Bürgerstreit wegen 30er-Zonen

Bürgerstreit wegen 30er-Zonen
Tempo 30 belastet laut Autofahrerclubs die Umwelt. Politik und Anrainer wollen davon nichts wissen.

Die letzte Pro-Kundgebung für eine 30er-Zone in Wien endete mit einem Eklat. Am 23. Juli blockierten Mitglieder der Bürgerinitiative Allee Hopp die Hörlgasse in Wien-Alsergrund.

Mit einem Transparent mit der Aufschrift Lebensqualität hat Vorrang brachten die Anrainer den Verkehr auf der Durchzugsstraße zum Stillstand – die Blockade dauerte mehrere Minuten. Ein nerviges Hupkonzerte und laute Schimpftiraden der Autofahrer waren die logische Folge. Ein Lenker fuhr sogar – unter Gasstößen – extrem knapp auf die 30er-Befürworter zu.

"Im Wasagymnasium können die Schüler die Fenster nie öffnen, viele Bewohner haben Schlafstörungen, der Feinstaub ist in den Lungen zu spüren und an den Häusern zu sehen. Wenn die Stadtregierung ihr Smartcity-Konzept ernst nimmt, soll sie dort anfangen, wo es am schlimmsten ist, zum Beispiel in der Hörlgasse", argumentierte Thomas Wallaberger von Allee Hopp.

Vergangenen Mittwoch fand der Wunsch der Anrainer in der Bezirksvertretung Gehör. Ein Mehrparteien-Antrag von SPÖ und Grünen brachte auch die politische Forderung nach einer 30er-Zone. "Wir reduzieren damit die Belastung der Anrainer", unterstrich SP-Bezirksvorsteherin Martina Malyar die Entscheidung.

Einen Tag davor fand im Café Stein ein runder Tisch zwischen Befürwortern, Gegnern und Politikern statt. Vize-Bezirkschef Thomas Liebich, ebenfalls Sozialdemokrat geht im KURIER-Telefonat ins Detail: "Es gab auch einige Gegner. Aber auf beiden Seiten der Hörlgasse ist Tempo 30 bereits aufrecht. Bis Ende 2014 ist die Tempo-Reduzierung realistisch." Weitere Anrainer-Forderungen wie Spurreduktion und Schräg- statt Längsparkplätzen sieht Liebich bis Ende 2014 als "nicht realisierbar".

Für ARBÖ-Sprecher Kurt Sabatnig ist die Hörlgasse ein Beispiel, wie sich 30er-Zonen-Befürworter selbst schaden: " Eine Studie der Technischen Uni Wien besagt, dass bei Tempo 30 sechs Prozent mehr Abgase in die Luft geblasen werden. Ich glaube nicht, dass die Anrainer das wussten." Auftraggeber der Studie waren der Österreichische Verein für Kraftfahrzeugtechnik (ÖVK), der Arbeitskreis der Automobilimporteure und das Bundesgremium Fahrzeughandel in der Wirtschaftskammer.

Mut zeigen

Sabatnig forderte – wegen der Studien-Ergebnisse – eine Evaluierung von Wiens 30er-Zonen: "Die Politik muss den Mut haben, 30er-Zonen wieder in Tempo-50-Zonen umzuwandeln. Sofern Verkehrssicherheit und Lärmbelastung nicht unter die Räder geraten."

Unterstützung kommt vom ÖAMTC. Markus Schneider, Fahrzeugtechniker des Clubs warnt: "Das Sicherheitsargument ist plausibel. Aber 30 km/h sind kein Allheilmittel gegen Luftverschmutzung und Lärmbelästigung. Die meisten Autos sind nicht für diese Geschwindigkeit als Regelbetrieb ausgelegt. Um unter Tempo 30 zu bleiben, muss man dauern schalten, bremsen und wieder anfahren." Auch das Lärmargument gilt für Schneider nicht: "Unter 50 km/h gibt es bei der Lautstärke kaum Unterschiede."

Bleibt die Frage, warum die Stadt weiterhin 30er-Zonen forciert. Denn aktuell sind von den 2771 Straßenkilometern der Stadt (inklusive Bundesstraßen und Autobahnen) 1692 Kilometer Tempo-30-Zonen (61). Hinzukommend ignorieren laut einer Untersuchung der Wiener Linien drei Viertel der Lenker die vorgeschriebenen 30 km/h. ARBÖ-Sprecher Sabatnig kennt die Antwort: "In diesen Zonen kann mittels Tempo-Messungen abkassiert werden. Warum sonst gilt am Wilhelminenberg bei den Steinhofgründen Tempo 30. Dort werden Lenker bereits um fünf Uhr Früh abgezockt."

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