Überfall womöglich fingiert: Freispruch

Überfall womöglich fingiert: Freispruch
Für Gericht keine Beweise, dass 28-Jähriger Diamanten im Wert von 700.000 Euro erbeutet hat.

Eine nicht alltägliche Wende hat am Montag das Strafverfahren gegen einen 28-jährigen Mann genommen, dem vorgeworfen worden war, bei einem Überfall auf einen Juwelier in der Wiener Innenstadt Diamanten im Wert von 700.000 Euro erbeutet zu haben. Der vermeintliche Räuber wurde freigesprochen, seine unverzügliche Enthaftung angeordnet. Der Mann war seit 22. September 2014 in U-Haft gesessen.

Der von Verteidiger Nikolaus Rast vertretene Angeklagte hatte im Straflandesgericht versichert, der Überfall wäre in Wahrheit fingiert gewesen. Er sei am 30. Dezember 2013 von einem Bekannten zu dem Juwelier geschickt worden und habe diesem wie vereinbart eine Aktentasche abgenommen.

Der Juwelier selbst habe ihn noch aufgefordert, ihm eine Schusswaffe ("Zeig mir die Pistole!") gegen den Bauch zu drücken. Bei dem Ganzen habe es sich augenscheinlich um einen versuchten Versicherungsbetrug gehandelt - in der Aktentasche hätte sich kein einziges Schmuckstück befunden. Er habe die leere Tasche daher in einen Mülleimer geworfen, so der 28-Jährige.

Abgekartetes Spiel

"Ich weiß, Sie glauben mir nicht. Aber es war so. Es war so vereinbart, es so zu machen, es so ausschauen zu lassen, dass ich ihm etwas abgenommen habe", hatte der vermeintliche Räuber zu Beginn seiner Einvernahme erklärt. Er habe aus Nervosität sogar "Schmetterlinge im Bauch gehabt", so der bisher gerichtlich unbescholtene 28-Jährige.

Die Anklage hatte dem Mann vorgeworfen, in der Göttweihergasse - der engen, kurzen Verbindung zwischen Spiegelgasse und Seilergasse - dem Juwelier gegenüber getreten zu sein, der angeblich mit einer Aktentasche voller Schmuckstücke einen Goldschmied bzw. Berufskollegen aufsuchen wollte, um diesen Stücke aus seiner Kollektion anzubieten. Der 28-Jährige habe den Juwelier von hinten an der Schulter gepackt, herumgedreht, mit einem Revolver bedroht und ihm die Tasche mit dem wertvollen Inhalt abgenötigt.

Wie der Angeklagte und sein Verteidiger Nikolaus Rast übereinstimmend versicherten, sei die Tat inszeniert gewesen. "Das war ein abgekartetes Spiel. Man kann von Versicherungen gutes Geld lukrieren, indem man vorgibt, dass etwas passiert ist", gab Rast zu bedenken.

Der 28-Jährige schilderte, wie ihn ein Bekannter dazu überredet hatte, dem Juwelier die Tasche wegzunehmen. Er sei in der Göttweihergasse auf- und ab gegangen, als er endlich den ihm beschriebenen Mann erspähte: "Fast hätte ich ihn übersehen." Für seine schauspielerische Leistung habe er nachher von seinem Bekannten - seiner Darstellung zufolge der Mittelsmann zum Juwelier - 2.000 Euro bekommen.

Juwelier bestreitet Vorwurf

Der solcherart des versuchten Versicherungsbetrugs bezichtigte Juwelier - sein Geschäft befindet sich in bester Lage und genießt einen respektablen Ruf - beteuerte im Zeugenstand, er wäre tatsächlich überfallen und um Schmuck im Wert von 700.000 Euro erleichtert worden. Er unternehme regelmäßig mit noch weit kostbareren Steinen Gänge, um diese im Kollegenkreis feilzubieten bzw. bearbeiten zu lassen: "Die ganze Stadt weiß das. Man kennt sich halt in dieser Straße." Der Räuber müsse sich dieses Wissen zunutze gemacht haben: "Es gibt immer jemanden, der was weiß." Der Vorwurf, er habe den Raub inszeniert sei "ein Witz, ein Irrsinn".

Auch der angebliche Mittelsmann wies den Verdacht einer dahin gehenden Beteiligung im Zeugenstand zurück. Er habe mit dieser Sache nichts zu tun, betonte er unter Wahrheitspflicht.

Dessen ungeachtet sprach der Schöffensenat den Angeklagten am Ende frei. Vor allem der Umstand, dass sich dieser mit einem Taxi zum angeblichen Tatort bringen und von dort wieder wegchauffieren hatte lassen, irritierte das Gericht: Der vermeintliche Räuber hatte sich dabei eines ihm bekannten Taxifahrers bedient, der ihn sogar in seinem Handy abgespeichert hatte. Weiters fragte sich das Gericht, woher der 28-Jährige wissen hätte sollen, dass just zu jenem Zeitpunkt, als er die Göttweihergasse aufsuchte, der Juwelier dort des Weges kam. "Er müsste da nahezu über hellseherische Fähigkeiten verfügen", meinte Richter Stefan Erdei.

Die Raub-Version sei "denkbar, aber bewiesen ist es nicht", fasste Erdei die Beweislage zusammen. Die vom Angeklagten gebotene Version sei "nicht unlogisch und könnte funktionieren". Insgesamt sei mit der für ein Strafverfahren notwendigen Sicherheit jedenfalls nicht festzustellen, dass der Angeklagte einen bewaffneten Raubüberfall begangen habe.

Der Freispruch ist nicht rechtskräftig. Die Staatsanwältin gab vorerst keine Erklärung ab. Es obliegt nun der Anklagebehörde, angesichts der jüngsten Entwicklungen allenfalls Ermittlungen wegen Betrugsverdachts in die Wege zu leiten bzw. wieder aufzunehmen. Ein in diese Richtung gelaufenes Verfahren gegen den möglichen Mittelsmann wurde bereits eingestellt. Der Juwelier hat für den vorgeblichen Schadensfall von seiner Versicherung übrigens noch keine Leistung erhalten. Die Sache befinde sich noch im Prüfungsstadium, antwortete er auf eine entsprechende Frage des Richters.

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