Teenager sitzt mit Burka in U-Haft

Mona S. am Weg zum Terrorprozess im Jahr 2008: Die damals 22-Jährige weigerte sich, ihren Schleier abzunehmen und wurde des Saals verwiesen.
Wie einst Mona S. will die 16-Jährige ihr Gesicht nicht zeigen. Ein Lehrstück über Radikalisierung.

Michaela K. (Name geändert), 16, ist ein trotziger Teenager. In der U-Haft-Zelle in Wien-Josefstadt weigert sie sich, ihre Burka abzulegen. K., die sich wie jeder Islamist einen Alias-Namen zugelegt hat und sich "Malika Muslima" nennt, soll eine Terror-Unterstützerin sein – ein Sponsor der Enthauptungsterroristen namens Islamischer Staat (IS).

So ähnlich sehen es zumindest Verfassungsschützer, ein Staatsanwalt und eine Richterin, die die 16-Jährige in Untersuchungshaft steckte. Doch K.s Akt kann auch anders gelesen werden: Er klingt dann wie ein Lehrstück über einen radikalisierten Teenager, mit dem sein Umfeld, eine bemühte Mutter, eine Psychologin und die Sicherheitsbehörden, überfordert waren.

K.s Hinwendung zur radikal-islamischen Ideologie und ihre Weigerung, die Burka abzulegen, erinnern an Mona S. Österreichs erste verurteilte islamistische Terroristin, die mit den Behörden in Konflikt geraten war und sich vor Gericht beharrlich dagegen sträubte, ihr Gesicht zu zeigen.

Amtsbekannt wurde Michaela K. erstmals, als ihre verzweifelte Mutter die Polizei rief. Am 25. Oktober des Vorjahres ging der Notruf ein: Ihre Tochter, die im September zum Islam konvertiert sei, verhalte sich aggressiv und drohe mit Suizid. Ein Amtsarzt überwies das Mädchen in eine Psychiatrie.

"Stets Antwort parat"

Am Denken der Berufsschülerin änderte der Aufenthalt nichts. Die Wienerin lehnte westliche Werte ab, behauptete, Medien würden "Lügen über den Islam verbreiten". Die 16-Jährige heiratete nach islamischem Recht einen jungen Tschetschenen, der sich diesen Jänner nach Syrien abgesetzt hat. Auch in der Schulklasse weigerte sich das Mädchen, die Vollverschleierung abzunehmen. Die Fragen der Schulpsychologin prallten an ihr ab.

Sie habe "stets eine Antwort parat", schilderte ihre Mutter. Wo und wie hat sich ihr Kind radikalisiert? Auf Facebook, im Internet, bei Freunden oder in einer Moschee? Sie habe keine Antwort, sagte sie. Die Frau sprach bei Verfassungsschützern vor, die "keine rechtliche Möglichkeit des Einschreitens" sahen. Von einer Syrien-Reise war damals noch keine Rede.

Geld und Frauen

Das änderte sich aus Behördensicht schlagartig. Staatsschützer stießen auf K. und ihren Chat-Partner – Oliver N. Der Wiener Berufsschüler trat in einem IS-Propaganda-Video auf. Auf der Plattform "Telegram" soll K. dem Wiener Dschihadisten Unterstützung versprochen und eine Reise nach Syrien zu ihrem Ehemann angekündigt haben. Sie hätte "so viel Geld wie möglich" sowie potenzielle Ehefrauen für Kämpfer mitnehmen sollen. Laut Behörde stand "eine Ausreise unmittelbar bevor", als K. am 25. Februar festgenommen wurde. Die U-Haft sei trotz des jungen Alters aufgrund der "Flucht- und Tatbegehungsgefahr" (...) verhältnismäßig", begründete die Richterin.

Wolfgang Blaschitz, der Anwalt des Mädchens, hält diesen Schritt für vollkommen überzogen. "Das ist kein Sicherheitsproblem, sondern ein pädagogisches und soziales." Das Mädchen "sitzt verängstigt in der Zelle und harrt ihres Schicksals". Am Montag wird über die Verlängerung der U-Haft entschieden.

Um derartige Fälle kümmert sich die Beratungsstelle Extremismus ( 0800/240 262), die seit Ende 2014 Angehörige von Radikalisierten sowie Betroffene berät. Für die einst verurteilte Mona S. kam die Einrichtung zu spät. S. fand trotzdem ihren Weg. Sie ist nun gläubig – ohne radikale Gesinnung.

Auf das Landesgericht Wien rollt die bisher größte Terror-Causa zu. Zehn Personen sind wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung angeklagt. Ihnen drohen im Falle einer Verurteilung bis zu zehn Jahre Haft. Der Vorwurf habe "kein Substrat", kritisiert Wolfgang Blaschitz, einer der Anwälte.

Der Wiener Rechtsanwalt weiß, wovon er spricht. Derzeit vertritt er mehrere mutmaßliche Dschihadisten. Darunter ist auch Magomed Z., der im Sold der Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) gestanden sein soll. Verteidiger Blaschitz weiß, dass viele Indizien gegen seinen Mandanten sprechen. Er will dennoch mit mehreren Beweisanträgen zeigen, dass Z., dessen Augenlicht laut Gutachter sehr eingeschränkt ist, ein Prahler und kein Terrorist ist.

Gescheiterte Reisen

In der Terror-Causa mit zehn Verdächtigen sind Indizien rar. Es dreht sich alles um gescheiterte Reisen nach Syrien, um sich dort laut Staatsanwalt den IS-Terroristen anzuschließen. Doch reicht schon der Plan, in Richtung Kriegsgebiet nach Syrien aufzubrechen?

Blaschitz verneint vehement. "Der Plan, dorthin zu fahren, heißt nicht automatisch, dass man sich einer Terrorgruppe anschließt."

Für die Angeklagten endete die Autofahrt kurz vor zwei Grenzübergängen. Zwei Pkw stoppte der Verfassungsschutz am 27. August des Vorjahres – in Nickelsdorf und Arnoldstein. Dem Zugriff waren lange Observationen vorausgegangen. Im Zentrum stand dabei Furat Y. der im Akt als "Schleuser" geführt wird. Der 34-Jährige aus Wien soll mehrfach Gotteskrieger mit dem Pkw über die Türkei an die syrische Grenze chauffiert haben. Er habe "20 Mujaheddin nach Syrien gebracht", berichtete er in einem Chat.

Die Vorwürfe stützten sich auf mehrere Ausreiseversuche sowie konspirative Treffen, die als "Anwerbegespräche" sehr allgemein umschrieben werden. Dem Staatsanwalt reicht das. Denn alle wären bewusst in Richtung der IS-Terroristen aufgebrochen. Die Fahrt sei ein "Vorbereitungsdelikt", bereits bei der Zusage an einen Rekrutierer, sich der Vereinigung anzuschließen, handle es sich um "psychische Unterstützung". Außerdem beruft sich die Anklagebehörde auf Furat Y., der ein Geständnis abgelegt hat. Doch Mitreisende widersprechen ihm.

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