Terrorverdacht: Therapie statt U-Haft

Terrorverdacht: Therapie statt U-Haft
16-Jährige durfte gegen Auflagen heim. Der Fall zeigt, wie schwer der Umgang mit Radikalen ist.

Insgesamt 14 Tage lang trug Michaela K. (Name geändert) in der U-Haft-Zelle in Wien Josefstadt ihren Gesichtsschleier (wie der KURIER berichtete). Selbst der Richterin, die am Montag entschieden hat, dass die terrorverdächtige 16-Jährige enthaftet wird, zeigte sie ihr Gesicht nicht.

Die Bedingung für K.s Enthaftung sei "ein massives Kontrollsystem", berichtet ihr Anwalt Wolfgang Blaschitz. So müsse sie die in der U-Haft begonnene psychologische Betreuung fortsetzen und sich regelmäßig bei Gericht melden.

Der Fall K. zeigt anschaulich, wie schwierig der Umgang mit radikalisierten Jugendlichen für Behörden und Angehörige ist.

Im September konvertierte K. zum Islam, vertrat immer radikalere Ansichten, trat aggressiv gegenüber ihrer Mutter auf, war für Psychiater in der Schule und (nach einer Suizid-Ankündigung) in einem Spital nicht erreichbar. Die 16-Jährige heiratete nach islamischem Recht einen jungen Tschetschenen, der sich im heurigen Jänner nach Syrien abgesetzt hat. Als die sichtlich bemühte Mutter beim Verfassungsschutz vorsprach, hieß es, es gebe keine rechtliche Handhabe. In den Fokus des Staatsschutzes geriet K. durch einen Chat mit Oliver N., einem jungen Wiener, der in Syrien im Sold der Terrormiliz Islamischer Staat steht. Der Inhalt des Chat-Protokolls: Laut Akt plante K., zu ihrem Ehemann nach Syrien zu ziehen. Und dabei Geld sowie heiratswillige Frauen für die Kämpfer mitzunehmen. Die Reise "stand unmittelbar bevor", vermerkten Ermittler.

Auf den ersten Blick mag es verwunderlich klingen, aber die Mutter reagierte auf die Festnahme positiv. Angesichts der steten Angst, die Tochter durch eine Ausreise zu verlieren, sei das verständlich, sagt Anwalt Blaschitz. "Die U-Haft war eine Nachdenkpause, aber das war der falsche Ort für das Problem."

Beratungsstelle

Wie sollen sich Eltern in so einer Situation verhalten? Wichtig sei es, "eine positive Beziehung aufrechtzuerhalten", sagt Verena Fabris. Sie leitet die Beratungsstelle Extremismus des Familienministeriums, die mit 1. Dezember in Betrieb ging. Rund 200 Angehörige, Lehrer oder Bekannte holten sich telefonisch Rat ( 0800/240262), 41 Beratungen fielen bis Ende Februar an. Fabris erklärt es anhand des Beispiels eines Mädchens, das nach Syrien wollte, um das Flüchtlingsleid zu lindern. Es sei wichtig, "das Anliegen zuerst anzuerkennen" und erst dann eine ideologische Debatte zu führen.

In den Beratungen gehe es dann um "dahinterliegende Probleme" in der Schule oder Familie, die Betroffene anfällig für radikales Gedankengut machen. Ein Teil der Arbeit sei es auch, Panik vorzubeugen – etwa bei den Eltern eines Zwölfjährigen. "Der Junge war nicht radikalisiert, er hat nur experimentiert."

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