (von fünf auf 40 Stellen) habe die Zahl der Anwärter "nicht ganz mitgehalten". Bis Jahresende werde die Differenz weiter schrumpfen. Der Beruf sei attraktiv. Außerhalb Wiens seien alle Posten besetzt.

Der Ex-Staatsanwalt Wolfgang Mekis, dem die Freundschaft zu einem Autoverleiher berufliche Probleme eingetragen hat, ist den umgekehrten Weg gegangen. "Ich lebe nach wie vor vom Verbrechen", sagt er, nun aber als Rechtsanwalt. Mekis hat sich seine Klienten quasi mitgenommen: "Einen hab’ ich als Staatsanwalt ins Gefängnis gebracht, der hat für einen Kopfschuss den Frack gekriegt (lebenslange Haft, Anm.), der hat mir geschrieben, ich soll ihn auch wieder rausholen." Nach 18 Jahren gelang es Mekis, eine bedingte Entlassung zu erwirken.

Den Beruf des Anklägers findet Mekis attraktiv genug, auch wenn es kein "Drei-Stunden-Job" mehr sei wie zu seiner Zeit: "Wenn ich mittags keinen leeren Schreibtisch hatte, war ich schon nervös." Für viele Strafverteidiger, die ihre Kanzlei in der eigenen Wohnung aufschlagen und zu Dumpingpreisen arbeiten, sei ein Job als Staatsanwalt "in der geschützten Werkstätte doch ein Hammer".

Ausbildung

Richter und Staatsanwälte haben eine gleichwertige Ausbildung. Sie dauert inklusive Gerichtsjahr vier Jahre.

Angeworben

Die Justiz warb bereits 40 Anwälte für den Job in einer Anklagebehörde an.

Aktuelles in Zahlen

2706 Anwälte waren Ende 2013 bei der Wiener Kammer registriert. Bundesweit waren es 5805. 210 Planstellengibt es im Sprengel der Oberstaatsanwaltschaft Wien.

Kommentare