Essen im Müll: Wien will Verschwendung halbieren

Essen im Müll: Wien will Verschwendung halbieren
Hunderte Freiwillige in Wien sammeln bereits Lebensmittel für Bedürftige. Nun ist die Politik gefordert.

Hallo! Na, wie geht’s? Hast du heute was für mich?" Roman Bauer winkt dem Gemüsehändler zu und parkt Grisu, den grünen Handwagen, vor dessen Stand. Der Händler packt ihm daraufhin ein paar Bünde Bananen in Tüten. Sie haben schon braune Flecken. Gekauft werden sie wohl nicht mehr. Aber genießbar sind sie auf jeden Fall noch.

Seit knapp einem Jahr findet sich Roman Bauer mit einigen Kollegen vier Mal wöchentlich um 17.30 Uhr auf dem Brunnenmarkt ein. "Lebensmittelretter" nennt sich die Gruppe, die Obst, Gemüse und Käse vor dem Wegschmeißen bewahrt.

Essen im Müll: Wien will Verschwendung halbieren
Die gesammelte Ware verteilen sie an sozial schwache Menschen und Bewohner eines Männerheims. Gegründet wurde die Initiative von Krankenschwester Eva-Maria Bruschek. Als Bruschek bemerkte, was für Berge an Lebensmitteln allein in dem Krankenhaus, in dem sie arbeitete, weggeworfen wurden, beschloss sie, etwas gegen diese Verschwendung zu tun – zumindest in ihrem Umfeld.

Eine Million Tonnen

Laut Umweltministerium landen österreichweit jährlich 500.000 Tonnen Lebensmittel auf dem Müll; dem Ökologie-Institut zufolge sind es sogar eine Million Tonnen. Genau weiß das niemand, weil in manchen Bereichen die Zahlen (noch) nicht erhoben werden.

Markus Hübl hofft, dass das bald anders wird. Hübl ist Sprecher der Wiener Tafel. Vergangenes Jahr haben die 400 Ehrenamtlichen dieses Sozialvereins 18.000 Menschen mit geretteten Lebensmitteln versorgt. Dazu kommen viele kleine Initiativen, wie die Lebensmittelretter. Das ist zwar gut, aber noch lange nicht gut genug, findet Hübl. Jetzt seien Stadt und Bund gefordert. Nachdem Frankreich vergangene Woche mit einem Lebensmittel-Wegwerf-Verbot für den Großhandel für Aufsehen sorgte, wird nun die Nahrungsmittel-Verschwendung in Österreich zum Thema.

Ein Runder Tisch mit Vertretern von Bund, Ländern, NGOs und Supermarktketten ist geplant; Termin gibt es aber noch keinen. In Bezug auf gesetzliche Regelungen hält man sich noch zurück. Umweltminister Andrä Rupprechter (ÖVP) hält es zwar für "ethisch bedenklich", wie viele Lebensmittel im Müll landen, eine Vermeidung mit einem Gesetz zu erzwingen, hält er aber nicht für den "richtigen Weg". Mit Bewusstseinsbildung sei mehr zu erreichen. Denn laut Statistik seien es vor allem die privaten Haushalte, bei denen ein Umdenken forciert gehöre.

Essen im Müll: Wien will Verschwendung halbieren
sima und der müll
Kampagnen wie "Verputzen statt Verschwenden" oder "Natürlich weniger Mist" hat es auch von der Stadt Wien schon gegeben. Ebenso wie soziale Initiativen seien Kampagnen aber nur ein Teil des Ganzen, findet Umweltstadträtin Ulli Sima (SPÖ).

Gesetzliche Regelung

Sima hat die Problematik am Freitag im Wiener Gemeinderat aufs Tapet gebracht. Gemeinsam mit Konsumenten-Stadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ) und dem Grünen Umweltsprecher Rüdiger Maresch legte sie einen Antrag zum "Stopp der Lebensmittel-Verschwendung" vor. Das Ziel ist dasselbe wie in Frankreich: Die Menge der weggeworfenen Lebensmittel bis zum Jahr 2025 halbieren. Um das durchzusetzen, würde Sima auch gesetzliche Maßnahmen unterstützen. Bevor der Handel zu Abgaben verpflichtet werde, müsse man aber ein umfassendes Netzwerk schaffen. Die bestehenden Sozialmärkte würden bereits jetzt an ihre Grenzen stoßen.

Essen im Müll: Wien will Verschwendung halbieren
Wie wichtig die richtige Infrastruktur ist, erfahren derzeit auch die Lebensmittelretter: Zu Beginn ersammelten sie pro Tag etwa drei Steigen. Mittlerweile reicht der große Handwagen kaum noch aus. Damit das Obst und Gemüse nicht verdirbt, startet die Lebensmittelretter ihr nächstes Projekt: Einmal pro Monat wollen sie die Restln im Kochsalon Wrenkh verkochen.

Mehr zum Thema lesen Sie am Sonntag im KURIER im großen Interview mit Caritas-Präsident Michael Landau.

Runder Tisch

Bundeskanzler Werner Faymann beauftragte Staatssekretärin Sonja Steßl damit, einen Gesprächsgipfel zu organisieren. Vertreter von Bund, Land, NGOs und Supermarktketten sollen das Thema gemeinsam erörtern. Ob der Runde Tisch noch vor dem Sommer stattfindet, ist unklar.

Rot-Grüner Antrag

Am Freitag stellte Umweltstadträtin Ulli Sima (SPÖ), mit Konsumenten-Stadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ) und dem grünen Umweltsprecher Rüdiger Maresch einen Antrag im Wiener Gemeinderat. Darin fordern sie Maßnahmen gegen die Lebensmittel-Verschwendung. Das Ziel: Wie in Frankreich die Menge der weggeworfenen Lebensmittel bis 2025 halbieren.

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